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Nachwuchsproblem

Mangelberuf Apotheker

Apotheker gehören zu den Mangelberufen. Diese Feststellung der Bundesagentur für Arbeit wird für viele Apothekenleiter zur Realität, wenn sie Personal oder einen Nachfolger suchen. Auch andere Arbeitgeber spüren den Fachkräftemangel. Wird zu wenig ausgebildet?
Brigitte M. Gensthaler
24.09.2019  10:00 Uhr

Die gute Nachricht zuerst: Wer heute Pharmazie studiert, muss sich keine Sorgen um einen Arbeitsplatz machen oder gar Arbeitslosigkeit befürchten. In ihrer Fachkräfte-Engpassanalyse vom Juni 2019 konstatiert die Bundesagentur für Arbeit einen Mangel in etlichen technischen und Bauberufen sowie in Pflege- und Gesundheitsberufen. In der Rubrik Experten sind als Mangelberufe Ärzte allgemein und speziell Internisten, Gynäkologen und Psychiater sowie Pharmazeuten und Apotheker gelistet.

»Bereits zum sechsten Mal in Folge stellt die Bundesagentur bei Apothekern einen ausgewiesenen Mangel fest«, sagt Berit Winter, Leiterin der Abteilung Berufe und Apothekenpraxis der ABDA, im Gespräch mit der PZ. Besonders betroffen sei Baden-Württemberg; hier ist der Mangel in der Engpassanalyse zusätzlich regional bestätigt. Dies war auch das erste Bundesland, in dem Apotheker als Mangelberuf ausgewiesen wurden. Die Arbeitslosenquote bei den Pharmazeuten liegt bei 1,7 Prozent.

Personalbedarf steigt kontinuierlich

Zwar sinkt die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland seit dem Jahr 2000 kontinuierlich und fiel 2017 erstmals unter die 20.000er-Marke. Derzeit gibt es rund 19.000 Betriebe. Doch parallel dazu steigt die Zahl der Angestellten seit 2003 stetig an, vor allem beim pharmazeutischen Personal (Approbierte und PTA). »Derzeit hat eine Apotheke im Schnitt mehr als sechs Mitarbeiter bezogen auf Vollzeit; der Trend geht also zu größeren Betrieben«, berichtet Winter.

Tatsächlich wächst die Zahl der berufstätigen Apotheker in Deutschland: in den vergangenen zehn Jahren laut ABDA um 13,7 Prozent oder absolut gesehen um fast 7950 Personen. 2018 waren mehr als 65.700 Approbierte berufstätig. Wie zu erwarten, arbeiten die meisten in öffentlichen Apotheken. Doch während der Personalzuwachs von 2008 bis 2018 hier bundesweit bei 8 Prozent lag, boomen die Stellen in Krankenhausapotheken (Zuwachs um fast 30 Prozent) und vor allem im Bereich von Wissenschaft, Industrie und Verwaltung (WIV); hier liegt die Steigerungsrate bei etwa 42 Prozent. Eine Schätzung, wie viele Apotheker durch die Ausweitung der Plätze für Stationsapotheker zusätzlich benötigt werden, gibt es laut Winter nicht. In allen Bereichen – auch bei den Apothekenleitern – wächst der Anteil der Frauen.

Vergleichbar ist die Situation bei den berufstätigen PTA. Deren Zahl wächst konstant, seit 2016 allerdings deutlich weniger als in den Vorjahren, da nun die ersten PTA altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden. Allein in öffentlichen und in Krankenhausapotheken arbeiteten laut ABDA deutschlandweit rund 66.900 PTA (Stand 2018).

Und die berufstätigen Apotheker werden nicht nur mehr, sondern auch älter. Der Anteil der Kollegen über 55 Jahren wächst. »In den nächsten zehn Jahren werden bundesweit voraussichtlich 22 Prozent der Kollegen in Ruhestand gehen«, prognostiziert Winter. Bei den Apothekenleitern ist bundesweit mehr als ein Drittel älter als 55 Jahre.

Mögliche Ursachen für Mangel

Mehr Arbeitsplätze, neue Berufsfelder und zahlreiche Apotheker vor der Rente: Da ist pharmazeutischer Nachwuchs gefragt. Hilfreich ist in dieser Situation, dass die Zahl der Pharmazie-Studienplätze bundesweit seit Jahren konstant bei etwa 2750 liegt. Die Zahl der Bewerber in der Pharmazie sei wieder auf höherem Niveau angelangt, sodass die Studienplätze in den letzten Jahren wieder gut besetzt werden konnten, berichtet die ABDA-Abteilungsleiterin.

Die Situation ist kontrovers: Angesichts von jährlich etwa 2200 erteilten Approbationen dürfte es eigentlich keinen Apothekermangel in Deutschland geben. »Dennoch haben wir an allen Ecken und Enden Probleme«, konstatiert Winter gegenüber der PZ und verweist auf mögliche Ursachen. »Ganz viele Faktoren spielen hier mit herein.« Darunter das Stadt-Land-Gefälle, veränderte Ansprüche an die Work-Life-Balance, die starke Entwicklung im WIV-Bereich und die unterschiedliche Attraktivität von Arbeitsplätzen. Der hohe Frauenanteil, der Trend zur Teilzeitarbeit – auch in Tätigkeitsfeldern außerhalb der öffentlichen Apotheke und bei Männern – sowie die sinkende Bereitschaft zur Selbstständigkeit spielten ebenfalls eine Rolle.

Ein überraschendes Phänomen ist die Nichtberufstätigkeit junger Approbierter. Diese Einschätzung basiert auf Meldungen der Landesapothekerkammern, denn jeder Apotheker, der pharmazeutisch arbeitet, ist satzungsgemäß Mitglied einer Apothekerkammer. »Wir wissen aber aus den Kammermeldungen, dass ein Viertel bis ein Drittel der Apotheker bis etwa Mitte 40 nicht pharmazeutisch berufstätig oder zumindest nicht bei einer Apothekerkammer gemeldet sind«, berichtet Winter. Das bedeutet: »Viele Berufseinsteiger gehen uns verloren.«

Für die Apothekenberufe werben

Wie kann man dem Engpass begegnen? Durch vermehrte Nachwuchswerbung schon an Schulen steigt zwar nicht die Zahl der Pharmazie-Studienplätze und der Studierenden, aber die der qualifizierten Bewerber um einen Studien- oder Ausbildungsplatz. Daher stellt die ABDA auf ihrer Seite www.apotheken-karriere.de nicht nur das Pharmaziestudium, sondern auch Ausbildungswege, Aufgaben und Zukunftsperspektiven von PTA und PKA vor. Für PTA und PKA gibt es zudem Filme zum »ersten Arbeitstag« in der Apotheke.

Um den Einstieg in die berufliche Ausbildung zu erleichtern, hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder Anfang Juni 2019 die Abschaffung des Schulgelds für nichtakademische Gesundheitsberufe, also auch für PTA, beschlossen. Bislang müssen angehende PTA für den zweijährigen schulischen Teil ihrer Ausbildung bezahlen. Einige Bundesländer übernehmen oder bezuschussen das Schulgeld. Für viele Interessenten dürften die monatlichen Kosten jedoch eine (zu) hohe Hürde sein. Bis Ende 2019 soll die Schuldgeldfrage bundeseinheitlich geregelt werden, so die GMK.

Um generell mehr Männer für ein Pharmaziestudium und mehr Absolventen für die Selbstständigkeit zu begeistern, müsse man wohl auch die Ansprache ändern, sagt Winter. Wünschenswert sei auch, gut qualifizierte PTA zum Studium zu motivieren. Ebenso wichtig ist der Apothekerin, die Angebote für eine gute Work-Life-Balance, zum Beispiel zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu verbessern (siehe Kasten).

Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den pharmazeutischen Arbeitsmarkt haben ausländische Apotheker. 2018 haben mehr als 900 Bewerber die Fachsprachenprüfung abgelegt. Deren Bestehen ist eine der Voraussetzungen für die Berufserlaubnis und die Approbation für Apotheker aus dem Ausland. Laut Winter werden aktuell mehr als 400 Approbationen pro Jahr an Bewerber vergeben, die im Ausland Pharmazie studiert haben.

 

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