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Supplemente

Hirn und Nerven von klein auf gut versorgt

Ein ausreichend hoher Folatspiegel beugt Fehlbildungen wie Neuralrohrdefekten vor. Eine angemessene Menge an Omega-3-Fettsäuren brauchen Kinder für eine gesunde Gehirnentwicklung. Doch um die Aufnahme von Folsäure/ Folat sowie von ungesättigten Fettsäuren ist es bei den Deutschen schlecht bestellt.
Elke Wolf
20.05.2019  08:00 Uhr

Nach den Ergebnissen einer Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1-Studie) erreichen derzeit tatsächlich nur ganze 3 Prozent der 18- bis 29-jährigen Frauen und 4 Prozent der 30- bis 49-jährigen ausreichende Folatspiegel. »Damit ist der Folatstatus der allermeisten Frauen im reproduktionsfähigen Alter in Deutschland kritisch«, wertet Professor Dr. Berthold Koletzko von der LMU-Universität München und Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit, in einer Pressemitteilung.

Zu einem ähnlichen Ergebnis war zuvor schon die Nationale Verzehrstudie II gekommen: Danach lag die tägliche Zufuhr an Folat beziehungsweise Folsäure bei jüngeren Frauen durchschnittlich bei nur 200 μg und damit deutlich entfernt von den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Danach sollen gesunde Erwachsene täglich 300 μg Folat aufnehmen, Schwangere und Stillende gar 550 beziehungsweise 450 μg. Und auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, um Neuralrohrdefekte zu vermeiden, einen Wert von mindestens 400 ng/ml, den die Folatkonzentration in roten Blutkörperchen erreichen sollte.

Jährlich werden in Deutschland bei rund 1000 ungeborenen Kindern Neuralrohrdefekte diagnostiziert, schätzungsweise 500 Schwangerschaften werden aus diesem Grund abgebrochen (DOI: 10.1515/jpm-2014-0346). Zu den häufigsten Neuralrohrdefekten zählen die Spina bifida (»offener Rücken «), also eine Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, sowie die Anenzephalie, bei der sich unter anderem Teile des Gehirns, der Hirnhäute und Schädelknochen nicht richtig entwickeln. Aber auch andere angeborene Fehlbildungen wie Herzfehler, Missbildungen der Harnwege sowie Kiefer und Gaumenspalten werden mit einem Folatmangel in der Frühschwangerschaft in Verbindung gebracht.

Einnahme schon bei Kinderwunsch

Einer der Gründe, warum solche Fehlbildungen schon seit Jahren unverändert häufig auftreten, ist der frühe Zeitpunkt des Neuralrohrschlusses: Dieser erfolgt zwischen dem 22. und 28. Tag nach einer Konzeption, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Frauen eventuell noch gar nicht wissen, dass sie in anderen Umständen sind. Deshalb empfehlen Experten, beginnend mit dem Kinderwunsch zusätzlich zu einer Folat-haltigen Ernährung (grünes Blattgemüse, Rohkostsalate, frisch gepresste Zitrussäfte) Folsäure-Präparate mit mindestens 400 μg Folsäure einzunehmen.

»Wenigstens die Hälfte dieser Fehlbildungen ließe sich so einfach und wirksam vermeiden«, sagt Koletzko. Über welchen Mechanismus Folat präventiv wirkt, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise spielt das neurotoxische Homocystein eine entscheidende Rolle.

Mit täglich 400 μg Folsäure/Folat dauert es rund zwei bis drei Monate, bis sich ein Erythrozyten-Folatpiegel aufbaut, der Neuralrohrdefekte zu reduzieren vermag. Wird allerdings täglich die doppelte Menge, also 800 μg Folsäure/Folat (wie in Elevit® 1, Folio® forte, Femibion® 1) supplementiert, ist das präventiv wirksame Niveau bereits im Durchschnitt nach einem Monat erreicht. Aus diesem Grund bieten entsprechende Präparate-Linien in Abhängigkeit des Schwangerschaftsstadiums unterschiedlich hoch dosierte Nahrungsergänzungsmittel an.

Mit einer guten Folatversorgung nur bis zum Ende des ersten Trimenons ist es nicht getan. Untersuchungen zeigen, dass sich viele Schwangerschaftskomplikationen wie ein frühzeitiges Ablösen der Plazenta, ein zu niedriges Geburtsgewicht sowie Fehl- und Frühgeburten durch eine optimale Folatver sorgung während der gesamten Schwangerschaft deutlich reduzieren lassen. Auch während der Stillzeit bleibt der Folatbedarf erhöht, weil das Neugeborene im ersten Lebensjahr einen regelrechten Wachstumsschub durchläuft und damit eine extrem hohe Zellteilung verbunden ist. Allerdings reicht ab der 13. Schwangerschaftswoche bis zumEnde der Stillzeit die Tagesdosis von 400 μg Folsäure/ Folat (in Folio®, Elevit® 2, Femibion® 2), um die Folatspiegel aufrechtzuhalten.

Omega-3-Fettsäuren fürs Gehirn

Daneben sind zusätzliche Gaben von Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht unerheblich. Diese langkettigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sind als Bestandteil jeder Zellmembran zentraler Baustein für das kindliche Gehirn, Nervensystem und die Netzhaut des Auges.

Sie tragen zur gesunden Entwicklung von Gehirn und Augen beim Fötus und gestillten Säugling bei. So zeigt etwa eine im Fachmagazin »Journal of Neuroscience « veröffentlichte In-vivo-Tierstudie, dassOmega-3-Fettsäuren nachweislich die dendritische Reifung und die synaptische Konnektivität positiv beeinflussen (DOI:10.1523/Jneurosci. 4102-14.2015). Dazu wird die Fluidität der Zellmembranen benötigt.

Die DGE empfiehlt deshalb Schwangeren und Stillenden, täglich durchschnittlich etwa 250 mg DHA und EPA aufzunehmen. Das ist möglich durch den Verzehr von zwei Portionen Meeresfisch pro Woche. Omega-3-Fettsäuren- reiche Fische sind Lachs, Hering, Thunfisch, Schwertfisch oder Makrele. Vor allem Frauen, bei denen nicht regelmäßig Fisch auf dem Speiseplan steht, sollten eine Nahrungsergänzung von DHA und EPA in Erwägung ziehen (wie in Elevit® 2 und 3, Femibion® 2 und Orthomol natal®).

Besonders ab der zweiten Schwangerschaftshälfte und in den ersten Monaten nach der Geburt werden DHA und EPA im Gehirn und in die Zellmembranen des kindlichen Nervensystems eingebaut. Dennoch sind sich Wissenschaftler einig, dass Schwangere bereits frühzeitig eine Extraportion benötigen.

Fettsäuren aus Mamas Depots

Denn die langkettigen Fettsäuren werden im Fettgewebe der Mutter gespeichert und von dort bei Bedarf mobilisiert, um den Fetus und später den Säugling über die Plazenta beziehungsweise die Muttermilch zu versorgen. So weiß man, dass der Großteil der Fettsäuren in der Muttermilch nicht direkt aus der aktuell verzehrten mütterlichen Nahrung, sondern aus Depots der Mutter stammen. Die junge Mutter sollte bis zum Ende der Stillzeit auf eine ausreichende Zufuhr der Omega-Fettsäuren achten.

Ob sich die langkettigen Fettsäuren auch noch über das erste Lebensjahr hinaus während des Aufwachsens positiv auf die Gehirnentwicklung und seine kognitiven Leistungen auswirken können, ist wissenschaftlich nicht einwandfrei bewiesen. Die Health-Claim-Verordnung der Europäischen Union erlaubt lediglich die beiden folgenden Aussagen: DHA trägt zur Erhaltung einer gesunden Gehirnfunktion bei. Eisen trägt zu einer gesunden kognitiven Entwicklung von Kindern bei.

Tatsache ist jedoch auch: Mit der Versorgung von langkettigen Fettsäuren steht es gleich in welchem Alter nicht zum Besten. So liegt der gemessene durchschnittliche Omega-3-Index bei gerade einmal 5,5 Prozent anstatt bei den empfohlenen 8 Prozent, zeigt eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 (Mayo Clinic Proceedings, 2017, DOI: 10.1016/j.mayocp.2016.10.018). Für Erwachsene und Kinder, die keinen Fisch mögen, ist es sehr schwierig, auf ausreichende Mengen zu kommen. Insofern könnten entsprechende Nahrungssupplemente eine gute Empfehlung sein.

Allein mit Leinöl, Rapsöl oder Walnüssen den erforderlichen Bedarf an DHA und EPA abzudecken, ist kaum möglich. Denn diese Lebensmittel enthalten lediglich die kürzere Omega- 3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA). Diese kann jedoch der Organismus nur in geringen Mengen bis zu 10 Prozent in die stoffwechselaktiven Fettsäuren DHA und EPA umwandeln. Ein möglicher Grund: Mit der heutigen ungesunden Ernährungsweise (zu viel rotes Fleisch und tierische Fette) werden zu hohe Mengen an Omega-6-Fettsäuren wie Linolsäure (LA) aufgenommen. LA konkurriert dann mit ALA um die Umwandlung in langkettige Omega- 3-Fettsäuren.

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