HIV-Positive leben immer noch mit Angst und Stigma |
Wie kommt es, dass Impfstoff gegen das Coronavirus so schnell entwickelte wurde, gegen das HI-Virus aber in 40 Jahren nicht? Es gehe um verschiedene Virenarten, sagt der Virologe Professor Dr. Josef Eberle vom Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie in München. Das Coronavirus ändere sich zudem relativ langsam, das HI-Virus dagegen sehr schnell. «Schon in vier bis sechs Wochen entwickeln sich in einem einzigen HIV-Infizierten so viele Varianten wie beim Coronavirus weltweit nicht in einem ganzen Jahr», sagt Eberle. Zum anderen könne man beim Coronavirus Antikörper wie Sticker auf den Schlüssel des Virus für die Zelle «kleben», was das Eindringen verhindert. «Bei HIV sind die Oberflächenproteine auf den Viren dagegen gut versteckt», sagt Eberle.
Wenn HIV einmal im Körper sei, bekomme man es nicht mehr raus – auch, wenn es mit Medikamenten gut unterdrückt werden könne, erklärt der Experte. Der Bauplan des Virus bleibe in langlebigen Zellen. Das Coronavirus sei anders: «Es muss sich ständig vermehren, sonst stirbt es aus.»
Eberle zweifelt, ob es je HIV-Impfstoffe geben wird. Streeck ist zuversichtlicher. Es laufen einige HIV-Impfstoffstudien. «Natürlich ist die HIV-Pandemie besser einzudämmen, wenn wir eine Heilung oder einen Impfstoff haben», sagt Streeck. «Aber beides ist noch in weiter Ferne.»
Die Mutter von zwei kleinen Kindern aus Hessen nennt sich Anja. Die 41-Jährige erfuhr 2014, dass sie HIV-positiv ist, erzählt sie der Nachrichtenagentur dpa. Nur ihr Mann, der ebenfalls HIV-positiv ist, weiß von ihrer Infektion. Sie möchte anonym bleiben. Sie hat Angst vor Reaktionen, wie neulich im Krankenhaus, als sie mit einem Knochenbruch per Rettungswagen eingeliefert wurde und der Sanitäter sie in der Notaufnahme, wo sie die Infektion angab, anschrie, was ihr einfalle, das hätte sie sofort sagen müssen. Muss sie nicht, weiß Anja.
Anja denkt manchmal darüber nach, offen über ihre Infektion zu sprechen. «Aber wenn man behandelt wird, als ob man die Pest hätte? Wenn die Kinder dann wie Aussätzige behandelt werden? Für einen der mit solchen Ängsten kämpfen muss, ist das schwer», sagt sie. «Man ist psychisch so labil, dass das eine Zumutung wäre.» Trotz der guten Medikamente schwinge neben aller Angst ja auch noch immer die Sorge mit, dass die Krankheit ausbrechen könnte.
Anja wünscht sich, dass mehr über HIV berichtet und geredet wird, dass Menschen lernen, dass keine Gefahr von HIV-Positiven ausgeht. Im medizinischen Bereich müsse besser geschult werden. Sie selbst empfand die Diagnose auch zuerst «wie ein Todesurteil». Sie hat ihren Mann verflucht, der sie angesteckt hatte. Auch sie selbst musste erst Vorurteile abbauen und lernen mit HIV zu leben. «Die Kinder haben mir das Leben gerettet», sagt sie.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.