Vorhofflimmern durch Fischöl-Kapseln |
Annette Rößler |
09.11.2021 09:00 Uhr |
Vorhofflimmern bleibt oft unbemerkt. Der Arzt erkennt die Rhythmusstörung aber im EKG. / Foto: Adobe Stock/Kzenon
In der Fachinformation des kürzlich neu auf den Markt gekommenen Präparats Vazkepa® findet sich ein interessanter Hinweis. Unter Verweis auf eine »placebokontrollierte kardiovaskuläre Outcome-Studie« wird dort vor einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern unter der Einnahme des Arzneimittels gewarnt, das als Wirkstoff die modifizierte Omega-3-Fettsäure Icosapent-Ethyl enthält, einen Abkömmling der Eicosapentaensäure. Bei der erwähnten Studie handelt es sich um die REDUCE-IT-Studie, die für die Zulassung von Vazkepa ausschlaggebend war (DOI: 10.1056/NEJMoa1812792). Das Mittel wird eingesetzt zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos bei bestimmten Risikopatienten. Vorhofflimmern als Nebenwirkung ist da selbstverständlich besonders unerwünscht; in der Studie waren laut Fachinformation 5,8 Prozent der behandelten Patienten betroffen (Placebo: 4,5 Prozent).
Nachdem andere Studien teilweise abweichende Ergebnisse hatten, wurde kürzlich im Fachjournal »Circulation« eine Metaanalyse veröffentlicht. Diese schloss sieben Studien ein, darunter auch die REDUCE-IT-Studie. Insgesamt wurden die Daten von 81.210 Teilnehmern berücksichtigt, von denen 58.939 täglich mehr als 1 g Omega-3-Fettsäuren supplementierten. Die durchschnittliche Einnahmedauer betrug knapp fünf Jahre.
Die Metaanalyse bestätigte, dass die Fischöl-Supplementation das Risiko für Vorhofflimmern erhöht, und zwar relativ um 25 Prozent. Der Effekt schien dosisabhängig zu sein: Bei Einnahme von mehr als 1 g betrug der relative Risikoanstieg 49 Prozent, bei niedriger dosierten Präparaten lediglich 12 Prozent. Da auch die positiven Effekte von Omega-3-Fettsäuren vor allem bei hohen Dosen zu erwarten seien, sollte dieses Risiko bei jedem Patienten individuell gegen den Nutzen abgewogen werden, schlussfolgern die Autoren um Dr. Baris Gencer von der Universität Genf.
Zum Einsatz von Fischöl und Omega-3-Fettsäuren zur Prävention von kardiovaskulären Ereignissen gibt es zahlreiche Studien, die sich zum Teil erheblich im Studiendesign und Dosis/Art der getesteten Substanz unterscheiden. Daher wird verständlich, warum Metaanalysen kein homogenes Bild der Wirksamkeit dieses Therapieprinzips zeigen. Jüngste Untersuchungen demonstrieren, daß Eicosapentaensäure (EPA) positive antioxidative Wirkungen auf Zellmembranen hat, während Docosahexaensäure (DHA) gegenteilig wirksam ist und somit negativ auf die Membranstabilität wirkt. Hierdurch wird erklärbar, das EPA/DHA Kombinationen weniger wirksam erscheinen als gereinigtes EPA.
Die jüngsten Studien haben reines EPA untersucht. Die REDUCE-IT-Studie zeigte, dass harte Endpunkte wie kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Sterblichkeit durch ischämische Ereignisse durch tägliche Einnahme von 4 g Icosapent-Ethyl signifikant verringert werden. Nachteilig scheint aber zu sein, dass die Einnahme dieser Substanzen vermehrt Vorhofflimmern (VHF) auslöst.
Die Bedeutung dieser Befunde bleibt zunächst noch unklar, da die Häufigkeit unter anderem von Schlaganfällen nicht erhöht ist. Auch muss bedacht werden, dass etliche Patienten in den Studien die Diagnose VHF bereits vor dem Studieneinschluss hatten, sodass es nicht als Erstmanifestation einer Arrhythmie innerhalb der Studie gewertet werden kann. Post-hoc-Analysen der REDUCE-IT-Studie zeigen, dass das vorbestehende VHF wesentlich zu den dokumentierten Episoden von Arrhythmien während der Studie beigetragen hat.
Dennoch muss das vermehrte Auftreten von VHF kritisch gesehen werden, da es auf längere Sicht die positiven Effekte einer EPA-Therapie eventuell reduzieren kann. Die Einheitlichkeit der Omega-3-Studien zum vermehrt auftretenden VHF lässt deshalb aufhorchen.
Professor Dr. Andreas Götte, Chefarzt der Medizinischen Klinik II (Kardiologie & Internistische Intensivmedizin) am St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn