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WHO-Review

Keine Sicherheitsbedenken bei NSAR und respiratorischen Viren

Die Bild-Zeitung meldet heute mit mehr als einem Monat Verspätung, dass die WHO ihre Ibuprofen-Warnung im Zusammenhang mit Covid-19 zurückgenommen hat. Neues zum Thema gibt es dennoch zu berichten.
Daniela Hüttemann
29.04.2020  13:28 Uhr

Pharmazeutisch betrachtet war es DAS Aufregerthema im März: Die Diskussion, ob die Einnahme von Ibuprofen und anderen NSAR das Risiko für eine Covid-19-Infektion oder einen schweren Verlauf der Viruserkrankung erhöht. Es war ein kruder Mix aus Fake News und wackeligen Hypothesen, und trotz mangelnder Evidenz sprachen zunächst die französischen und schweizerischen Behörden die Empfehlung aus, kein Ibuprofen bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu nehmen. Der Pressesprecher der WHO schloss sich offensichtlich leichtfertig der Empfehlung an. Nur wenige Tage später, am 19. März, ruderte die Weltgesundheitsorganisation aber offiziell zurück und auch die Europäische Arzneimittelagentur meldete sich spät, aber deutlich zurückhaltender zu der Thematik. Dem wiederum schloss sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an.

Vor Kurzem veröffentlichte die WHO nun eine Zusammenfassung eines Sicherheitsreviews zum Thema nicht steroidale Antirheumatika (NSAR oder NSAID) und Covid-19-Patienten. Die Wissenschaftler schauten sich 73 Studien mit Kindern und Erwachsenen an, die unter akuten viralen Atemwegsinfekten litten beziehungsweise Symptome zeigten, wie sie typischerweise bei einer Infektion mit respiratorischen Viren auftraten. Allerdings ging es in keiner Studie explizit um SARS, MERS oder Covid-19.

Demnach gab es kaum oder keine Unterschiede zwischen Ibuprofen und Paracetamol bei Kindern mit Fieber bezüglich der Gesamtsterblichkeit, Hospitalisierung aus jeglichem Anlass, akutem Nierenversagen und akuten gastrointestinalen Blutungen (moderate bis hohe Evidenz). Das Risiko von NSAR für ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle und Herzinfarkte bei Erwachsenen blieb unklar. Bei der Mortalität zeigte sich kein Unterschied (sehr niedrige Evidenz).

Die WHO schränkt ein, dass das Review sehr viele Limitationen hat, zum Beispiel dass es keine direkte Evidenz von Patienten SARS, MERS oder Covid-19 gab, nicht immer ein Nachweis vorlag, ob es sich um eine virale Infektion handelte, oder welches NSAR genau genommen wurde.

Gleichwohl sieht die WHO zum jetzigen Zeitpunkt keine Evidenz für schwere Nebenwirkungen, wenn Covid-19-Patienten bei akuten Problemen ein NSAR einnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich dem Langzeitüberleben oder der Lebensqualität.

Wechselnde Empfehlungen in Großbritannien

Am 14. April gab es zudem eine neue Einschätzung der Arzneimittelbehörden in Großbritannien, die am 17. April im »British Medical Journal« kommentiert wurde. Demnach kann Ibuprofen bei Symptomen einer Covid-19-Infektion, genauer gesagt Fieber und Kopfschmerzen, eingenommen werden. Dasselbe gilt für Paracetamol. Noch Anfang April hatte das britische NICE empfohlen, Paracetamol den Vorzug vor Ibuprofen bei Fieber und Verdacht auf Covid-19 zu geben. Die Behörde betonte aber auch, dass der Kenntnisstand immer wieder neu evaluiert werde und die Empfehlungen auf Basis der besten verfügbaren Evidenz angepasst würden. Im »BMJ« wird allerdings bemängelt, dass die zugrunde liegende Evidenz für die bisherigen Ratschläge nicht veröffentlicht wurde.

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