In der Krise Köpfe kennen |
Bisher verfügen in der Regel weder die Gesundheitsämter noch der Katastrophenschutz oder pharmazeutische Großhandlungen über Informationen dazu, wie viele und welche Apotheken in einer bestimmten Gemeinde im Krisenfall, beispielsweise während eines Blackouts, wie lange und in welchem Ausmaß arbeitsfähig wären. Der übliche Planungshorizont beträgt maximal 72 Stunden. Die genannten Institutionen benötigen diese Informationen aber für den Krisenfall.
Außerdem ist nicht bekannt, welche Unterstützung Apotheken benötigen könnten. Sie könnten etwa polizeilichen Schutz vor Plünderungen brauchen, müssten weiterhin durch den Großhandel beliefert werden und auch bei Ausfall von Internet und Internet-Telefonie (»VoIP-Telefonie«) erreichbar sein.
Im Dialog miteinander lassen sich Informationen dazu austauschen, welche Ressourcen bereits vorhanden sind, welche Verpflichtungen gegebenenfalls bestehen und welche Diskrepanzen zum angestrebten Versorgungsniveau des Katastrophenschutzes bestehen könnten.
Die Erwartung von »einer arbeitsfähigen Apotheke pro Stadtteil« mag für eine Großstadt wie Hagen mit 190.000 Einwohnern nachvollziehbar klingen; sie liegt jedoch im Zeitalter des Apothekensterbens etwa fünfmal über dem heutigen Versorgungsniveau für Nacht- und Notdienste, bei denen die Entfernung zur nächsten Apotheke 20 bis 30 Kilometer betragen kann.
Auch die ausstehende Anpassung der Definition von »wichtigen« oder »sehr wichtigen« Einrichtungen der KRITIS dürfte die Frage nach dem Versorgungsniveau für lokale oder regionale Krisenszenarien kaum zufriedenstellend beantworten. Nach dem letzten Entwurf des »NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetzes«, das die NIS-2-Richtlinie der EU zu Cybersicherheit in deutsches Recht umsetzt, würden lediglich 235 Apotheken als KRITIS-Apotheken eingestuft (7). Dies entspricht etwa 1,3 Prozent der Apotheken in Deutschland. Bei einer – statistisch betrachtet unwahrscheinlichen – Idealverteilung dieser KRITIS-Apotheken gäbe es in maximal 80 Prozent der 294 Landkreise und in nur 2,1 Prozent der 10.994 Gemeinden in Deutschland überhaupt eine solche Apotheke, die per Gesetz zu bestimmten Vorsorgemaßnahmen verpflichtet würde.
Diese Betrachtung macht deutlich, dass nicht nur wenige große, sondern möglichst viele Apotheken vorsorgen sollten, um eine wünschenswerte Arzneimittelversorgung in Krisen- und Katastrophenfällen aufrechtzuerhalten. Es mag die Aufgabe der Apothekerschaft sein, ein realistisches Versorgungsniveau vorzuschlagen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.