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Aus Angst vor Corona

Gefährlicher Fehlgebrauch von Desinfektionsmitteln

Um sich vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen, verwenden viele US-Amerikaner Desinfektions- und Reinigungsmittel offenbar auch gesundheitsgefährdend. Aus einer CDC-Umfrage geht hervor: Sie trinken die Mittel zum Teil, inhalieren sie oder behandeln ihre Lebensmittel damit.
Carolin Lang
10.06.2020  16:12 Uhr

Die »Centers for Disease Control and Prevention« (CDC) führten im Mai 2020 eine Online-Umfrage durch und deckten dabei einige Wissenslücken zur sicheren Anwendung von Desinfektionsmitteln unter den 502 teilnehmenden erwachsenen US-Amerikanern auf. Auslöser für die Umfrage war die Zunahme eingehender Anrufe bei den Giftnotrufzentralen in Bezug auf Desinfektions- und Reinigungsmittel. US-Präsident Trump hatte zuvor die intravenöse Anwendung von Desinfektionsmittel zur Bekämpfung von Covid-19 propagiert.

39 Prozent der Umfrageteilnehmer verwendeten die Desinfektions- und Reinigungsmittel nicht bestimmungsgemäß: Es kam zur Anwendung von Bleichmitteln auf Lebensmitteln wie Obst und Gemüse, zum Auftragen von Haushalts-Reinigungsmitteln auf die Haut sowie zum absichtlichen Inhalieren beziehungsweise Einnehmen solcher Produkte. Befragte, die solche Praktiken ausgeübt hatten, berichteten vermehrt von gesundheitsschädlichen Wirkungen.

Insgesamt berichtete ein Viertel von mindestens einer nachteiligen Auswirkung auf die Gesundheit, die ihrer Meinung nach auf die Verwendung von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln zurückzuführen war. Dazu gehörten Reizungen von Nase, Nasennebenhöhlen, Augen oder Haut sowie Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Magenverstimmung, Übelkeit oder Atembeschwerden.

»Diese Praktiken stellen ein Risiko für schwere Gewebeschäden und ätzende Verletzungen dar und sollten strikt vermieden werden«, heißt es seitens der CDC. Die Öffentlichkeit solle daher über sichere und wirksame Reinigungs- und Desinfektionspraktiken informiert werden – zum einen, um Schäden durch unsachgemäße Verwendung zu vermeiden, zum anderen, um eine Übertragung von SARS-CoV-2 in Haushalten effektiv zu verhindern.

Auch in Deutschland scheint der Fehlgebrauch von Desinfektionsmitteln zuzunehmen – wenn auch nicht mit Absicht: »Ähnliche Fälle können wir im Giftnotruf München nicht bestätigen. Wir haben zwar insgesamt deutlich mehr Anfragen zu Expositionen gegenüber Desinfektionsmittel, dies sind aber fast ausschließlich akzidentielle Expositionen bei Kindern«, äußerte sich der Giftnotruf München gegenüber der PZ.

Und auch beim Giftnotruf Erfurt klingelt das Telefon häufiger, als vor Beginn der Coronavirus-Pandemie. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hätten die Anfragen bezüglich Haut- und Flächendesinfektionsmittel einschließlich Desinfektionsreiniger zugenommen: Im Zeitraum von März bis Juni 2019 gingen 153 Anfragen ein, von März bis 12.06.2020 hingegen 211 Anfragen. »Der Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass solche Mittel derzeit überall präsent sind. Entsprechend treten auch die »üblichen Unfälle« häufiger auf. Zu den üblichen Unfällen gehören versehentliches Trinken insbesondere durch Kinder beziehungsweise Senioren sowie Augenexpositionen. Besonders ungünstig wirkt sich dabei die freie Zugänglichkeit von Desinfektionsmitteln aus«, erläuterte der Giftnotruf Erfurt gegenüber der PZ. Fälle von absichtlicher Ingestion zur »innerlichen Desinfektion« seien bisher nicht zur Anfrage gekommen.

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