Lancet-Kommission warnt vor vernetzter Gesundheitskrise |
Melanie Höhn |
24.07.2025 11:00 Uhr |
Zoonosen beispielsweise würden eine zentrale Rolle spielen. Von allen bekannten Infektionserregern, die beim Menschen Krankheiten auslösen, stammen laut der Experten rund 60 Prozent ursprünglich von Tieren. Bei neu auftretenden Infektionskrankheiten sei der Anteil sogar noch höher: Über 70 Prozent dieser sogenannten »Emerging Diseases« – wie Ebola, SARS-CoV-1 oder SARS-CoV-2 – gehen auf Erreger zurück, die vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind.
Zugleich würden jeden Tag Hunderte Kinder an vermeidbaren Durchfallerkrankungen sterben, weil sauberes Wasser fehle. Luftverschmutzung fordere Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich. Hinzu kämen Kipppunkte im Ökosystem: Die Korallenriffe seien seit dem 19. Jahrhundert um die Hälfte geschrumpft, zwischen 2010 und 2015 gingen 32 Millionen Hektar Tropenwald verloren, erklärte das Expertengremium.
Die Kommission zeigt auch die wirtschaftlichen Folgen auf: Allein die Afrikanische Schweinepest habe in China zum Verlust von 40 Prozent der Schweinepopulation geführt und Schäden von über 140 Milliarden US-Dollar verursacht. Zugleich könnten integrierte Überwachungssysteme nicht nur Leben retten, sondern auch Kosten sparen: In Italien etwa werde das West-Nil-Virus nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Stechmücken, Wildvögeln und Pferden überwacht. Dieser integrierte Ansatz habe frühzeitige Gegenmaßnahmen ermöglicht und in sechs Jahren mehr als 160.000 Euro im Vergleich zu einer rein humanmedizinischen Überwachung gespart.
»Gesundheit ist kein isoliertes medizinisches Problem. Sie entsteht in komplexen Ökosystemen«, sagt Professor Jürgen May, Vorstandsvorsitzender und Leiter der Abteilung Infektionsepidemiologie am BNITM und Mitglied der Kommission. »Wenn wir weiter in Schubladen denken, riskieren wir Pandemien, resistente Erreger und den Kollaps unserer Ernährungssysteme.«
Professor John Amuasi als korrespondierender Autor des Berichts ergänzte: »Regierungen und internationale Organisationen müssen One-Health-Ansätze in nationale Strategien und Budgets integrieren. Die Umsetzung kann allerdings nur funktionieren, wenn die verschiedenen Interessensgruppen auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Das gilt auch für das kürzlich vereinbarte Pandemie-Abkommen. Nur dann können wir weltweit Vertrauen stärken und Pandemien verhindern.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.