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CAR-T-Zelltherapie

Hoffnung und Herausforderung

Genetisch modifizierte CAR-T-Zellen erzielen hohe Ansprechraten und teilweise dauerhafte Remissionen bei Patienten mit fortgeschrittenen hämato-onkologischen Erkrankungen. Die Therapie birgt jedoch erhebliche Risiken. Was steckt hinter der »lebenden« Zelltherapie?
Sina Oppermann
23.10.2022  08:00 Uhr

Häufige Nebenwirkungen und Risiken

Die CAR-T-Zelltherapie hat ein anderes Nebenwirkungsprofil als eine konventionelle Immunchemotherapie. Das Spektrum beinhaltet hämatologische und immunologische Nebenwirkungen und reicht von leichtem Unwohlsein über Organversagen bis hin zum Tod (13). Eine intensive Betreuung der Patienten, umfassende Schulung der behandelnden Ärzte und Aufklärung von Patienten und Betreuern durch die Hämato-Onkologen und Stationsapotheker sind zwingend notwendig.

Zu den wichtigsten Nebenwirkungen (Tabelle 2) gehören

  • Infusionsreaktion,
  • Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) und Neurotoxizität (ICANS),
  • die CRS-abhängige Koagulation,
  • On-Target-off-Tumor-Aktivität, B-Zell-Aplasie,
  • Tumorlyse-Syndrom und
  • Zytopenie.
Toxizität Symptome Lösungsansätze, Interventionen
Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) Grad 1: Fieber, Fatigue, Myalgie, Übelkeit, allgemeines Unwohlsein
ab Grad 2: Fieber, Hypoxie, Hypotension, Organschädigung
supportive Therapie: Paracetamol, Metamizol
Tocilizumab, Glucocorticoide
sofortige intensivmedizinische Versorgung
Neurotoxizität (immune effector cell associated neurotoxicity syndrome, ICANS) Kopfschmerzen, Schwindel, Delirium, Schlaganfall, zerebrale Ödeme, Koma Tocilizumab, Glucocorticoide
Anakinra
sofortige intensivmedizinische Versorgung
B-Zell-Aplasie Hypogammaglobulinämie, HBV-Reaktivierung, Herpesvirus-Infektionen, allgemeine Infektanfälligkeit Immunglobulin-Infusion
antivirale Prophylaxe
Aciclovir
Zytopenie Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Schwäche, Infektanfälligkeit, Blutungsrisiko Bluttransfusion (Erythrozyten)
Isolation, Intensivstation
Thrombozyten-Transfusion, Thrombopoietin
CRS-bedingte Koagulopathie Hyperkoagulation: Mikrothrombosen, verkürzte Gerinnungszeit (PT) Antikoagulanzien: Heparin
CRS-bedingte Koagulopathie Hypokoagulation: erniedrigte Fibrinogen-Spiegel, verlängerte PT-Zeit Antikoagulanzien (Heparin) kombiniert mit Ersatztherapie (Plasma, Fibrinogen)
CRS-bedingte Koagulopathie Hyperfibrinolyse: erhöhte D-Dimer- und FDP-Spiegel, verlängerte PT Zeit Ersatztherapie und antifibrinolytische Behandlung, Gabe von Fibrinogen-Konzentrat
Tabelle 2: Nebenwirkungen einer CAR-T-Zelltherapie und mögliche Interventionen (15)

Zur Verminderung akuter Infusionsreaktionen erhalten die Patienten vorab eine Prämedikation aus Paracetamol und Diphenhydramin.

Das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS: cytokine release syndrom) und die Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizität (ICANS: immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome) sind die häufigsten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen, denen eine überschießende Aktivierung der CAR-T-Zellen zugrunde liegt. Durch massive Produktion und Freisetzung von Zytokinen, zum Beispiel IFN-γ, Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), IL-2 und Granulozyten-/Makrophagen-Kolonien stimulierendem Faktor (GM-CSF) werden zahlreiche weitere Immunzellen aktiviert. Makrophagen produzieren unter anderem Interleukin-6, das in fast jeder Körperzelle entzündliche Reaktionen hervorrufen kann.

Das CRS kann sich in unterschiedlicher Ausprägung zeigen (Grad 1 bis 4). Innerhalb weniger Stunden oder Tage können Symptome wie hohes Fieber, Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Störungen auftreten (Grad 1). Wird nicht rechtzeitig interveniert, kann es zu Multiorganversagen bis hin zum Tod kommen. Als Risikofaktoren für ein hochgradiges CRS gelten eine hohe Tumorlast, Thrombozytopenie und endotheliale Aktivierung vor der CAR-T-Zelltherapie. Zerebral (ICANS) können Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Halluzinationen, Bewusstseinsstörungen, Delirium, Krampfanfälle, motorische Störungen und sogar Hirnödeme auftreten. Die meisten schweren Fälle treten unter der Anti-CD19-Zelltherapie bei hämatologischen Krankheitsbildern auf (Tabelle 1).

Bei leichten Formen des CRS bis Grad 1 wird antipyretisch mit Paracetamol (1 g intravenös, viermal täglich) oder Metamizol (500 bis 1000 mg) therapiert. Bei schweren Formen hat sich der IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab (RoActemra®) bewährt. Ab Grad 2 des CRS mit Hypotonie wird Tocilizumab als Monotherapie oder in Kombination mit Corticosteroiden gegeben. In der Regel wird mit Methotrexat (MTX) kombiniert.

Beim ICANS haben Corticosteroide einen gewissen Stellenwert (Dexamethason 10 mg alle sechs Stunden oder Methylprednisolon 1 g einmal täglich intravenös) (14). Ebenso ist die Kombination von Tocilizumab mit Corticosteroiden möglich. Zur Vorbeugung und Behandlung von Krampfanfällen sollte ein Antiepileptikum eingesetzt werden. Das Auftreten des CRS und ICANS korreliert mit dem Zeitfenster der maximalen CAR-T-Zellexpansion; die Symptome bilden sich meistens wieder komplett zurück.

Laut neueren Studien erleidet etwa die Hälfte der Patienten unter einer CAR-T-Zelltherapie eine CRS-bedingte Koagulopathie. Diese ist meist durch erhöhte Spiegel der D-Dimere, Anstieg an Fibrinogen-Abbauprodukten mit erniedrigtem Fibrinogen-Spiegel und eine verlängerte Prothrombin-Zeit charakterisiert. Indiziert ist die Gabe von Heparin zur Vermeidung und Auflösung von Thromben und falls notwendig eine Ersatztherapie mit Fibrinogen (15).

Eine weitere Nebenwirkung ist vor allem bei Anti-CD19-Zelltherapien zu beobachten. Diese beruht auf einer On-Target-off-Tumor-Aktivität der CAR-T-Zellen, denn CD19 ist nicht nur auf CD19-positiven Leukämie- und Lymphomzellen, sondern auch auf gesunden funktionstüchtigen B-Lymphozyten exprimiert. Die CAR-T-Zellen attackieren sowohl gesunde als auch maligne CD19-positive Zellen und vernichten sie. Bei Therapierespondern sind nach der Behandlung praktisch keine gesunden B-Zellen mehr nachweisbar. Infolge der Lymphodepletion fehlen Immunglobuline (Hypogammaglobulinämie) (Tabelle 2). Um schwere Infektionen zu vermeiden, werden die Serumspiegel der Immunglobuline regelmäßig kontrolliert. Bei Bedarf (IgG-Spiegel < 4 g/l) müssen Immunglobuline intravenös oder subkutan verabreicht werden. Vorsorglich sollten Patienten in den ersten drei Monaten nach der CAR-T-Zelltherapie Virustatika und Antimykotika erhalten.

Zudem kann ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) auftreten mit massiver Freisetzung von Elektrolyten und Zellbestandteilen sowie möglicher Bildung von Calciumphosphat und Harnsäurekristallen in der Niere.

Als häufigste hämatologische Nebenwirkung erleidet die Mehrzahl der Patienten nach der Zellinfusion eine Panzytopenie, die einige Tage bis Monate andauern kann und mit Anämie, Thrombozytopenie und Leukopenie einhergeht. Klinisch können Erythrozyten- und Thrombozyten-Transfusionen sowie die Gabe von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren (Thrombopoietin, TPO), Thrombopoietin-Rezeptoragonisten und Sirolimus erforderlich sein.

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