Steckbrief Metoprolol |
Daniela Hüttemann |
13.08.2020 07:00 Uhr |
Betablocker wie Metoprolol sorgen für eine ruhige Hand, was beispielsweise für Sportschützen von Vorteil ist. Deshalb stehen sie auf der Dopingliste. / Foto: Fotolia/Eisenhans
Was ist das Einsatzgebiet von Metoprolol?
Der kardioselektive Betablocker Metoprolol hat gleich acht gesicherte Indikationsgebiete bei Erwachsenen: die arterielle Hypertonie, die koronare Herzkrankheit (KHK, Angina pectoris), das hyperkinetische Herzsyndrom (funktionelle Herzbeschwerden), tachykarde Herz-Rhythmus-Störungen, die Akutbehandlung des Herzinfarkts und die Reinfarkt-Prophylaxe, die stabile gering bis mäßig ausgeprägte Herzinsuffizienz sowie die Migräneprophylaxe. Er ist zudem für die Behandlung von Kindern mit Bluthochdruck zugelassen, wenn diese mindestens sechs Jahre alt sind.
Wie wirkt Metoprolol?
Metoprolol wirkt über die β1-Adrenozeptoren, die vor allem in den Herzmuskelzellen zu finden sind, negativ inotrop, negativ chronotrop und negativ dromotrop sowie über verschiedene Mechanismen antihypertensiv. Eine bronchienverengende und metabolische Wirkung über die β2- und β3-Rezeptoren wird erst in hohen Dosen beobachtet. Metoprolol kann im Gegensatz zu den unselektiven Betablockern bedingt bei Patienten mit Asthma, Diabetes oder Durchblutungsstörungen eingesetzt werden. Bei Herzinsuffizienz beruht die Wirkung auch auf dem sogenannten Remodeling, einer Blockade pathophysiologischer Umbauvorgänge im Herzen. Die Schutzwirkung vor Migräneattacken wird nicht auf die Wirkung als Betablocker, sondern auf einen Antagonismus an Serotonin-Rezeptoren zurückgeführt.
Wie wird Metoprolol dosiert?
Die Dosierung beträgt in der Regel 50 bis 200 mg pro Tag und hängt von der Indikation, dem Lebensalter, der Leberfunktion, der Salzform und der Retardierung ab. Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung müssen nur einmal täglich eingenommen werden. Bei stark eingeschränkter Leberfunktion muss unter Umständen die Dosis reduziert werden. Generell ist bei älteren Patienten keine Dosisanpassung erforderlich. Aufgrund einer erhöhten Nebenwirkungsgefahr sollte Metoprolol bei Senioren jedoch vorsichtig dosiert werden, insbesondere jenseits des 80. Lebensjahres. Metoprolol gibt es auch in parenteralen Formulierungen, zum Beispiel für die Akutbehandlung des Herzinfarkts. Frauen erreichen zum Teil doppelt so hohe Plasmaspiegel nach oraler Gabe von zweimal täglich 100 mg Metoprolol unretardiert als Männer. Clearance und Verteilungsvolumen sind fast 50 Prozent niedriger als bei Männern.
Welche Nebenwirkungen kann Metoprolol haben?
Sehr häufig, vor allem bei unretardierten Präparaten und parenteraler Applikation, fühlen sich die Patienten müde. Wenn der Blutdruck sinkt, kann dies unter anderem zu Schwindel, Kopfschmerzen, Bradykardie, Kältegefühl in den Extremitäten und Potenzstörungen führen. Auch Verwirrtheit, Halluzinationen, depressive Verstimmung und Schlafstörungen sowie verstärkte Traumaktivität treten gelegentlich auf. Betablocker dürfen nicht abrupt abgesetzt werden, sondern sollten ausgeschlichen werden, da es sonst zu einem Rebound-Phänomen mit Gefahr eines Angina-pectoris-Anfalls oder gar Herzinfarkts kommen kann.
Dürfen schwangere Frauen Metoprolol einnehmen?
Metoprolol darf nur nach sehr strenger Nutzen-Risiko-Abwägung bei Schwangeren eingesetzt werden. Es zeigte im Tierversuch zwar keine teratogene Wirkung, passiert aber die Plazenta-Schranke und kann beim Fetus die Herzfrequenz verlangsamen sowie den Blutdruck- und den Blutzuckerspiegel senken. Außerdem reduzieren Betablocker die Durchblutung des Mutterkuchens. Metoprolol sollte wenn möglich 48 bis 72 Stunden vor dem errechneten Geburtstermin abgesetzt werden. Der Wirkstoff geht auch in die Muttermilch über. In therapeutischen Dosierungen ist zwar keine Wirkung auf den Säugling zu erwarten, trotzdem sollte auf Anzeichen einer Betablocker-Wirkung geachtet werden.
Welche Wechselwirkungen mit Metoprolol sind möglich?
Metoprolol ist ein CYP2D6-Metabolit, hier sind also pharmakokinetische Interaktionen möglich, zum Beispiel mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Indometacin. Außerdem gibt es Fast- und Poor-Metabolizer, sodass die Geschwindigkeit der Eliminationsgeschwindigkeit stark variieren kann. Pharmakodynamisch ist auf verstärkende oder abschwächende Wirkungen bei verschiedenen Medikamenten zu achten. So können Betablocker die Wirkung von Insulin und oralen Antidiabetika verstärken sowie die Symptome einer Hypoglykämie verschleiern. Gemeinsam mit anderen blutdrucksenkenden oder kardiodepressiven Medikamenten kann sich die Wirkung addieren. Die Interaktionsliste in der Fachinformation ist lang und sollte bei Patienten mit Multimedikation sowie vor medizinischen Eingriffen auf jeden Fall genauer angesehen werden. Auch das Kapitel zu Warnhinweisen ist umfassend.
Seit wann gibt es Metoprolol?
Mitte der 1960er-Jahre entdeckten Forscher, dass es zwei verschiedene Formen von β-Rezeptoren im Körper gibt. Bengt Åblad und Enar Carlsson, Mitarbeiter des schwedischen Pharmaunternehmens Astra, fanden heraus, dass deren Häufigkeit in den Organen variiert. Im Herzen dominiert der Subtyp β1. Daraufhin machten sie sich auf die Suche nach einem entsprechenden kardioselektiven Betablocker. Sie synthetisierten und screenten rund 400 Substanzen. Das Rennen machte das 1969 erstmals synthetisierte Metoprolol. 1975 kam es in Schweden unter dem Markennamen Seloken® auf den Markt, andere Länder folgten. In Deutschland wurde Metoprolol unter dem Namen Beloc® bekannt. Bereits Anfang der 1980er-Jahre entwickelte sich Metoprolol zum Blockbuster und wurde in Bezug auf Indikationen, Kombinationen mit anderen Wirkstoffen und galenische Formulierungen (Stichwort ZOK) immer weiterentwickelt.
Was gibt es noch zu Metoprolol zu wissen?
Sportler aufgepasst: Betablocker stehen auf der Dopingliste. Denn diese Arzneistoffe senken die Herzrate und lindern Händezittern – daher nehmen es auch manche Berufsmusiker vor einem Konzert ein. Betablocker werden deshalb aber auch therapeutisch (off Label) zur Symptomreduzierung bei Angsterkrankungen eingesetzt. Eine Besonderheit von Metoprolol ist, dass es oral als Tartrat (Salz der Weinsäure) oder Succinat (Salz der Bernsteinsäure) eingesetzt wird. Dabei entsprechen 100 mg Metoprololtartrat 95 mg Metoprololsuccinat, was unter anderem bei einem Austausch zu beachten ist. Metoprololtartrat unretardiert wird schnell und fast vollständig resorbiert; Metoprololsuccinat wird langsamer vom Körper aufgenommen und ist nur in retardierter Form verfügbar. Es kam in den 1990er-Jahre als ZOK-Retardierung (Zero Order Kinetic) in Form von Mikropellets erstmals auf den Markt. Retard- und ZOK-Tabletten dürfen zwar an der Bruchkerbe geteilt, aber nicht zerkleinert werden.
Strukturformel Metoprolol / Foto: Wurglics