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Initiative Pro Apotheke vor Ort

Gemeinsam stark im Web

Auf der Fachmesse Expopharm will die Initiative Pro Apotheke vor Ort (pro AvO) erstmals ihre digitale Bestell-Plattform für das E-Rezept und OTC-Präparate präsentieren. An der bundesweiten Branchenlösung für Apotheken und Kunden sind BD Rowa, Gehe, Noventi, Sanacorp sowie Wort und Bild beteiligt. Im Gespräch mit der PZ berichtet pro AvO-Geschäftsführer Peter Menk, was die Plattform kann.
Julia Endris
29.08.2019  09:00 Uhr

PZ: Warum sollten Apotheker bei Ihrer Plattform mitmachen?

Menk: Wir wollen die Anwendung bauen, auf der ein Kunde seine OTC-Bestellung platzieren, das E-Rezept einlösen und sich aus dem gesamten Netzwerk aller deutschen Apotheken die für ihn passende Apotheke aussuchen kann - wohlgemerkt der Kunde, nicht das System. Der Kunde bestimmt, was er wann und wo haben möchte und das System zeigt ihm, welche Apotheke das bieten. Da das Rezeptvolumen durch das E-Rezept nicht wachsen wird, kann ein steigender Anteil außerhalb der Vor-Ort-Apotheke nur zu ihren Lasten gehen. Wenn aber die Offizinen ihre 19.300 Kundenkontaktpunkte vor Ort ausspielen und aus Sicht des Kunden als gemeinsamer Verbund auftreten, wird es schwer sein, dieses Angebot zu überbieten. Wir wollen ermöglichen, dass sich die E-Rezepte auf 19.300 Apotheken verteilen und nicht nur auf einige wenige.

PZ: Gibt es Gespräche über eine Zusammenarbeit mit der Web-App, die der DAV gerade für das E-Rezept entwickelt, oder machen Sie der DAV-App Konkurrenz?

Menk: Wir sind natürlich mit dem DAV im Gespräch und möchten gemeinsam Lösungen finden, das E-Rezept in die Apotheken vor Ort zu bringen. Wenn der DAV die einzige Anwendung für das E-Rezept baut, wäre das sicher im Sinne der stationären Offizin und wir beteiligen uns dann gerne daran. Wir müssen aber auch darauf vorbereitet sein, wenn der Gesetzgeber andere Vorgaben macht. Deshalb suchen wir den Austausch mit allen Partnern am Markt. Einen Wettbewerb zum DAV sehe ich nicht. Wir wollen nicht das E-Rezept machen, sondern nur sicherstellen, dass es bei den Apotheken ankommt und dort auch beispielsweise zusammen mit OTC bearbeitet werden kann.

PZ: Welche Voraussetzung braucht der Apotheker, um die neue Bestellplattform zu nutzen?

Menk: Damit die Apotheke ihr Sortiment aus der Warenwirtschaft heraus im Internet anbieten kann, braucht sie einen Webshop. Der Webshop macht das Angebot der Apotheke online verfügbar. Auf dieser technologischen Basis entwickeln wir unsere Plattform. Wenn die Apotheke bereits einen anderen Webshop von einem unserer Partner hat, wie zum Beispiel CallmyApo von Noventi, mea von Sanacorp oder einen Gesund-Leben-Shop von Gehe, kann sie sicher sein, dass wir sie damit an unsere Plattform andocken können. Das gleiche gilt aber auch für jeden anderen Webshop, sofern der Anbieter eine Schnittstelle zur Verfügung stellt.

PZ: Sie entwickeln die Plattform ja noch, was kann der Apotheker derzeit schon tun?

Menk: Er kann sich mit einer der erwähnten Shops in die Digitalisierung einarbeiten. Wenn wir unsere Lösung dann freischalten, gibt es eine gemeinsame Plattform, mit der Kunden auf alle angeschlossenen Apotheken zugreifen können. Das ist vergleichbar mit der Hotelbranche, wo Plattformen wie booking.com dem Kunden die Buchung bei allen teilnehmenden Hotels ermöglichen. Wir machen das, weil der Kunde das will. Für ihn ist durch unsere Plattform jede Apotheke gleichermaßen sichtbar. Und das ist unser Ziel: Jeder Apotheke die Plattform bieten, um vom Kunden online gefunden zu werden.

PZ: Ist die Plattform zurzeit bereits mit den gängigen Warenwirtschaftssystemen der Apotheke kompatibel?

Menk: Wir arbeiten gerade daran. Wenn unsere Lösung startet, wird es aber sicher möglich sein, sofern die Warenwirtschaftssysteme das zulassen. Die technische Schnittstelle herzustellen, ist kein Problem. Das setzt jedoch die Bereitschaft der Softwarehersteller voraus, die Apotheken anzubinden. Wir sind im Gespräch mit dem ADAS - Bundesverband Deutscher Apotheken-Softwarehäuser und unterstützen diesen darin, eine einheitliche Webshop-Schnittstelle zu definieren, damit der Apotheker nicht die Warenwirtschaft wechseln muss, um bei unserer Plattform mitzumachen. Dies kann auch nicht im Interesse der Softwareanbieter sein. Mit der ADAS-Web-Schnittstelle wären alle andockbar, vergleichbar mit einer Schnittstelle zum Großhandel oder zum Kommissionierer.

PZ: Wie sieht der zeitliche Plan für die Einführung der Plattform aus?

Menk: Wir werden auf der Expopharm vorstellen, wie unsere Lösung aussieht. Derzeit wird viel über Digitalisierung in der Apotheke gesprochen. Doch in der »normalen« Apotheke vor Ort kommen nur wenige digitale Bestellungen an. Relevant wird das Thema für die Kunden erst dann, wenn das E-Rezept kommt, also voraussichtlich ab Mitte 2020. Jetzt einzusteigen als Plattform – wohlgemerkt nicht als einzelne Apotheke – halten wir für den falschen Zeitpunkt. Damit würden wir bei den Apothekern Erwartungen wecken, die nicht zu halten sind. Heute eine bundesweite Plattform-Marke aufzubauen ergibt keinen Sinn, wenn der Kunde erst im nächsten Jahr versteht, wofür er sie brauchen wird.

PZ: Der Plan ist demnach die Apotheken jetzt so aufzustellen, dass sie für das E-Rezept gewappnet sind?

Menk: Das E-Rezept wird den Weg des Rezepts in die Apotheke nachhaltig verändern. Wir wollen den Apotheker mit auf die Reise nehmen. Bis das E-Rezept in der Masse genutzt wird, soll er fit sein und quasi den E-Rezept Führerschein haben. Wir wollen das Apothekenteam technisch und inhaltlich so gut schulen, dass es das E-Rezept einfach bedienen kann und zwar egal, ob das E-Rezept persönlich in der Offizin, via Smartphone oder Web-Lösung eingelöst wird. Dazu braucht die Apotheke zunächst die technische Infrastruktur als Einzellösung, also zum Beispiel den Webshop. Ich kann nur jedem empfehlen, eine Shop-Lösung zu nutzen, um zu sehen, was eine digitale Bestellung für die Prozesse in der Apotheke bedeutet. Darauf muss man sich vorbereiten, denn die Zahl der Online-Bestellungen wird in Zukunft signifikant steigen, auch wenn das Papier-Rezept vorerst noch der Regelfall bleiben wird.

PZ: Wissen Sie, wie viele Apotheken in Deutschland bereits einen eigenen Webshop nutzen?

Menk: Nicht genau, ich würde sagen, dass es maximal 10 Prozent sind. Wie aktiv sie diese nutzen, weiß ich nicht. Ich schätze, wenn sie die Top 20 Versandapotheken streichen, ist der Umsatz am Gesamtmarkt zurzeit marginal.

PZ: Wort und Bild hatte im Oktober 2018 die Mehrheit an der Webshop-Lösung Curacado erworben. Was hat sich seit dem bei Curacado getan?

Menk: Sehr viel. Wichtig ist die Technologie von Curacado. Sie ist nach dem Einstieg des Wort und Bild Verlags so ausgebaut worden, dass sie es erlaubt, auch bei maximaler Kapazitätsauslastung zu funktionieren. So können zum Beispiel Kunden in mehreren tausend Apotheken individuell und parallel auf einen Artikelstamm mit PZN von mehr als 120.000 Produkten zugreifen. Jede Apotheke kann auch ihre eigenen, exklusiven Produkte einpflegen. Curacado wurde so konzipiert, dass es die technische Basis für unsere Plattform sein wird.

PZ: Welche weiteren Funktionen soll die Plattform bieten?

Menk: Auch Lösungen zur Chroniker-Versorgung und der Medikationsplanung sollen integriert werden. Es wird auch eine Stammapotheken-Funktion geben, weil wir wissen, wie wichtig dem Patienten die persönliche Bindung zu seiner Apotheke ist. Zudem ist eine sichere Chat-Funktion integriert, denn das meistgenutzte Instrument zwischen Apotheker und Kunde ist heute WhatsApp – übrigens auch in Arztpraxen. Wenn wir eine Funktion anbieten, wo der Kunde nicht mit dem Roboter, sondern mit der Frau Maier aus seiner Stammapotheke chatten kann, dann ist das ein enormer Mehrwert.

PZ: Wie wollen Sie die Anwendung für den Kunden zu einer bekannten Marke machen?

Menk: Wenn wir eine bundesweite Marke aufbauen wollen, die auch wirklich wahrgenommen wird, werden wir dafür hohe Beträge investieren müssen. Das gilt nicht nur für uns, jeder andere müsste das gleiche tun. In unserer Gesellschafterstruktur haben wir außerdem gute Möglichkeiten, den Endkunden zu erreichen. Media kann ja auch bedeuten, über 19.300 Schaufenster aktiv zu nutzen. Damit kann man eine Menge erreichen, aber das wird nicht ausreichen. Unsere Marke wird auch außerhalb der Apotheke wahrnehmbar sein müssen. Und die Message für den Kunden ist: Keine Lösung kann besser sein als eine mit allen Apotheken vor Ort.

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