Kontrazeption für den Mann |
Doppelter Schutz: Ein Kondom schützt nicht nur vor einer ungewollten Schwangerschaft, sondern auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten. / Foto: Adobe Stock/Photographee.eu
Für einen großen Teil der Erwachsenen im fortpflanzungsfähigen Alter stellt sich irgendwann die Frage nach einer wirksamen Empfängnisverhütung. Eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bei knapp 1000 sexuell aktiven Personen im Alter von 18 bis 49 Jahren aus dem Jahr 2018 ergab, dass die beliebtesten Verhütungsmittel der Deutschen die Pille und das Kondom sind. Beide Methoden liegen mit einer Nutzungsrate von 47 beziehungsweise 46 Prozent fast gleichauf (1).
Dennoch ist die Verhütung insbesondere in Langzeitbeziehungen immer noch häufig Frauensache. Dies hat verschiedene Gründe. Bis in die 1960er-Jahre gab es de facto keine wirksamen Verhütungsmethoden für Frauen. Mit der Markteinführung der Pille Anfang der 1960er-Jahre war es ihnen erstmals möglich, die eigene Fruchtbarkeit und ihre Folgen zu kontrollieren – und viele Frauen übernahmen diese Aufgabe selbst. Zum anderen haben sich die Verhältnisse gewandelt – heute sind deutlich mehr »weibliche« Verhütungsmethoden verfügbar als solche für Männer. Diese Methoden sind in aller Regel zuverlässig wirksam, jedoch teilweise mit einem signifikanten Nebenwirkungspotenzial behaftet und kommen nicht für jede Frau infrage.
Laut einer Befragung in verschiedenen Ländern ist durchschnittlich mehr als die Hälfte der Männer an der Anwendung hormoneller Verhütungsmethoden interessiert (2). Daher wäre es wünschenswert, dass auch für sie eine breite Auswahl zur Verfügung steht. Dieser Artikel gibt einen Überblick über vorhandene sowie vielversprechende Methoden in der Entwicklung.
Verhütungsverfahren für Männer lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
Ein ideales Verhütungsmittel sollte spezielle Eigenschaften haben (3). Es muss mindestens so wirksam sein wie verfügbare Methoden, einen schnellen Wirkeintritt bei guter Verträglichkeit haben und darf keine negativen Effekte auf die Nachkommen auslösen. Die Wirkung muss reversibel sein. Und schließlich muss die Methode eine hohe Akzeptanz (bei beiden Partnern) haben und zu vertretbaren Kosten breit verfügbar sein.
Die bekannteste Verhütungsmethode für Männer ist das Kondom. Seine Nutzung ist sehr weit verbreitet und erfolgt vielfach auch zusätzlich zu anderen Verhütungsmaßnahmen. Kondome bestehen klassischerweise aus Latex und verhindern den Kontakt des Penis und des Ejakulats mit der Vaginalschleimhaut (Barrieremethode). Ein Kondom muss für die gesamte Dauer des Geschlechtsverkehrs getragen werden, da bereits vor der eigentlichen Ejakulation befruchtungsfähige Spermien austreten können. Daher schließt auch ein Coitus interruptus keinesfalls eine Empfängnis aus.
Als einzige Empfängnisverhütungsmethode bieten Kondome gleichzeitig einen zuverlässigen Schutz vor sexuell übertragbaren Erregern wie HIV, Chlamydien oder Treponema pallidum, dem Erreger der Syphilis. Zudem sind sie universell einsetzbar (4). Kondome sind bei korrekter Anwendung mit einem Pearl-Index (Kasten) von 2 sehr sicher. Bei nicht korrekter Anwendung kann dieser Wert jedoch auf bis zu 12 ansteigen. Daher sollten sich bereits Jugendliche mit dem Gebrauch von Kondomen vertraut machen.
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Der Pearl-Index ist ein Maß für die Zuverlässigkeit einer Empfängnisverhütungsmethode. Benannt wurde er nach dem US-amerikanischen Biologen Raymond Pearl. Der Pearl-Index gibt an, wie viele Schwangerschaften eintreten, wenn 100 sexuell aktive Frauen ein Jahr lang mit einer bestimmten Methode verhüten.
Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist demzufolge die Methode. Ein Wert von 2 besagt beispielsweise, dass innerhalb eines Jahres bei zwei von 100 Frauen trotz Verwendung des Verhütungsmittels eine Schwangerschaft eintritt.
Im Handel sind unzählige Ausführungen verfügbar, darunter auch latexfreie Alternativen, falls bei einem der Partner eine Allergie vorliegt. Für eine sichere Anwendung ist vor allem die Wahl der korrekten Größe wichtig (2). Zu diesem Zweck sind bei Herstellern spezielle Messsysteme verfügbar. Kondome sind Medizinprodukte der Risikoklasse IIb, die als Qualitätsmerkmal mit einem CE-Kennzeichen und einer vierstelligen Nummer gekennzeichnet sind.
Bei der Beratung in der Apotheke können noch Hinweise zur Lagerung mitgegeben werden: Kondome nicht der Sonne aussetzen, nicht an warmen Orten wie der Hosentasche aufbewahren und nicht nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums verwenden, da das Material brüchig werden kann. Vor der Verwendung ist darauf zu achten, dass die Verpackung unbeschädigt ist.
Hinter der Vasektomie verbirgt sich ein operativer Eingriff, bei dem beide Samenleiter für Spermien undurchlässig gemacht werden. Diese Verhütungsmethode ist mit einem Pearl-Index von 0,2 extrem sicher, will aber wohlüberlegt sein, da sie nicht ohne Weiteres reversibel ist. Sie kommt daher nur für Männer in Betracht, die definitiv keinen Nachwuchs wünschen oder deren Familienplanung abgeschlossen ist. Der Mann sollte laut der Leitlinie zur Vasektomie der European Association of Urology (EAU) von 2012 vor dem Eingriff umfassend aufgeklärt werden (5).
Die Operation beeinträchtigt nicht die Fähigkeit der Hoden, Spermien zu produzieren. Diese gelangen lediglich nicht mehr in das Ejakulat und werden vom Organismus wieder abgebaut, ohne dass der Mann es bemerkt. Die weit verbreitete Befürchtung, eine Vasektomie könne die sexuelle Potenz oder die Libido beeinträchtigen, ist unbegründet.
Für den Eingriff, der meist ambulant und unter Lokalanästhesie erfolgen kann, existieren verschiedene Techniken. Über einen kleinen Schnitt oder Einstich in den Hodensack werden die Samenleiter durchtrennt und meist auch gekürzt. Abschließend werden die Enden beispielsweise mittels Hitze, Abbinden oder Titanclips verödet und in unterschiedliche Richtungen fixiert. Im Allgemeinen reichen im Anschluss einige Tage körperliche Schonung und sexuelle Karenz aus; Sport ist nach etwa zwei Wochen wieder erlaubt.
Im Spermiogramm wird die Anzahl befruchtungsfähiger Spermien im Ejakulat überprüft. Nach einer Vasektomie sollten es weniger als 100.000/ml sein. / Foto: Your Photo Today / A_NOOR / BSIP
Drei Monate danach wird ein Spermiogramm erstellt, um sicherzustellen, dass die Anzahl befruchtungsfähiger Spermien im Ejakulat auf unter 100.000/ml abgefallen ist. Bis dies abgeklärt ist, muss der Mann auf anderweitige Verhütungsmethoden zurückgreifen (6). Zum Vergleich: Normalerweise sind pro ml Ejakulat 20 bis 120 Millionen Spermien enthalten, wovon mindestens 4 Prozent normal geformt und mindestens 32 Prozent gut beweglich sein sollten. Unter einer Menge von 15 Millionen pro ml Ejakulat sinkt die Fertilität bereits deutlich.
Verglichen mit entsprechenden Verfahren bei der Frau ist die Vasektomie einfacher, kostengünstiger und leichter reversibel. Komplikationen sind selten und in der Regel gering ausgeprägt (Hämatome, Wundinfektion, Hodenschmerzen).
Bisher sind pharmakologische Verhütungsmethoden für Männer noch nicht im Markt verfügbar. Es existieren jedoch durchaus Daten aus klinischen Studien, die belegen, dass die Entwicklung entsprechender Präparate prinzipiell möglich ist.
Verhältnismäßig gut untersucht sind hormonelle Methoden, die die Spermienproduktion unterdrücken. Für die Spermatogenese ist eine ausreichend hohe Testosteron-Konzentration im Hoden erforderlich. Dies wird durch eine pulsatile Freisetzung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) aus dem Hypothalamus erreicht. In der Folge werden Luteinisierendes Hormon (LH) sowie Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) aus der Hypophyse freigesetzt. Diese stimulieren die Leydig-Zwischenzellen zur Testosteron-Synthese (Grafik).
Hormonelle Regelkreise im männlichen Organismus und Eingriffsmöglichkeiten; modifiziert nach (7) / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Da Androgene selbst über einen negativen Feedback-Mechanismus die GnRH-Freisetzung hemmen, lässt sich durch exogen zugeführtes Testosteron die Spermatogenese bei der Mehrzahl der Männer so weit hemmen, dass nicht mehr als 1 Million befruchtungsfähige Spermien pro ml Ejakulat vorhanden sind. Die resultierende Schwangerschaftsrate entspricht bei dieser Anzahl in etwa derjenigen unter der »Pille«.
Testosteron ist bisher nicht in oralen Darreichungsformen verfügbar, die eine nur einmal tägliche Verabreichung erlauben würden, und muss daher parenteral verabreicht werden. Am besten untersucht sind Testosteronenantat und -undecanoat in Form einer wöchentlichen oder monatlichen Depotinjektion. Bereits in den 1990er-Jahren ergaben mehrere teilweise von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) finanzierte Studien (8–12) eine ausreichende Wirksamkeit bei der großen Mehrzahl der Männer. Da die verabreichten hohen Dosen jedoch zu supraphysiologischen Testosteronspiegeln in der Peripherie führten, traten vermehrt typische Nebenwirkungen wie Akne, Gewichtszunahme und HDL-Abnahme (high density lipoprotein) auf. Außerdem wird ein erhöhtes Risiko für negative Effekte auf die Prostata, beispielsweise Hyperplasien, diskutiert.
Prinzipiell wäre eine Hemmung der GnRH-Freisetzung auch über GnRH-Analoga möglich. Diese müssen jedoch täglich injiziert werden und sind zudem recht teuer, sodass dieser Weg kommerziell nicht weiterverfolgt wurde.
Wenn die Libido unter einer antihormonellen Therapie leidet, ist das für die meisten Männer nicht tragbar. Daran scheiterten viele Studie zur Kontrazeption für den Mann. / Foto: Adobe Stock/SHOTPRIME STUDIO
In der Folge versuchte man, die GnRH-Freisetzung durch andere Hormone zu hemmen. Ganz ähnlich wie bei Frauen wird dafür ein synthetisches Gestagen, meist in Form eines Implantats, eingesetzt. Es kommt dadurch zu einem peripheren Testosteronmangel. Um dessen Auswirkungen, zum Beispiel Abnahme der Muskelmasse und der Libido, zu mindern, wird zusätzlich regelmäßig Testosteron injiziert, sodass außerhalb des Hodens physiologische Spiegel resultieren.
Vielversprechende Wirksamkeitsdaten gibt es für die Kombinationen aus Levonorgestrel, Medroxyprogesteronacetat oder Cyproteronacetat mit Testosteron (13–16). Eine Phase-IIb-Studie mit Injektionen von Etonogestrel/Testosteronundecanoat alle zehn bis zwölf Wochen erbrachte 2007 zwar gute Ergebnisse mit einer ausreichenden Wirksamkeit bei 90 Prozent der Probanden (17). Nichtsdestotrotz beendete das Unternehmen Schering damals als letzter großer Pharmakonzern aus wirtschaftlichen Gründen die Forschung an entsprechenden Präparaten.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde eine von 2009 bis 2011 von der WHO gesponserte Phase-II-Studie, die unter anderem in Deutschland lief. Hier bekamen 320 Probanden alle acht Wochen Norethisteronenantat sowie Testosteronundecanoat als Injektion. Die Studie wurde trotz positiver Wirksamkeitsdaten verfrüht beendet, da rund 10 Prozent der Männer über leichte bis mittelschwere unerwünschte Wirkungen (Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmung, aber auch Akne, verstärkte oder verminderte Libido) berichteten (18).
Es ist bekannt, dass entsprechende Nebenwirkungen bei dieser Art von Arzneimitteln auch in Placebo-Gruppen häufig auftreten (17). In Wirksamkeitsstudien zur Empfängnisverhütung verbietet sich die Verabreichung von Placebos jedoch aus ethischen Gründen, sodass ein solcher Effekt letztlich nicht belegt werden konnte. Daher wurde die Studie aus Sicherheitsgründen gestoppt.
Die Akzeptanz bei den Männern war trotz der Nebenwirkungen, die in den allermeisten Fällen mild bis moderat ausfielen, sehr hoch. Mehr als 80 Prozent konnten sich vorstellen, die Methode zu verwenden, falls sie kommerziell erhältlich wäre (18). Darüber hinaus weisen Kontrazeptiva bei Frauen ein vergleichbares Nebenwirkungsspektrum auf. Im Nachgang der WHO-Studie wurde daher vielfach diskutiert, ob hier bei Männern und Frauen unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden und die hormonellen Kontrazeptiva für die Frau unter diesem Gesichtspunkt heute überhaupt noch eine Zulassung erhalten würden.
Verlassen ist der Weg der hormonellen Verhütung für Männer jedoch noch lange nicht. Mit Segesteronacetat (Nestoron®) wurde ein Gestagen entwickelt, das nicht nur die GnRH-Freisetzung, sondern auch lokal die Testosteronsynthese im Hoden inhibiert. Es wird in Form eines Gels appliziert. Es kann mit Testosteron in einer einzigen Darreichungsform kombiniert werden, um die Anwendung zu erleichtern. In einer Studie an 56 Freiwilligen wurde eine gute Wirksamkeit bei nur minimalen Nebenwirkungen attestiert (20). Ende 2018 startete eine Phase-IIb-Studie, an der 400 Paare teilnehmen. Ergebnisse werden für 2022 erwartet.
Es gibt verschiedene Ansätze für eine peroral bioverfügbare »Pille für den Mann«, aber eine Markteinführung ist nicht in Sicht. / Foto: dobe Stock/Aliaksandr Marko
Alle bisher genannten Methoden können streng genommen nicht wirklich als »Pille für den Mann« bezeichnet werden, da sie nicht oral bioverfügbar sind. Das soll sich jedoch ändern. Um die negativen Effekte von Testosteron auf die Prostata zu vermeiden, wurden selektive Androgenrezeptor-Modulatoren (SARM) entwickelt. Der potenzielle Wirkstoff 7α-Methyl-19-nortestosteron (MENT) wurde in einer ersten klinischen Studie getestet, war jedoch zu kurz wirksam (19). In diesem Bereich müssten weitere Substanzen mit besseren pharmakokinetischen Eigenschaften entwickelt werden.
Ein oral verfügbares Androgen ist Dimethandrolon als Undecansäure-Ester (DMAU). An 100 Männern wurde bereits gezeigt, dass DMAU bei relativ guter Verträglichkeit die Serumspiegel von Testosteron, LH und FSH auf Werte senkt, die für eine Kontrazeption nötig sind (21). Der Einfluss auf die Spermatozyten-Konzentration wurde aber noch nicht untersucht. Ein ähnliches Profil zeigt 11β-Methyl-19-nortestosteron-17β-dodecylcarbonat (11β-MNTDC) (22). Größere Langzeitstudien müssen nun für beide Wirkstoffe folgen.
Nicht-hormonelle Wirkstoffe erscheinen für die männliche Empfängnisverhütung vielversprechend, da sie gezielter wirken und somit weniger unerwünschte Wirkungen verursachen könnten. Bisher hat es allerdings kaum eine Substanz in die klinische Phase der Entwicklung geschafft.
Vitamin A ist essenziell für die Spermatogenese. Die Wirkung erfolgt vor allem über spezifische Rezeptoren, an die der physiologische Metabolit all-trans-Retinsäure bindet. Eine schon früh am Menschen erprobte Substanz war WIN 18446, das den Metabolismus von Vitamin A inhibiert (23).
Bereits in den 1980er-Jahren zeigte sich in Tierversuchen, dass niedrige Dosen des unspezifischen Retinsäurerezeptor(RAR)-Inhibitors BMS 189453 in niedrigen Dosen eine reversible Infertilität ohne signifikante Toxizität verursachen (24). Vielversprechend könnte eine Weiterentwicklung zu RAR-α-selektiven Inhibitoren sein, da dieser Rezeptor spezifisch in den männlichen Geschlechtsorganen exprimiert wird.
Ein interessanter Ansatz ist auch die Hemmung der Spermienmotilität. Forscher konnten im Tierversuch zeigen, dass eine kombinierte Blockade von α1-Adrenozeptoren und P2X1-Purinozeptoren eine sichere und reversible Infertilität bewirkt (25). Während α1-Adrenozeptor-Antagonisten, zum Beispiel Prazosin, bereits kommerziell für andere Indikationen verfügbar sind, ist noch kein P2X1-Inhibitor zugelassen.
Das Oberflächenprotein Epididymaler Protease-Inhibitor (EPPIN) wird ausschließlich auf der Oberfläche von Spermien exprimiert und ist daher ebenfalls ein mögliches Target. Es wird angenommen, dass eine Blockade zu einem Abfall des pH-Werts und der Calciumkonzentration im Spermium führt, wodurch dessen Motilität beeinträchtigt wird. Bei Affen funktionierte dieser Ansatz: EP055, ein niedermolekularer EPPIN-Hemmstoff, reduzierte die Spermienmotilität reversibel auf 20 Prozent des Ausgangswerts (26)
In Indonesien wird die Heilpflanze Justicia gendarussa von kleinen ethnischen Gruppen traditionell als Verhütungsmittel genutzt. Extrakte der Pflanze hemmen die Motilität der Spermien, der genaue Mechanismus ist jedoch unbekannt. Ebenso fehlen bisher belastbare Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit.
Eine Vasektomie ist, wenn überhaupt, nur mit aufwendigen chirurgischen Maßnahmen reversibel. Es gibt aber auch Ansätze, die Samenleiter reversibel mittels Injektion eines Polymergels zu verschließen, das sich durch Injektion eines Lösungsmittels wieder auflösen lässt. Dies macht sich RISUG® (Reversible Inhibition of Sperm Under Guidance) zunutze: Die Injektion von Styrenmaleinsäure-Anhydrid in die Samenleiter induziert innerhalb von zehn Tagen eine Infertilität (27). Eine Phase-III-Studie wurde in Indien vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen (28). In den USA und Europa wird die Technik jedoch kontrovers diskutiert, da die klinischen Daten nicht vollständig veröffentlicht wurden und zudem mittlerweile mehr als 15 Jahre alt sind.
In den USA wird mit Vasalgel™ ein ähnliches Verfahren entwickelt, das jedoch noch nicht am Menschen erprobt ist (29). Das siebartige Polymer wird in die Samenleiter injiziert und soll die Spermien abfangen, während der Rest der Samenflüssigkeit den Samenleiter passieren kann.
Kurzes Fazit: Die Markteinführung innovativer Verhütungsmethoden für Männer ist nicht so bald zu erwarten, auch wenn dies in der Vergangenheit häufiger propagiert wurde. Dies scheint jedoch weniger an fehlenden Angriffsmöglichkeiten oder mangelnder Wirksamkeit der geprüften Arzneistoffe und Methoden zu liegen. Vielmehr ist der Markt für die pharmazeutische Industrie offenbar nicht allzu attraktiv. Es bleibt zu hoffen, dass die Forschung und Entwicklung in Bezug auf Verhütung für den Mann nicht zum Erliegen kommt.
Literatur bei der Verfasserin
Dr. Katharina Holl studierte Pharmazie in Münster und wurde dort 2013 am Institut für Pharmazeutische und
Medizinische Chemie promoviert. Seitdem ist sie im Bereich der Arzneimittelzulassung in der pharmazeutischen Industrie tätig, erwarb einen Mastertitel in Drug Regulatory Affairs an der Universität Bonn und ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation.