Hoffnung und Herausforderung |
Emily Whitehead litt an akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) und wurde 2012 als erstes Kind mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt. Sie gilt seitdem als krebsfrei. Jedes Jahr postet ihre Mutter Kari auf der Website ihrer Stiftung ein Foto ihrer Tochter. / Foto: Kari Whitehead
Seit ihrer Einführung in der Europäischen Union 2018 hat die CAR-T-Zelltherapie die Immunkrebstherapie revolutioniert. Sie bietet eine wichtige Behandlungsoption für stark vorbehandelte Patienten mit bestimmten Krebsarten des Blutes und des lymphatischen Systems.
Die von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) als Gentherapie eingestufte Zelltherapie ermöglicht eine spezifische immunologische Tumorantwort. Abwehrzellen (T-Lymphozyten) des Patienten werden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie die Krebszellen im Körper des Patienten mittels eines künstlichen (chimären) Antigen-spezifischen Rezeptors (CAR) aufspüren und zerstören können. Bislang erhielten sechs CAR-T-Zelltherapien die EU-Zulassung.
Bemerkenswerte klinische Erfolge bis hin zur vollständigen Tumorfreiheit (vollständige Remission, CR) auch noch zehn Jahre nach Behandlung kennzeichnen die neue Therapieform. Jedoch zeigen sich auch Herausforderungen. Neben einem aufwendigen Herstellungsprozess mit hohen Kosten und einer notwendigen intensivmedizinischen Infrastruktur während der Behandlung in speziellen CAR-T-Zentren kann es zu starker Toxizität und Nebenwirkungen kommen. Auch Tumorrezidive fordern die Forschung heraus.
Im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie oder Bestrahlung macht man sich bei der CAR-T-Zelltherapie das körpereigene Immunsystem zunutze. Dieses kann normalerweise zwischen körpereigenen gesunden Zellen und kranken entarteten Zellen unterscheiden und letztere beseitigen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die T-Lymphozyten (T-Zellen). Diese suchen die MHC-1-Rezeptoren (Major Histocompatibility Complex Class 1) auf körpereigenen Zellen nach auffälligen Antigenen ab. Wird eine Zelle als fremd oder entartet erkannt, leiten T-Zellen den apoptotischen Zelltod ein und die Zelle wird eliminiert. Allerdings fehlt Tumorzellen oft ein Antigen auf der Oberfläche, das sie als maligne kennzeichnet. Sie bleiben für das Immunsystem unsichtbar und können ungehemmt proliferieren. Durch den Verlust der immunologischen Kontrolle kann sich die Tumorerkrankung klinisch manifestieren.
In der immunonkologischen Therapie wird durch gezielte Stimulation des patienteneigenen Immunsystems eine Immunantwort gegen Tumorzellen hervorgerufen. Besonders effektiv ist die Ausstattung der körpereigenen T-Zellen mit Tumor-spezifischen Rezeptoren, durch die die T-Zellen die Tumorzellen erkennen sollen. Dies ist die Grundlage der CAR-T-Zelltherapie.
CAR ist die Abkürzung für künstlicher Antigen-spezifischer Rezeptor (Englisch: chimeric antigen receptor). Er wird gentechnisch modular aus mehreren Domänen verschiedener Immunrezeptoren zusammengesetzt (Abbildung 1). Durch den CAR werden die Immuneffektorzellen (T- und NK-Zellen) gezielt zu den Tumorzellen geleitet, die ein spezifisches Zielantigen exprimieren. Im Unterschied zur normalen T-Zellfunktion erkennen die CAR auch naive Antigene, während natürliche T-Zell-Rezeptoren proteolytisch prozessierte, durch MHC präsentierte Peptidantigene erkennen.
Abbildung 1: Aufbau eines chimären Antigen-spezifischen Rezeptors. Das gentechnisch hergestellte Hybridprotein CAR besteht aus mindestens drei Komponenten: der Antigen-Erkennungs- und -Bindedomäne, der Transmembrandomäne und den Signaldomänen. Modifiziert nach BioRender.com (2022), app.biorender.com/biorender-templates / Foto: PZ/Stephan Spitzer
An N-terminaler extrazellulärer Position befindet sich die Antigenbindedomäne, die von dem einkettigen variablen Fragment (single-chain variable Fragment, scFv) eines monoklonalen tumorspezifischen Antikörpers abgeleitet ist. Diese bestimmt die Antigenspezifität des CAR. Bei den bisher zugelassenen CAR-T-Zelltherapien richtet sich die Antigenbindedomäne gegen CD19 auf B-Zellen (bestimmte B-Zell-Leukämien und B-Zell-Lymphome) oder gegen das B-Zell-Reifungsantigen BCMA (Multiples Myelom).
Diese Bindedomäne in C-terminaler Richtung ist über eine Schanierregion (Linker) mit einer Transmembrandomäne verbunden, die den CAR fest in der Phospholipid-Membran der CAR-T-Zelle verankert. Sie trägt zur Signalweiterleitung in das Innere der T-Zelle bei. Die am häufigsten verwendeten Transmembrandomänen stammen von CD8a und CD28.
Auf intrazellulärer Seite des CAR befinden sich Signaldomänen, die nach Bindung des Antigens das Signal weiterleiten. Für die Aktivierung der CAR-T-Zelle ist üblicherweise die CD3ζ-(Zeta-)Kette des T-Zell-Rezeptor-(TCR-)Komplexes verantwortlich.
Man unterscheidet vier Generationen von CAR:
Zudem gibt es Untersuchungen mit sogenannten Smart T-cells, die ein Suizidgen oder andere Kontrollmechanismen für eine erhöhte Sicherheit der Therapie enthalten. Neueste Entwicklungen untersuchen bispezifische CAR-T-Zellen, die neben dem CAR gegen CD19-Antigen auch einen CAR gegen CD20 enthalten, um Rezidiven entgegenzuwirken.
Alle bisher zugelassenen CAR-T-Zellen tragen CAR der zweiten Generation. Generell können CAR nicht nur in T-Zellen, sondern auch in natürliche Killerzellen (NK-Zellen) eingebracht werden und bewirken bei Antigenbindung ebenfalls eine Aktivierung.
Nach Bindung an das Antigen aktivieren die Co-SD CD28 und CD3ζ nachgeschaltete Signalkaskaden, die bei den T-Zellen zu Aktivierung, Proliferation und Sekretion von inflammatorischen Zytokinen (Interleukine, Interferon-γ, IFN-γ) und Chemokinen führen. Weitere Immunzellen und Makrophagen werden angelockt. Letztlich kommt es zur Apoptose und Nekrose der Zielzellen.
Das Immunsystem lernt dadurch, die Krebszellen aufzuspüren und den Tumor zu bekämpfen (Abbildung 2). Während die Tumorzelle stirbt, behält die CAR-T-Zelle ihre Funktionalität und verbleibt im Körper. So können Millionen von Krebszellen eliminiert werden.
Abbildung 2: Mechanismus: Die CAR-T-Zelle (Effektorzelle) erkennt mithilfe des CAR gezielt die Zellen, die das entsprechend passende Antigen exprimieren, zum Beispiel CD19-positive B-Zellen. Letztlich kommt es zur Apoptose und Nekrose der Zielzellen. Modifiziert nach »CAR T Cell Therapy Mechanism« (2022) / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Die Herstellung der autologen CAR-T-Zellen ist in den gesamten Behandlungsprozess integriert und erfolgt nach streng qualitätskontrollierten Schritten.
Zunächst werden die relevanten T-Lymphozyten (T-Zellen) aus dem Blut des Patienten mittels Leukapherese (Apherese) isoliert. Die isolierten Leukozyten werden kryokonserviert und an spezielle Herstellungslabore versendet (die restlichen Blutbestandteile werden dem Patienten rückinfundiert) und dort isoliert und in einem ersten Schritt aktiviert. Die T-Zellen können sich anschließend außerhalb des Körpers vermehren.
Nun erfolgen die genetische Modifikation und der Einbau des CAR mithilfe viraler Gentransfervektoren (retrovirale oder vom humanen Immundefizienzvirus 1, HIV-1, abgeleitete lentivirale Vektoren), die die genetische Information für den CAR übertragen und stabil in das Genom der T-Zellen inserieren. Dadurch wird die genetische Sequenz für den CAR bei Aktivierung und Teilung der T-Zellen an jede Tochterzelle weitergegeben.
Eine umfangreiche Labordiagnostik ist nötig, bevor die Herstellung der gentechnisch modifizierten T-Zellen beginnen kann. / Foto: Adobe Stock/Innovative Creation
Die entstandenen CAR-modifizierten Zellen werden einige Tage im Labor zu Millionen von CAR-T-Zellen expandiert, kryokonserviert und in speziellen Transportbehältnissen an das Behandlungszentrum zurücktransportiert. Nach sorgfältiger Qualitätskontrolle und Auftauen auf Station werden die individuell patientenspezifisch hergestellten CAR-T-Zellen dem Patienten reinfundiert. Die Dosis der infundierten Zellen variiert je nach Therapie zwischen 106 und 109 Zellen pro Dosis (siehe Fachinformationen).
CAR-T-Zellen können Tumorzellen in Blut, Knochenmark und Lymphknoten gut erreichen, während dies bei soliden Tumoren erschwert ist. Durch Vermehrung der CAR-T-Zellen im Körper kommt es über die Zeit zu einer »Wirkstoff«-Erhöhung. Nach Verschwinden der Tumorzellen können die CAR-T-Zellen im Patienten persistieren und bei Rezidiven erneut aktiv werden.
Die Behandlung mit CAR-T-Zellen erfolgt in speziell dafür qualifizierten CAR-T-Zentren. In Deutschland gibt es etwa 40 Standorte, die ein weitgehend flächendeckendes Angebot für diese Therapien bieten.
Der gesamte Behandlungsprozess dauert mehrere Wochen. Während für die Leukapherese eine ambulante Sitzung ausreicht (maximal drei bis vier Stunden), dauert die Herstellung der CAR-T-Zellen vier bis fünf Wochen. Bis zur Rückinfusion können bis zu acht Wochen vergehen. Zur Überbrückung erhält der Patient stationär oder ambulant eine Chemotherapie. Auch eine Radiotherapie (RT) wird als sogenanntes Bridging-Konzept diskutiert (3).
Vor der Zelltherapie bekommt der Patient im Behandlungszentrum eine lymphodepletierende Chemotherapie (in der Regel mit Cyclophosphamid und Fludarabin) über drei bis zehn Tage. Diese soll die Aktivität der Tumorzellen hemmen und die Anzahl der körpereigenen Immunzellen reduzieren, um günstige Bedingungen für die Expansion der infundierten CAR-T-Zellen zu schaffen.
Die eigentliche Infusion der CAR-T-Zellen dauert etwa 30 Minuten. Für ein Therapieansprechen reicht meistens eine einzige Infusion aus. Eine anschließende Überwachung des Patienten für zehn bis 14 Tage im Behandlungszentrum ist gesetzlich vorgeschrieben, um bei möglichen Toxizitäten schnell intervenieren zu können.
Nach Entlassung werden die Patienten ambulant weiterbetreut. Hersteller und Behandlungszentren sind zu einer langfristigen Kontrolle und Unterstützung von bis zu 15 Jahren verpflichtet. Studien untersuchen die Möglichkeit für eine ambulante Therapie mit vollständig ambulanter Nachsorge.
Aufgrund der teils erheblichen Nebenwirkungen und Toxizitäten sollen CAR-T-Zelltherapien laut europäischer Zulassung nur angewendet werden, wenn mindestens zwei andere Krebstherapien nicht angeschlagen haben. Es handelt sich also immer um stark vorbehandelte Patienten.
Insgesamt sind in der Europäischen Union sechs CAR-T-Zelltherapien verfügbar (Tabelle 1). Vier davon richten sich gegen das Oberflächenantigen CD19 auf B-Lymphozyten für den Einsatz bei verschiedenen B-Zell-Leukämien und -Lymphomen, die zwei jüngsten gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf Plasmazellen des Multiplen Myeloms. Der Einsatz der CAR-T-Zelltherapie bei soliden Tumoren sowie bei HIV-Infektionen und Autoimmunerkrankungen wird derzeit in Studien geprüft.
Fertigarzneimittel, INN, Hersteller | EU-Zulassung zur Behandlung von | FDA-Zulassung | Zulassungsstudie (Referenz) | Response (in Prozent) | Toxizität Grad 3 und 4 (in Prozent) |
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Zielantigen CD19 (Cluster of Differentiation 19, B-Lymphozyten-Oberflächenantigen) | |||||
Kymriah®,Tisagenlecleucel,Novartis | Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter bis zu 25 Jahren mit refraktärer oder rezidivierter akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (RR-B-ALL) | 2017 | ELIANA (4)(NCT02435849) | ORR (81),CR (60) | CRS (46), ICANS (13), Zytopenie (61) |
Kymriah®,Tisagenlecleucel,Novartis | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (RR-DLBCL) | 2018 | JULIET (5)(NCT02445248) | ORR (52),CR (40), PR (12) | CRS (22), ICANS (12), Zytopenie (32) |
Kymriah®,Tisagenlecleucel,Novartis | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem follikulären Lymphom (RR-FL) | 2021 | ELARA (6)(NCT03568461) | ORR (86),CR (69) | CRS (49), ICANS (28), Infektionen (5) |
Yescarta®,Axicabtagen-Ciloleucel,Gilead | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (RR-DLBCL) oder mit primär mediastinalem B-Zell-Lymphom (PMBCL) | 2017 | ZUMA-1 (8)(NCT02348216) | ORR (82),CR (54) | CRS (13), ICANS (31), Zytopenie (78) |
Tecartus®,Brexucabtagen-Autoleucel,Gilead | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom (RR-MCL) mit mindestens zwei vorangegangenen Therapien unter Einschluss eines Tyrosinkinase-(BTK-)Inhibitors | 2020 | ZUMA-2 (9)(NCT02601313) | ORR (85),CR (59) | CRS (15), ICANS (31), Zytopenie (94), Infektionen (32) |
Breyanzi®,Lisocabtagen maraleucel,Bristol Myers Squibb | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (RR-DLBCL), primär mediastinalem großzelligen B-Zell-Lymphom (PMBCL) und follikulärem Lymphom Grad 3B (FL3B) | 2021 | TRANSCEND (10)(NCT02631044) | ORR (73),CR (53) | CRS (2), ICANS (10), Zytopenie (60) |
Zielantigen BCMA (B-Zell-Reifungs-Antigen) | |||||
Abecma®,Idecabtagen vicleucel (Ide-Cel),Bristol Myers Squibb | Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem Multiplen Myelom (RR-MM) mit mindestens drei vorherigen Behandlungen, darunter ein Immunmodulator (IM), ein Proteasom-Inhibitor (PI) und ein Anti-CD38-Antikörper (CD38-AK) | 2021 | KarMMa (11)(NCT03361748) | ORR (73),CR (33) | CRS (5), ICANS (3), Zytopenie (89) |
Carvykti®,Ciltacabtagen autoleucel, (Cilta-cel),Janssen | bedingte Zulassung: Erwachsene mit rezidiviertem und refraktärem Multiplen Myelom (RR-MM) mit mindestens drei vorherigen Behandlungen, darunter ein IM, PI und CD38-AK | 2022 (EU) | CARTITUDE (12)(NCT03548207) | ORR (97),CR (67) | CRS (4), ICANS (9), Zytopenie (95) |
ORR: overall response rate, Gesamtansprechrate; CR: complete remission, komplette Remission; PR: partial response, teilweises Tumoransprechen; CRS: Zytokin-Freisetzungssyndrom; ICANS: Immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome, Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizität
Tisagenlecleucel (Kymriah®) der Firma Novartis wird eingesetzt bei Patienten mit refraktärer oder rezidivierter akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie, diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und follikulärem Lymphom. Das Medikament erhielt im Jahr 2018 als erste in Europa zugelassene CAR-T-Zelltherapie den PZ-Innovationspreis. Manche der 2010 weltweit ersten damit behandelten Patienten (akute und chronische lymphatische Leukämie) können bereits zehn oder zwölf Jahre »leukämiefreie« Zeit feiern. Ein in der Krebstherapie beispielloser Erfolg.
Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®) der Firma Gilead ist die zweite 2018 in der EU zugelassene Anti-CD19-CAR-T-Zelltherapie für Patienten mit speziellen Formen des B-Zell-Lymphoms (Tabelle 1).
Brexucabtagen-Autoleucel (Tecartus®) ist zugelassen für erwachsene Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom, das zu den hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) mit schnellem und aggressivem Verlauf gehört.
Die Zulassung von Lisocabtagen maraleucel (Breyanzi®) entspricht der für Axicabtagen-Ciloleucel und wurde 2021 auf die Behandlung von Patienten mit follikulärem Lymphom Grad 3B erweitert.
Seit diesem Jahr 2022 sind in Deutschland auch zwei CAR-T-Zelltherapien für stark vorbehandelte Patienten mit Multiplem Myelom (MM) verfügbar: Idecabtagen vicleucel und Ciltacabtagen autoleucel (Abecma® und Carvykti®) (Tabelle 1). Als seltene Form der NHL entsteht das Multiple Myelom durch eine Entartung von Plasmazellen, die sich unter Verlust von Blutzellen und Knochensubstanz in das Knochenmark ausbreiten. Jährlich werden in Deutschland etwa 6400 Neuerkrankungen verzeichnet, mit ungünstiger Prognose und einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von weniger als 50 Prozent.
Die Kosten für eine CAR-T-Zelltherapie sind hoch und lagen für die ersten Therapien zwischen 320.000 und 360.000 Euro pro Behandlung und Patient. Vergütungsmodelle der Krankenkassen mit den Herstellern regeln eine Erstattung teils unter Anbindung an den Therapieerfolg. Sollte die Behandlung nicht anschlagen, bekommen die Kassen einen Teil der erstatteten Kosten vom Hersteller zurück.
Die CAR-T-Zelltherapie hat ein anderes Nebenwirkungsprofil als eine konventionelle Immunchemotherapie. Das Spektrum beinhaltet hämatologische und immunologische Nebenwirkungen und reicht von leichtem Unwohlsein über Organversagen bis hin zum Tod (13). Eine intensive Betreuung der Patienten, umfassende Schulung der behandelnden Ärzte und Aufklärung von Patienten und Betreuern durch die Hämato-Onkologen und Stationsapotheker sind zwingend notwendig.
Zu den wichtigsten Nebenwirkungen (Tabelle 2) gehören
Toxizität | Symptome | Lösungsansätze, Interventionen |
---|---|---|
Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) | Grad 1: Fieber, Fatigue, Myalgie, Übelkeit, allgemeines Unwohlseinab Grad 2: Fieber, Hypoxie, Hypotension, Organschädigung | supportive Therapie: Paracetamol, MetamizolTocilizumab, Glucocorticoidesofortige intensivmedizinische Versorgung |
Neurotoxizität (immune effector cell associated neurotoxicity syndrome, ICANS) | Kopfschmerzen, Schwindel, Delirium, Schlaganfall, zerebrale Ödeme, Koma | Tocilizumab, GlucocorticoideAnakinrasofortige intensivmedizinische Versorgung |
B-Zell-Aplasie | Hypogammaglobulinämie, HBV-Reaktivierung, Herpesvirus-Infektionen, allgemeine Infektanfälligkeit | Immunglobulin-Infusionantivirale ProphylaxeAciclovir |
Zytopenie | Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Schwäche, Infektanfälligkeit, Blutungsrisiko | Bluttransfusion (Erythrozyten)Isolation, IntensivstationThrombozyten-Transfusion, Thrombopoietin |
CRS-bedingte Koagulopathie | Hyperkoagulation: Mikrothrombosen, verkürzte Gerinnungszeit (PT) | Antikoagulanzien: Heparin |
CRS-bedingte Koagulopathie | Hypokoagulation: erniedrigte Fibrinogen-Spiegel, verlängerte PT-Zeit | Antikoagulanzien (Heparin) kombiniert mit Ersatztherapie (Plasma, Fibrinogen) |
CRS-bedingte Koagulopathie | Hyperfibrinolyse: erhöhte D-Dimer- und FDP-Spiegel, verlängerte PT Zeit | Ersatztherapie und antifibrinolytische Behandlung, Gabe von Fibrinogen-Konzentrat |
Zur Verminderung akuter Infusionsreaktionen erhalten die Patienten vorab eine Prämedikation aus Paracetamol und Diphenhydramin.
Das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS: cytokine release syndrom) und die Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizität (ICANS: immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome) sind die häufigsten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen, denen eine überschießende Aktivierung der CAR-T-Zellen zugrunde liegt. Durch massive Produktion und Freisetzung von Zytokinen, zum Beispiel IFN-γ, Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), IL-2 und Granulozyten-/Makrophagen-Kolonien stimulierendem Faktor (GM-CSF) werden zahlreiche weitere Immunzellen aktiviert. Makrophagen produzieren unter anderem Interleukin-6, das in fast jeder Körperzelle entzündliche Reaktionen hervorrufen kann.
Das CRS kann sich in unterschiedlicher Ausprägung zeigen (Grad 1 bis 4). Innerhalb weniger Stunden oder Tage können Symptome wie hohes Fieber, Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Störungen auftreten (Grad 1). Wird nicht rechtzeitig interveniert, kann es zu Multiorganversagen bis hin zum Tod kommen. Als Risikofaktoren für ein hochgradiges CRS gelten eine hohe Tumorlast, Thrombozytopenie und endotheliale Aktivierung vor der CAR-T-Zelltherapie. Zerebral (ICANS) können Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Halluzinationen, Bewusstseinsstörungen, Delirium, Krampfanfälle, motorische Störungen und sogar Hirnödeme auftreten. Die meisten schweren Fälle treten unter der Anti-CD19-Zelltherapie bei hämatologischen Krankheitsbildern auf (Tabelle 1).
Bei leichten Formen des CRS bis Grad 1 wird antipyretisch mit Paracetamol (1 g intravenös, viermal täglich) oder Metamizol (500 bis 1000 mg) therapiert. Bei schweren Formen hat sich der IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab (RoActemra®) bewährt. Ab Grad 2 des CRS mit Hypotonie wird Tocilizumab als Monotherapie oder in Kombination mit Corticosteroiden gegeben. In der Regel wird mit Methotrexat (MTX) kombiniert.
Die Nebenwirkungen einer CAR-T-Zelltherapie reichen von leichtem Unwohlsein bis zum Multiorganversagen. Wenn nötig, müssen die Ärzte intensivmedizinisch eingreifen. / Foto: Adobe Stock/Sinuswelle
Beim ICANS haben Corticosteroide einen gewissen Stellenwert (Dexamethason 10 mg alle sechs Stunden oder Methylprednisolon 1 g einmal täglich intravenös) (14). Ebenso ist die Kombination von Tocilizumab mit Corticosteroiden möglich. Zur Vorbeugung und Behandlung von Krampfanfällen sollte ein Antiepileptikum eingesetzt werden. Das Auftreten des CRS und ICANS korreliert mit dem Zeitfenster der maximalen CAR-T-Zellexpansion; die Symptome bilden sich meistens wieder komplett zurück.
Laut neueren Studien erleidet etwa die Hälfte der Patienten unter einer CAR-T-Zelltherapie eine CRS-bedingte Koagulopathie. Diese ist meist durch erhöhte Spiegel der D-Dimere, Anstieg an Fibrinogen-Abbauprodukten mit erniedrigtem Fibrinogen-Spiegel und eine verlängerte Prothrombin-Zeit charakterisiert. Indiziert ist die Gabe von Heparin zur Vermeidung und Auflösung von Thromben und falls notwendig eine Ersatztherapie mit Fibrinogen (15).
Eine weitere Nebenwirkung ist vor allem bei Anti-CD19-Zelltherapien zu beobachten. Diese beruht auf einer On-Target-off-Tumor-Aktivität der CAR-T-Zellen, denn CD19 ist nicht nur auf CD19-positiven Leukämie- und Lymphomzellen, sondern auch auf gesunden funktionstüchtigen B-Lymphozyten exprimiert. Die CAR-T-Zellen attackieren sowohl gesunde als auch maligne CD19-positive Zellen und vernichten sie. Bei Therapierespondern sind nach der Behandlung praktisch keine gesunden B-Zellen mehr nachweisbar. Infolge der Lymphodepletion fehlen Immunglobuline (Hypogammaglobulinämie) (Tabelle 2). Um schwere Infektionen zu vermeiden, werden die Serumspiegel der Immunglobuline regelmäßig kontrolliert. Bei Bedarf (IgG-Spiegel < 4 g/l) müssen Immunglobuline intravenös oder subkutan verabreicht werden. Vorsorglich sollten Patienten in den ersten drei Monaten nach der CAR-T-Zelltherapie Virustatika und Antimykotika erhalten.
Zudem kann ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) auftreten mit massiver Freisetzung von Elektrolyten und Zellbestandteilen sowie möglicher Bildung von Calciumphosphat und Harnsäurekristallen in der Niere.
Als häufigste hämatologische Nebenwirkung erleidet die Mehrzahl der Patienten nach der Zellinfusion eine Panzytopenie, die einige Tage bis Monate andauern kann und mit Anämie, Thrombozytopenie und Leukopenie einhergeht. Klinisch können Erythrozyten- und Thrombozyten-Transfusionen sowie die Gabe von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren (Thrombopoietin, TPO), Thrombopoietin-Rezeptoragonisten und Sirolimus erforderlich sein.
Obwohl es zu pharmakokinetischen und -dynamischen Wechselwirkungen von CAR-T-Zellen bisher keine genauen Studien gibt, sollten Glucocorticoide und Immunsuppressiva während der Therapie weitgehend vermieden werden, da diese die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen abschwächen. Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen wird mindestens sechs Wochen vor der vorbereitenden Chemotherapie, während der Zelltherapie und mindestens sechs Wochen danach nicht empfohlen.
Bei aktiven unkontrollierten Infektionen oder aktiver Graft-versus-Host-Erkrankung (GVHD) sowie schweren Chemotherapie-bedingten Nebenwirkungen sollte die CAR-T-Zelltherapie verschoben werden. Bei Patienten mit aktiver Hepatitis-B oder -C oder HIV-Infektion wird die Zelltherapie nicht empfohlen. Bei der Verwendung von CAR-T-Zellen, die mittels Lentiviren hergestellt wurden, kann ein HIV-Test nach der Therapie falsch positiv ausfallen.
Aufgrund der langen Lebenszeit der CAR-T-Zellen in vivo sollten die Patienten später kein Blut oder Organe spenden.
Um die Qualitätsvereinbarungen der CAR-T-Zelltherapien zu sichern, müssen Klinik, Klinikapotheke, Apherese-Zentrum und die regulatorischen und rechtskräftigen Abteilungen eng kooperieren.
Um die erforderliche Qualität der Zelltherapien zu sichern, ist eine interprofessionelle Teamarbeit nötig. / Foto: Adobe Stock/ponta1414
Über eine Sonderbestellung darf die Krankenhausapotheke rechtsverbindlich eine CAR-T-Zelltherapie bestellen. Leukapherese, Anlieferung der CAR-T-Zellen, Lagerung bei minus 196 Grad sowie der Transport auf die Station erfolgen oft unter Einbezug der Apotheke. Auftauen der Therapie und Dokumentation sind je nach CAR-T-Zentrum Aufgabe der Klinikabteilung, zum Beispiel der Transfusionsmedizin.
Die Krankenhausapotheken und Stationsapotheker auf den (hämato-)onkologischen und intensivmedizinischen Stationen spielen eine große Rolle für das Medikationsmanagement. Bei der lymphodepletierenden Chemotherapie ist neben der Prämedikation der Zeitabstand zwischen Lymphodepletion und CAR-T-Zellinfusion genau einzuhalten und eine vorherige Gabe von Glucocorticoiden zu vermeiden. Die Krankenhausapotheker bereiten Dosierungsbeispiele für die Gabe von Tocilizumab für die gängigen Gewichtsklassen vor. Zudem sind sie in die Pharmakovigilanz und die Meldung von Nebenwirkungen involviert.
Die Wirksamkeit und Sicherheit der CAR-T-Zellen werden derzeit in mehr als 500 klinischen Studien bei einer ganzen Reihe solider Tumoren untersucht, unter anderem bei Melanomen, Darm-, Brust-, Prostata-, Lungen- und Leberzellkrebs sowie bei Gehirntumoren und Neuroblastomen (Tabelle 3; Übersicht aller Studien unter clinicaltrials.gov).
Der große Durchbruch der CAR-T-Zelltherapie bei soliden Tumoren steht noch aus. Hier sind einige Schwierigkeiten zu überwinden. So muss ein geeignetes Zielantigen vorhanden sein, das im optimalen Fall ausschließlich von den Tumorzellen exprimiert wird. Ist dies zusätzlich auf gesundem Gewebe vorhanden, kann es ähnlich wie bei CD19-CAR-T-Zelltherapien zu einer On-Target-off-Tumor-Toxizität kommen. Aufgrund der langen Lebenszeit der CAR-T-Zellen in vivo können Off-Target-Effekte fatale Folgen für die Patienten haben.
Entwicklungsstatus | Indikationen |
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zugelassen | diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL)akute lymphatische Leukämie (ALL)primär mediastinales B-Zell-Lymphom (PMBCL)Mantel-Zell-Lymphom (MCL)Follikuläres Lymphom (RR-FL)Multiples Myelom (MM) |
fortgeschrittene Studien (Auswahl) | akute myeloische LeukämieMultiples MyelomMelanomBauchspeicheldrüsenkrebs-Metastasen |
erste Tests am Menschen (Phase-III-Studien, Auswahl) | solide Tumoren in Brust, Lunge, Darm, Prostata und Gehirn (Glioblastom)Neuroblastome |
Entwicklung | HIV-InfektionAutoimmunerkrankungen |
Weitere Hürde: die Erreichbarkeit des soliden Tumors. Die CAR-T-Zellen müssen nach der Infusion in die Blutbahn erst den Weg zum Tumor finden und bei Gehirntumoren zusätzlich die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Zudem erschwert ein immunsuppressives Tumor-Mikromilieu (Tumor Microenvironment) das Überleben der CAR-T-Zellen durch niedrige Sauerstoff- und Glucosespiegel sowie immunsuppressive Faktoren.
Eine allgemeine Herausforderung der CAR-T-Zelltherapie ist die Resistenzbildung. Als mögliche Ursachen für ein Therapieversagen wird eine unzureichende Proliferation oder Persistenz der CAR-T-Zellen im Organismus des Patienten diskutiert. Grund für ein tumorzellvermitteltes Therapieversagen kann der Antigen-Escape sein. Durch Herunterregulieren oder völligen Verlust des Zielantigens verbergen sich die Tumorzellen vor den CAR-T-Zellen, wodurch es nach anfänglichem Ansprechen zu einem Rezidiv kommen kann.
Die CAR-T-Zelltherapie wird derzeit bei einer Reihe solider Tumoren untersucht; das lässt viele Krebspatienten hoffen. / Foto: Adobe Stock/Harnpon
Bei Patienten mit Multiplem Myelom wurde unter der Zelltherapie ein homozygoter Verlust des Zielantigens BCMA festgestellt. Vermutlich ist das der Grund für das nur kurze progressionsfreie Überleben (weniger als zwölf Monate bei 45 Prozent der Patienten) nach der Therapie mit Idecabtagen Vicleucel. In präklinischen Studien werden weitere Zielantigene für das Multiple Myelom untersucht, die zur Resistenzüberwindung eingesetzt werden können. Ein neuer Ansatz zur Überwindung des Antigenverlusts bei CD19-positiven Leukämien und Lymphomen ist das »Multi-Antigen-Targeting«, ein simultanes Targeting von CD19 und CD22.
Neben dem Antigen-Escape-Phänomen kann die CAR-T-Zellfunktion durch Hochregulierung immunologischer Checkpoints wie PD-L1 behindert werden. Eine mögliche Kombination der CAR-T-Zellen mit dem Anti-PD1-Antikörper Pembrolizumab wird in einer Phase-1-Studie getestet.
Allogene CAR-T-Zellen von gesunden Spendern bieten gegenüber den bisherigen autologen Zellprodukten Vorteile. Dazu zählen geringere Kosten durch ein industrialisiertes Herstellverfahren, kryokonservierte Chargen für eine sofortige Verfügbarkeit (off-the-shelf) und mögliche Standardisierung. Kombinationen aus verschiedenen allogenen CAR-T-Zellen mit unterschiedlichen Zielantigenen sowie wiederholte Behandlungen könnten eine bessere Wirksamkeit und vielleicht längere Wirkung ermöglichen.
Ein Nachteil dieser »universellen« CAR-T-Zellen (UCAR-T-Zellen) ist ein mögliches Auftreten einer Graft-versus-Host-Erkrankung. Weiterhin können die UCAR-T-Zellen vom Immunsystem des Empfängers als fremd erkannt und eliminiert werden. Derzeit laufen etwa 70 klinische Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von allogenen CAR-T-Zellen, die meisten für Leukämie, Lymphome und das Multiple Myelom (clinicaltrials.gov).
Auch die Wirksamkeit von allogenen CAR-NK-Zellen wird in klinischen Studien evaluiert. Erste Daten zeigen, dass allogene Natürliche-Killer-(NK-)Zellen in Kombination mit lymphodepletierender Vorbehandlung sicher und effektiv bei Tumorerkrankungen eingesetzt werden können. Da sie zytotoxisch wirken, können sie sowohl CAR-vermittelte als auch CAR-unabhängige Antitumoraktivität zeigen.
Sina Oppermann studierte Pharmazie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und wurde an der Philipps-Universität Marburg promoviert. Seit ihrem zweijährigen Postdoc-Aufenthalt am Sunnybrook Research Institut (SRI) in Toronto, Kanada, ist sie in der Translationalen (Hämato-)Onkologie tätig mit Schwerpunkt auf personalisierten Therapien. Über ein internationales Postdoc-Stipendium kehrte sie Ende 2016 nach Deutschland zurück an das Deutsche Krebsforschungszentrum, wo sie seit 2018 Gruppenleiterin für Translationale (pädiatrische) Pharmakologie in der Abteilung für Translationale Onkologie ist. Schwerpunkt ihrer Arbeiten sind metabolische und bildbasierte funktionale Medikamententestungen (Mono- und Kombinationstherapien) an primären Tumorzellen von Patienten mit soliden Tumoren. Derzeit habilitiert Oppermann sich im Fachbereich Pharmazie an der Goethe-Universität.