Individuelle Therapieansätze |
Abhängig von der Dauer des Missbrauchs und der Lebenszeit-Alkoholmenge variiert die Prävalenz der Alkohol-assoziierten Polyneuropathie bei chronisch abhängigen Menschen von 22 bis 66 Prozent. Sommer: »Frauen sind mehr als Männer, Spiegeltrinker stärker als episodische Trinker betroffen. Eine Menge über 100 g/Tag über mehrere Jahre gilt als wahrscheinlich prädestinierend für eine PNP.«
Pathophysiologisch liegen der Alkohol-assoziierten PNP verschiedene Faktoren zugrunde. Das sind neben den direkten toxischen Einflüssen des Alkohols und seiner Abbauprodukte, vor allem der Acetaldehyde, oft auch Vitamin-B-Defizite infolge von Mangelernährung. Oxidativer Stress spielt ebenfalls eine Rolle. Neuropathologisch sind vor allem die dünnen Nervenfasern betroffen, was die Schmerzhaftigkeit erklärt. Bei Abstinenz könne sich die Neuropathie innerhalb von Monaten bis Jahren zurückbilden, berichtet Sommer aus ihrer Praxis.
Generell kann ein Vitamin-B12-Mangel subakute Beschwerdebilder mit Kribbelparästhesien der Füße und Hände, sensibler Ataxie (Bewegungsstörungen) und Hypästhesie (herabgesetztem Berührungsempfinden) bewirken. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen ist die typische makrozytäre Anämie nicht nachweisbar. Eine Vitamin-B12-Substitution sollte so rasch wie möglich begonnen werden, zumal ein anhaltend starkes Defizit unbehandelt zu einem Gewebeschwund des Nervus opticus, Depressionen oder Demenz führen kann.
Ein Vitamin-B6-Mangel kann die Entwicklung einer subakuten sensomotorischen PNP zur Folge haben. Mehrere Fälle seien als Komplikation der Morbus-Parkinson-Therapie mit intestinalen Duodopa-Pumpen sowie auch nach rascher Gewichtsabnahme beschrieben, erklärt die Neurologin. Da eine Vitamin-B6-Überdosierung über längere Zeit vermutlich ebenfalls Nervenschäden bewirkt, sollte eine unkontrollierte Einnahme vermieden werden.