Herausforderung Pubertät |
In der Pubertät erfahren Jugendliche nicht nur tiefgreifende körperliche, sondern auch seelische Veränderungen. Sie beschäftigen sich stark mit sich selbst und ihrem eigenen Körper und fühlen sich häufig unwohl in ihrer Haut. Stark schwankende Blutzuckerwerte verstärken die Stimmungsschwankungen immens, und die Jugendlichen fühlen sich noch unwohler.
Viele junge Diabetes-Patienten können und wollen ihre chronische Erkrankung nicht wirklich akzeptieren und schieben jegliche Misserfolge darauf. Das führt oft dazu, dass sie versuchen, ihre Stoffwechselstörung vor anderen geheim zu halten. Im Extremfall kann es sogar zur totalen Therapieverweigerung kommen. Damit beginnt ein Teufelskreis.
In der Pubertät ist vieles schwierig – gut, wenn jetzt eine beste Freundin da ist. / Foto: Adobe Stock/Antonioguillem
Weitere belastende Aspekte können Akne und Gewichtszunahme sein, wobei eine Akne nicht häufiger auftritt als bei Stoffwechselgesunden. Deutlich häufiger kommt es allerdings zur Gewichtszunahme, da Insulin ein anaboles Hormon ist. Tritt eine Hypoglykämie auf, kann der Patient nur »dagegen anessen«, damit der Blutzucker wieder ansteigt, obwohl der Körper keine zusätzliche Energie benötigt. Und Hypoglykämien treten durch die schlechte Kalkulierbarkeit der genauen Insulinmenge gehäuft auf. Das Gewicht steigt, und Abnehmen ist unter einer Insulintherapie deutlich schwieriger. Dies ist ein weiterer Aspekt, weshalb junge Diabetes-Patienten die Therapie vernachlässigen, permanent zu wenig Insulin spritzen oder die Injektionen ganz verweigern (Kasten).
Wer an einem Typ-1-Diabetes erkrankt ist, hat ein fast doppelt so hohes Risiko für eine Bulimie als Gleichaltrige. Deutlich häufiger sind Mädchen als Jungen betroffen. Diskutiert werden verschiedene Hypothesen: die Essstörung als individuelle Antwort auf den Stress einer chronischen Erkrankung, als Reaktion auf die permanente Möglichkeit der Gewichtszunahme durch die anabole Insulinwirkung oder auch die mögliche Gewichtsabnahme durch »Insulin-Purging«.
Beim »Purging« wird ganz bewusst zu wenig Insulin gespritzt mit der Folge zu hoher Blutzuckerwerte. Dieser Glucose-Überschuss wird renal über den Urin ausgeschieden. Die Mädchen (und Jungen) verlieren zwar Gewicht, verfehlen aber das Ziel der Diabetestherapie. Ihr dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel schädigt Gefäße und Nerven. Folgen einer Typ-1-Diabetes-assoziierten Bulimie (»Diabulimie«) sind schlechtere Stoffwechseleinstellung, mehr Folgeerkrankungen und sogar eine erhöhte Mortalität.
Die Patienten benötigen sehr dringend und möglichst schon bei den ersten Anzeichen Hilfe und Unterstützung durch Eltern, Diabetologen, Diabetesberater und Jugendpsychologen. Je früher eine Psychotherapie beginnt, desto besser sind die Erfolgsaussichten und umso geringer das Ausmaß der Spätfolgen.
Etwa 20 bis 25 Prozent aller Diabetes-Patienten (Typ 1 und Typ 2) sind im Lauf ihrer Erkrankung von depressiven Verstimmungen und Depression betroffen. In der kritischen Phase der Pubertät entwickelt sich eine Depression besonders häufig.
Depressive Diabetes-Patienten haben oft einen schlecht eingestellten Blutzucker. Dies liegt einerseits an einem veränderten Stoffwechsel durch psychischen Stress (Freisetzung von Stresshormonen), zum anderen an geringerer Motivation und Aktivität, ihre Therapiemaßnahmen umzusetzen. Damit steigt das Risiko für Folgeerkrankungen.
Die S3-Leitlinie »Therapie des Typ-1-Diabetes« (www.awmf.org/leitlinien/ detail/ll/057-013.html) gibt neben Empfehlungen zu strukturierten Schulungsangeboten und psychosozialen Behandlungskonzepten auch Hinweise zu Diagnostik und Therapie komorbider psychischer Erkrankungen. Die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte mit dem Diabetologen und Diabetesteam kann entscheidend dazu beitragen, dass ein junger Diabetes-Patient nicht im »Loch« einer psychischen Erkrankung versinkt.