Keiner ist wie der andere |
Ob ein Betablocker lipophile oder hydrophile Eigenschaft hat, ist für dessen Metabolisierungsweg und die Verteilung im Körper von entscheidender Bedeutung.
Eine ausgeprägte Lipophilie, zum Beispiel bei Propranolol und Metoprolol, geht mit einem First-Pass-Effekt und damit einer Verstoffwechslung über die Leber einher. Die Ausscheidung der Substanz und ihrer Metabolite erfolgt über Urin und/oder Faeces. Eine eingeschränkte Leberfunktion kann daher eine Dosisanpassung erfordern. Außerdem reichert sich eine lipophile Substanz stärker in Geweben an und penetriert ins zentrale Nervensystem, was unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) wie Schlafstörungen und Sedierung hervorrufen kann.
Der relevanteste hydrophile Vertreter ist Atenolol, das kaum metabolisiert und über die Nieren eliminiert wird. Daher ist eine Anpassung der Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion notwendig. Ähnlich wie Celiprolol hat Atenolol in Deutschland nur einen geringen Stellenwert, da es im Vergleich mit anderen Antihypertonika in Studien keine Vorteile zeigte und außerdem häufiger Schlaganfälle auftraten.
Bluthochdruck kann in jedem Alter auftreten und ist eine der wichtigsten Indikationen für Betablocker. / Foto: Adobe Stock/Dan Race
So vielfältig wie die Wirkstoffe und ihre Charakteristika sind die möglichen Einsatzgebiete der Betablocker. Allerdings ist nicht jeder Wirkstoff für jede Indikation zugelassen und zeigt in diesen nicht den gleichen Nutzen. Die Tabelle zeigt die jeweils zugelassenen Indikationen und wirkstoffspezifischen Besonderheiten der einzelnen Substanzen.
An dieser Stelle sei auf die Äquivalenzdosis-Tabelle der ABDA/Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu den Betablockern hingewiesen. Bei Lieferengpässen oder Auftreten einer Unverträglichkeit bei einem Patienten kann es erforderlich sein, dem behandelnden Arzt einen Substanzwechsel vorzuschlagen; dann sind die Tabellen ein wichtiges Hilfsmittel im Apothekenalltag.
Eine 72-jährige Patientin wird nach akutem Herzinfarkt und Stent-Implantation aus dem Krankenhaus mit folgender Medikation entlassen:
Sie berichtet in der Apotheke, dass sie unsicher sei mit ihrer Medikation. Nach der Krankenhausentlassung fühle sie sich schlapp und müde. Außerdem habe sie kalte Hände und Füße und ständig neue blaue Flecken.
Bei der Patientin führten arteriosklerotische Prozesse über die Jahre zu einer koronaren Herzkrankheit, auch chronisches Koronarsyndrom genannt, und zur Herzinsuffizienz. Vor dem Infarkt erhielt sie lediglich Candesartan und Salbutamol.
Für Patienten mit Herzinsuffizienz kann Treppensteigen zur Herausforderung werden. / Foto: Adobe Stock/pikselstock
Die nun verordnete Sekundärprophylaxe ist leitliniengerecht. Während Betablocker bei einer Hypertonie zwar wirksam, jedoch aufgrund eines ungünstigeren Nutzen-Schaden-Verhältnisses nicht Mittel der ersten Wahl sind, ändert sich ihr Stellenwert in der Therapie der KHK und der Herzinsuffizienz. Die Betablocker ökonomisieren die Herzarbeit: Herzkraft und -frequenz werden ebenso gesenkt wie der Sauerstoffbedarf des Herzmuskels. Das Überleben der Herzmuskelzellen wird durch Schutz vor einer Überstimulation durch Noradrenalin gesichert (zum chronischen Koronarsyndrom siehe Titelbeitrag in PZ 6/2022).
Die NVL Chronische KHK empfiehlt nach Herzinfarkt vorrangig Metoprolol. Der Nutzen ist in den ersten zwölf Monaten nach dem Akutereignis erwiesen. Danach soll die Gabe erneut bewertet werden. Arrhythmien, Hypertonie und Herzinsuffizienz sprechen für eine Fortführung der Therapie.
Zur Behandlung der Herzinsuffizienz sind die Betablocker gemäß der Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Stand 2021; DOI: 10.1093/eurheartj/ehab368) in maximaler Dosis einzusetzen (siehe auch Titelbeitrag in PZ 3/2023). Für Bisoprolol, Carvedilol, Metoprololsuccinat und Nebivolol (Patienten über 70 Jahre) ist eine Verminderung des Auftretens erneuter Infarkte und Krankenhauseinweisungen sowie die Reduktion der Mortalität belegt.