Keiner ist wie der andere |
Die hohe Metoprolol-Dosis ist bei der Patientin des Fallbeispiels durchaus zu rechtfertigen. Möglicherweise wurde jedoch eine generelle Empfehlung nicht berücksichtigt. Da ältere Menschen auf eine kardiale Dämpfung im Allgemeinen empfindlicher reagieren als jüngere, sollte bei Therapiestart langsam aufdosiert werden. Beispiel: wochenweise Erhöhung mit Start bei 23,75 mg Metoprololsuccinat, bis entweder ein Zielpuls von 55 bis 60 Schlägen pro Minute oder die maximale Dosis erreicht ist. So kann sich der Körper allmählich an die Betablocker gewöhnen.
Die hohe Dosis könnte bei nachlassender Selektivität zu einer Gefäßkontraktion geführt haben und dadurch die kalten Extremitäten bedingen (Kasten). Bei korrektem Aufdosieren zu Therapiebeginn lassen sich Schwindel, Bradykardie und abnehmende körperliche und mentale Leistungsbereitschaft vermeiden. Dies ist auch bei jüngeren Patienten wichtig, die solche UAW kaum tolerieren, denn sie selbst und andere akzeptieren arzneilich vermittelte Leistungseinbußen im Alltag nicht.
Metoprolol ist – nach Bisoprolol – der am zweithäufigsten eingesetzte Betablocker und hat ein breites Anwendungsfeld. Es kann intravenös (Metoprololtartrat) und peroral (Metoprololtartrat und -succinat) verabreicht werden. Parenteral wird es im akuten Herzinfarkt nur bei hämodynamisch stabilen Patienten (systolischer Blutdruck mindestens 100 mmHg, Herzfrequenz über 60/min) verwendet, wenn keine Kontraindikationen bestehen. Daran schließt sich die perorale Gabe an.
In der Rezidivprophylaxe und bei chronischen Erkrankungen unterscheiden sich die Salze Metoprololtartrat und -succinat in der Anwendung und im Nutzen. Metoprololtartrat ist als sofort freisetzende und als retardierte Formulierung mit Wirkstofffreisetzung 1. Ordnung erhältlich. Um eine 24-stündige Wirkung zu erzielen, müssen beide zweimal täglich eingenommen werden. Darüber hinaus ist eine Retardfomulierung mit Wirkstofffreisetzung 0. Ordnung erhältlich; dies ist sichtbar an Namenszusätzen wie ZOK (Zero Order Kinetik), ZOT (Zero Order Technologie), ZK (Zero Kinetik), ZNT (Zero neue Technologie), NT (neue Technologie), NK (neue Kinetik) oder O.K. (0. Kinetik). Diese wirken wie Metoprololsuccinat über 24 Stunden.
Das Succinat hat die gleichmäßigsten Wirkspiegel über den Tag, sodass eine Aufsplittung der Dosis in jedem Fall unnötig ist.
Die β1-Selektivität geht bei einem gewöhnlichen Stoffwechsel ab 100 mg (Tartrat) beziehungsweise 95 mg (Succinat) zunehmend verloren.
Metoprololsuccinat-Präparate dürfen nicht gemörsert, aber geteilt und suspendiert werden, denn der Retardierungseffekt wird über kleine Cellulose-Perlen erreicht. Bei der Behandlung einer Herzinsuffizienz zeigte sich für die Freisetzung 0. Kinetik ein Vorteil in Hinblick auf die Mortalität durch gleichmäßigere Hemmung des Sympathikotonus (MERIT-HF-Studie).
Bei Patienten mit CYP2D6-Polymorphismus kann es erforderlich sein, die Dosis anzupassen. Denn es kann zu einem beschleunigten oder verlangsamten Wirkstoffabbau im Körper kommen. Auch bei der Bewertung von Interaktionen ist dieser Metabolismus zu berücksichtigen.
Genauso wichtig wie das Einschleichen eines Betablockers ist das langsame Reduzieren bei Therapieende. Während der Therapie nimmt die Zahl der Betarezeptoren zu. Bei plötzlichem Absetzen werden diese Rezeptoren von Noradrenalin besetzt, sodass es zu Tachykardie, Blutdruckanstieg, Angina-pectoris-Anfällen bis hin zum Herzinfarkt kommen kann (Rebound-Phänomen).
Aufgrund der höheren Sympathikus-Aktivierung wird ein Betablocker üblicherweise am Morgen eingenommen. Außerdem kommt es bei abendlicher Gabe eher zu Schlafstörungen.
Bei den am häufigsten eingesetzten Substanzen Metoprololsuccinat, Bisoprolol und Nebivolol sieht man im Apothekenalltag in den Einnahmeplänen der Patienten oft, dass die Tagesdosis auf zwei Einnahmezeitpunkte aufgesplittet ist. Dies ist wegen ihrer Wirkdauer nicht erforderlich und verkompliziert das gesamte Therapieschema. Die kleinen Tabletten sind für Menschen mit nachlassender Sehkraft und verringerter Feinmotorik ohnehin nicht gut teilbar.