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»One Health«-Ansatz

Lancet-Kommission warnt vor vernetzter Gesundheitskrise

Klimawandel, Umweltzerstörung und neue Infektionskrankheiten bedrohen die globale Gesundheit, warnt die Lancet-One-Health-Kommission. Nur ein radikales Umdenken könne die vernetzten Krisen stoppen.
Melanie Höhn
24.07.2025  11:00 Uhr

Die Welt steht vor einer vernetzten Gesundheitskrise: Zoonosen, antimikrobielle Resistenzen, Umweltzerstörung und Klimawandel bedrohen Millionen Menschenleben, warnt die internationale Expertengruppe »Lancet-One-Health-Kommission« um Professor John Amuasi, Leiter der Global One Health Research Group und Co-Vorsitzender der Kommission, in einem aktuellen Bericht. Das Expertengremium wurde 2019 ins Leben gerufen und vereint 40 internationale Expertinnen und Experten aus Medizin, Veterinärwissenschaften, Umweltforschung, Sozialwissenschaften und Ökonomie. Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) war als führender Partner an dem Bericht beteiligt.

Es würden gravierende Folgen drohen, wenn Regierungen, Wirtschaft und internationale Organisationen nicht sofort umsteuern, so die Kommission. Der Kern der Botschaft: Nur ein konsequenter »One-Health«-Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt gemeinsam betrachte, könne die eskalierende Kette von Gesundheitskrisen durchbrechen.

Infektionskrankheiten nur Spitze des Eisbergs

Die Covid-19-Pandemie habe laut der Expertengruppe drastisch gezeigt, wie eng die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen miteinander verflochten sei. Doch Infektionskrankheiten seien nur die Spitze des Eisbergs. »Antibiotikaresistenzen, die jährlich Millionen Todesfälle verursachen, schmutzige Luft, kontaminierte Gewässer und der Verlust biologischer Vielfalt bedrohen nicht nur die globale Gesundheit, sondern auch Ernährungssicherheit, Wirtschaft und soziale Stabilität. Bislang haben politische Strategien diese Zusammenhänge kaum berücksichtigt«, heißt es in einer Mitteilung der Kommission.

Der Begriff »One Health« sei ein »integrierter Ansatz, der die Verbindungen zwischen humaner Gesundheit, Tiergesundheit und Umwelt systematisch in Forschung, Politik und Praxis einbezieht«, so die Expertengruppe. Sie fordert, diesen Ansatz verbindlich in alle relevanten Politikfelder zu integrieren – von der Landwirtschaft über die Klima- und Umweltpolitik bis hin zur Wirtschaft. Zugleich erfordere »One Health« einen fairen und gleichberechtigten Umgang zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen. Die Lehre aus der Pandemie sei eindeutig: im globalen Wettbewerb um Impfstoffe, Schutzausrüstung und Diagnostik dürften Länder mit begrenzten Ressourcen nicht das Nachsehen haben. Globale Gesundheitssicherheit gelinge nur, wenn Ressourcen gerecht verteilt und Kapazitäten überall gestärkt würden.

Zoonosen, Durchfallerkrankungen, wirtschaftliche Folgen

Zoonosen beispielsweise würden eine zentrale Rolle spielen. Von allen bekannten Infektionserregern, die beim Menschen Krankheiten auslösen, stammen laut der Experten rund 60 Prozent ursprünglich von Tieren. Bei neu auftretenden Infektionskrankheiten sei der Anteil sogar noch höher: Über 70 Prozent dieser sogenannten »Emerging Diseases« – wie Ebola, SARS-CoV-1 oder SARS-CoV-2 – gehen auf Erreger zurück, die vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind.

Zugleich würden jeden Tag Hunderte Kinder an vermeidbaren Durchfallerkrankungen sterben, weil sauberes Wasser fehle. Luftverschmutzung fordere Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich. Hinzu kämen Kipppunkte im Ökosystem: Die Korallenriffe seien seit dem 19. Jahrhundert um die Hälfte geschrumpft, zwischen 2010 und 2015 gingen 32 Millionen Hektar Tropenwald verloren, erklärte das Expertengremium.

Die Kommission zeigt auch die wirtschaftlichen Folgen auf: Allein die Afrikanische Schweinepest habe in China zum Verlust von 40 Prozent der Schweinepopulation geführt und Schäden von über 140 Milliarden US-Dollar verursacht. Zugleich könnten integrierte Überwachungssysteme nicht nur Leben retten, sondern auch Kosten sparen: In Italien etwa werde das West-Nil-Virus nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Stechmücken, Wildvögeln und Pferden überwacht. Dieser integrierte Ansatz habe frühzeitige Gegenmaßnahmen ermöglicht und in sechs Jahren mehr als 160.000 Euro im Vergleich zu einer rein humanmedizinischen Überwachung gespart.

»Das Zeitfenster schließt sich«

»Gesundheit ist kein isoliertes medizinisches Problem. Sie entsteht in komplexen Ökosystemen«, sagt Professor Jürgen May, Vorstandsvorsitzender und Leiter der Abteilung Infektionsepidemiologie am BNITM und Mitglied der Kommission. »Wenn wir weiter in Schubladen denken, riskieren wir Pandemien, resistente Erreger und den Kollaps unserer Ernährungssysteme.«

Professor John Amuasi als  korrespondierender Autor des Berichts ergänzte: »Regierungen und internationale Organisationen müssen One-Health-Ansätze in nationale Strategien und Budgets integrieren. Die Umsetzung kann allerdings nur funktionieren, wenn die verschiedenen Interessensgruppen auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Das gilt auch für das kürzlich vereinbarte Pandemie-Abkommen. Nur dann können wir weltweit Vertrauen stärken und Pandemien verhindern.« 

Eine Roadmap für die Zukunft

Die Kommission legt eine klare Agenda vor. Sie fordert eine internationale Governance-Struktur für One Health, vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen. Nationale Regierungen sollen One Health in Gesetze und Strategien aufnehmen, Budgets umschichten und Frühwarnsysteme für Krankheiten an den Schnittstellen zwischen Mensch, Tier und Umwelt einrichten. Ebenso wichtig sei ein Paradigmenwechsel in der Ökonomie – weg vom reinen Wachstumsdenken hin zu Modellen, die Wohlbefinden, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen.

One Health soll in die Lehrpläne von Universitäten, in Entwicklungsprogramme und in internationale Handels- und Klimaverträge integriert werden, fordern die Experten. Die Kommission betont: Der Schutz der menschlichen Gesundheit beginne im Stall, im Wald, in der Luft und im Wasser. Nur dann könnten die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen – von Gesundheit über Klima bis hin zur Biodiversität – erreicht werden. Die Verantwortung liegt bei allen UN-Mitgliedstaaten, unterstützt durch die vier Organisationen Weltgesundheitsorganisation (WHO), Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).

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