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Infektionsbedingte Tumoren

Impfen gegen Krebs

Etwa 15 Prozent aller Krebserkrankungen weltweit gehen auf Infektionen zurück, berichtete Professor Dr. Theo Dingermann, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, auf dem Pharmacon-Kongress in Schladming. Das eröffnet die Möglichkeit, prophylaktisch gegen sie zu impfen.
Christina Hohmann-Jeddi
27.01.2020  16:22 Uhr

Nur fünf Erreger verursachen 90 Prozent der infektiös bedingten Krebserkrankungen: Hepatitis-B- und -C-Viren (HBV und HCV), humane Papillomaviren (HPV), das Epstein-Barr-Virus (EBV) und – als bislang einziges Bakterium in dieser Reihe – Helicobacter pylori. Bakterien rücken aufgrund neuer Forschungsergebnisse zunehmend in den Fokus der Onkologen, berichtete Dingermann. Krebserregend wirkt eine Infektion zum einen dadurch, dass sie eine chronische Entzündung im umgebenden Gewebe erzeugt, die auf Dauer über die Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies mutagen wirkt. Zum anderen können Viren auch direkt Schäden im Genom verursachen, wenn sie ihr Erbgut in das der Wirtszelle integrieren. Problematisch wird dies, wenn durch die Integration Onkogene an- oder Tumorsuppressorgene ausgeschaltet werden. Dann entarten die Zellen und Tumoren können entstehen. Häufig werden durch die Mutationen veränderte Proteine gebildet, sogenannte Neoantigene.

Krebserkrankungen führen laut einer Publikation im Fachjournal »The Lancet« zu  14 Millionen Todesfällen weltweit, davon sind 2,2 Millionen durch Infektionen bedingt (DOI: 10.1016/S2214-109X(16)30143-7). Einen Teil davon wird man in Zukunft verhindern können, ist Dingermann überzeugt. »Wir stehen an der Schwelle einer neuen Entwicklung«, sagte der Pharmazeut. »In den kommenden Jahren wird sich auf diesem Gebiet viel tun.« Nicht nur dass weitere krebserregende Mikroben durch innovative Detektionsmethoden entdeckt werden. Forscher arbeiten weltweit auch an neuen Methoden zur Bekämpfung der Erreger. Denn wenn ein Pathogen für die Krebsentstehung verantwortlich ist, kann man sie durch eine Impfung verhindern.

Realisiert ist dieses Prinzip schon bei den Hepatitis-B-Viren, die zu Leberkarzinomen führen, und bei HPV, die für etwa 100 Prozent aller Zervixkarzinome verantwortlich sind. Gerade die Impfung gegen HPV sei eine Erfolgsgeschichte, sagte Dingermann. Fünf bis acht Jahre nach Einführung der Impfung habe sich in entwickelten Ländern die Prävalenz der Infektionen mit den beiden HPV-Hochrisiko-Typen 16 und 18 bei den 13 bis 19 Jahre alten Mädchen um 83 Prozent und bei Frauen zwischen 20 und 24 Jahren um 66 Prozent verringert. Das zeige eine Metaanalyse im »Lancet« aus dem Jahr 2019 (DOI: 10.1016/S0140-6736(19)30298-3). Die Rate von Krebsvorstufen sank in der Gruppe der Geimpften um die Hälfte.

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