Kleine Schritte in die grüne Zukunft |
Blister aus Pappe gibt es schon. Doch die Pharmaindustrie nimmt solche Innovationen nur zögerlich an. / Foto: ecoblister
Die Pharmaindustrie ist deutlich emissionsintensiver als die Automobilindustrie: Dies haben die Wissenschaftler Lotfi Belkhir und Ahmed Elmeligi von der kanadischen McMaster University in einer globalen Analyse der Emissionstrends des Pharmasektors und einer Vergleichsanalyse der größten Pharmaunternehmen der Welt 2019 herausgefunden (DOI: 10.1016/j.jclepro. 2018.11.204). Die Produktion pharmazeutischer Erzeugnisse belastet demnach durch Abfälle und Chemikalien die Umwelt und erfordert Ressourcen an Wasser, Rohstoffen und Energie. ¬Zudem habe die Branche eine gesellschaftliche Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung, denn Nachhaltigkeit beziehe sich auch auf den gerechten Zugang zu Arzneimitteln.
An welchen Stellschrauben lässt sich drehen, um Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie umzusetzen zu können?
Zu Beginn des vergangenen Jahres hat die EU einen großen Wandel eingeläutet. Seitdem ist die neue Richtlinie »Corporate Sustainability Reporting Directive« (CSRD) in Kraft, die fast alle Unternehmen dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht abzuliefern. Zuvor galt das nur für solche von öffentlichem Interesse.
Das Thema Nachhaltigkeit hat auch in der Pharmaindustrie hohe Priorität. Der wissenschaftliche Diskurs ist längst in vollem Gang. / Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke
Konkret müssen Unternehmen nun einheitlich und deutlich umfassender zu Nachhaltigkeitsaspekten berichten, unter anderem über die Auswirkungen des eigenen Betriebs auf Mensch und Umwelt sowie über Chancen und Risiken im Kontext der Nachhaltigkeit. Dafür sind auch externe Prüfungen vorgesehen. Die Kritiker sprechen bei der CSRD, die ein Teil des europäischen »Green Deals« (Grüner Deal) ist, von einem Bürokratiemonster, die Befürworter von einem Motivator.
Im Rahmen des europäischen Green Deals will die EU bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität erreichen. Dafür müssten jetzt die Weichen gestellt werden, erklärt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) – »in unserer Wirtschaft ebenso wie beim Umgang mit natürlichen Ressourcen und der Gestaltung des Zusammenlebens aller Teile der Gesellschaft«. Diese Aufgabe erfordere das aktive Zusammenwirken von Gesellschaft und Staat.
Für die Bundesregierung ist Nachhaltigkeit ein politisches Leitprinzip. Das Bundeskanzleramt hat daher die Federführung für die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie übernommen, die 2024 aktualisiert wird und bis Ende des Jahres vorliegen soll. Für die einzelnen Themen und deren Umsetzung sind die Bundesministerien verantwortlich.
Foto: Getty Images/Vithun Khamsong
Seit dem Jahr 2002 spricht man von einem Zeitalter, in dem es um den Einfluss des Menschen auf die Geologie und die Ökosysteme der Erde geht: das sogenannte Anthropozän. Diese Epoche bedeute auch für die pharmazeutische Forschung ein Umdenken, wie der Weltapothekerverband FIP betont.
Aus Anthropozän-Perspektive wird der Körper als dynamisches Ökosystem betrachtet. Er ist durchlässig und stellt eine Verbindung zwischen inneren Organen und äußerer Welt her. Dieser Ansatz müsse bei künftigen Studien im Mittelpunkt stehen. Vor diesem Hintergrund sei die Verwendung von Medikamenten nicht mehr nur eine persönliche Entscheidung, sondern hänge auch davon ab, wie die Werte eines Patienten mit den gesellschaftlichen Werten übereinstimmen, insbesondere mit Blick auf die Klimabilanz von Arzneimitteln. »Ganzheitliche Weltanschauungen müssen in den Adern der Apothekenmitarbeiter fließen«, bilanziert der FIP.