Jörn Graue als NARZ-Vorsitzender bestätigt |
Jörn Raue wurde einstimmig in seinem Amt als NARZ-Vorsitzender bestätigt. Er fordert weiterhin das Rx-Versandhandelsverbot. / Foto: Archivbild/ J.R.Draxler
Gleichermaßen einstimmig wurden Andreas Haese aus Magdeburg und Birger Peters aus Greifswald in ihren Ämtern als Besitzer bestätigt. Neu als Beisitzer wurde Ulf Siuts aus Heede in den Vorstand gewählt.
»Die Apotheken-Welt ist aus den Fugen geraten. Nichts ist seit dem unglücklichen Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Oktober 2016 zur Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel mehr wie vorher«. So Graue, der auch Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins ist, in seinem Bericht zum abgelaufenen Geschäftsjahr. Strebe der EuGH aus vorgeblich hehren Zielen den freien Warenverkehr an, so missachte er zunehmend das Subsidiaritätsprinzip und schade damit dem europäischen Gedanken mehr, als dass er ihm nützt. »Die Richter des obersten Gerichts unterlaufen nationales Recht und Traditionen der europäischen Rechtsauslegung. Sie setzen sich über gegebene Verträge hinweg und verkehren sie ins Gegenteil«, kritisierte er.
Obwohl dem für das Apothekenwesen bedeutsamen EuGH-Urteil von 2016 durch deutsche Gerichte mehrfach widersprochen wurde, geschehe seitens der Bundesregierung nichts, um die Eigenmächtigkeit des höchsten europäischen Gerichtes zu bremsen, zeigte sich der NARZ-Vorsitzende irritiert. »Die Reihe der richterlichen Anmaßungen lässt sich nicht nur auf den Versandhandel mit Arzneimitteln beschränken, sondern erreicht fast alle Lebensbereiche in Europa und betrifft zahlreiche traditionelle Berufe«.
Unter diesen Umständen dürfe man sich grundsätzlich nicht wundern, wenn sich einige Bevölkerungsteile und Staaten EU-feindlich zeigten beziehungsweise sich extreme Parteien der desolaten Gesamtlage bemächtigen und »viele Herumirrende in ihren Bann ziehen«, führte Graue weiter aus. Er betonte, dass die Apothekerschaft nicht nur von der EU, sondern auch seitens der deutschen Gesundheitspolitik und Gesundheitsminister Jens Spahn mit einer »Vogel friss oder stirb – Politik« konfrontiert wird, die sich als zunehmend tückisch erweist.
So habe sich die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände angesichts der Vorgangsweise von Spahn gezwungen gesehen, Kompromissbereitschaft zu zeigen und auf ihre Forderung des im Koalitionsvertrag zugesagten Rx-Versandverbots zu verzichten, wenn Spahn die Gleichpreisigkeit auf anderem Weg gewährleistet. Allerdings zeige sich jetzt, dass das von Spahn angestrebte vermeintliche Apotheken-Stärkungs-Gesetz das Ziel der Gleichpreisigkeit nicht erreichen wird. Unter anderem weil der Gesundheitsminister, trotz Warnung durch namhafte Juristen, auch im neuen Kabinettsentwurf an der Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG festhalte.
Auch dass die im ersten Referentenentwurf zunächst geplante Notdienstpauschale und die verbesserte Notdienstvergütung plötzlich in den Kompetenzbereich des Bundeswirtschaftsministeriums verwiesen worden sind, sei mit zahlreichen Fallstricke verbunden. Die Lage sei völlig verfahren. Es sei jedoch völlig fehl am Platz zu resignieren, so Graue. Im Gegenteil: Die Apothekerschaft müsse jetzt erneut die uneingeschränkte Umsetzung des strikten und nach Meinung renommierter Gutachter unionsrechtlich nicht angreifbaren RX-Versandverbotes fordern.
Auch wenn der politische Wille zum strikten RX-Versandverbot aktuell bei den Protagonisten der Gesundheitspolitik auf Bundesebene nur rudimentär ausgeprägt sei: »Diese Forderung müssen wir auf allen Ebenen offensiv vertreten. Wir dürfen keinesfalls zurückstecken, sondern müssen unsere berechtigten Anliegen mit dem nötigen Nachdruck immer wieder vortragen. Raue erhofft sich so auch einen erneuten Gang zum EuGH und ein anderes Urteil zum Rx-Versandhandel.
Graue machte deutlich, dass die Notwendigkeit und Bedeutung der Apotheke mehr denn je auch im Bewusstsein der Gesellschaft verankert werden müsse. »Die Eckpfeiler der deutschen Apotheke, sprich: Niederlassungsfreiheit, Gemeinwohlverpflichtung, Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie die Arzneimittelpreisverordnung dürfen nicht fallen. Die Apotheker sind die Primärversorger mit Arzneimitteln. Die Apotheke ist, um ein gängiges Zitat zu nutzen, die psychologische Wärmestube im Gesundheitsdschungel«, so Graue abschließend.