Fokus auf Amyloid und Tau-Fibrillen |
Für die bisher bekannten therapeutischen Ansätze ist es wichtig, dass die Alzheimer-Demenz frühzeitig erkannt wird. Bildgebende Verfahren mittels PET oder MRT, Liquor- und genetische Untersuchungen, aber auch neuere und relativ einfache Blutanalysen ermöglichen inzwischen eine frühe Diagnosestellung. Dies eröffnet die Option, Patienten frühzeitig prophylaktischen oder therapeutischen Maßnahmen zuzuführen.
Wenn Patienten Symptome einer MCI aufweisen oder solche, die auf eine Alzheimer-Demenz hindeuten, kann in Blutproben auf Biomarker wie Aβ42, Aβ40 und pTau217 getestet werden. Diese gelten als charakteristisch für eine Alzheimer-Erkrankung und ermöglichen eine Abschätzung der pathologischen Situation des Patienten, die dann die weitere Diagnostik und Therapie mitbestimmt (61).
Bei einem Biomarker-Ergebnis, das als mittleres Risiko oder als »Grauzone« eingestuft wird, folgen Liquor- oder PET-Analysen. Für den Nachweis von Aβ-Plaques und Tau-Neurofibrillen mittels PET-Imaging gibt es verschiedene Radiopharmazeutika wie 18F-Florbetaben oder 18F-Flortaucipir, die das Blutprobenergebnis bestätigen können. Die Aβ- und Tau-Werte aus Liquoranalysen korrelieren stark mit denen der PET-Messungen, sodass nicht beide Methoden an demselben Patienten erforderlich sind.
Mit dieser Stratifizierung und der bestätigten Alzheimer-Diagnose kann anschließend die adäquate Pharmakotherapie gestartet werden (Abbildung 2) (62–64).
Abbildung 2: Schema einer Biomarker-basierten Alzheimer-Diagnostik. Patienten mit kognitiven Defiziten können auf Alzheimer-typische Biomarker im Blut getestet werden. Anhand des sich daraus ergebenden Risikos kann eine Alzheimer-Demenz (AD) ausgeschlossen oder durch eine anschließende Liquor-/PET-Analyse bestätigt werden. Basierend auf den Analysenergebnissen kann gegebenenfalls eine (Antikörper-)Pharmakotherapie eingeleitet werden. Modifiziert nach: DOI 10.1038/s43587-023-00403-3 / © PZ/Stephan Spitzer
Zudem muss eine bessere Differenzierung der Patientengruppen erfolgen, zum Beispiel über eine Stratifizierung der genetischen Risikofaktoren. So besteht bei Trägern des Risikogens Apoε4 ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Amyloid-Plaque-Reduktion und dem Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten (65). Pharmakogenomische Untersuchungen könnten also die Patienten identifizieren, die besonders gut auf die Amyloid-Antikörpertherapie ansprechen sollten – allerdings auch ein erhöhtes Risiko für ARIA mitbringen (65, 66).
Auch die vielfältigen genetischen und Umweltrisiken der Alzheimer-Demenz selbst müssen weiter erforscht werden, da immer noch nicht geklärt ist, wie es genau zum Ausbruch und Fortschreiten der Erkrankung kommt. Viele Risiken können durch Lebensstilmaßnahmen abgemildert werden (25). Physiologische (Sehschwäche, Hörverlust), psychische (Depressionen) oder externe Bedingungen wie soziale Isolation können – vor allem kombiniert – zu einer kognitiven Verarmung führen. Fehlen längerfristig wichtige »Inputs«, die man sonst durch Lesen, Diskutieren, Unterhaltung oder kognitive Herausforderungen erlangt, steigt das Alzheimer-Risiko bedeutend.
Neben der beeinträchtigten kognitiven Stimulierung zählen auch körperliche Erkrankungen (metabolisches Syndrom) sowie Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum zu den größten Risiken für die Entstehung der Alzheimer-Demenz (Kasten). Auch die Vermeidung von Infektionen durch Impfung kann das Demenzrisiko beeinflussen (67); tatsächlich verschlechtern Erkrankungen wie Grippe, Covid-19 oder Herpes zoster nicht nur akut die Demenzsymptomatik, sondern begünstigen auch die weitere kognitive Verschlechterung und erhöhen die Mortalität.
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Die Lancet-Kommission zur Prävention, Intervention und Pflege von Demenz hat kürzlich in einer Studie die Zahl der Demenzrisikofaktoren auf 14 erhöht (DOI: 10.1016/S0140-6736(24)01296-0). Neu hinzugekommen sind abnehmendes Sehvermögen und zu hohe LDL-Cholesterolwerte. Die Risikofaktoren im Überblick:
Dass Maßnahmen zur Risikominderung und Frühinterventionen durchaus signifikante Effekte bringen können, belegen jüngste Erkenntnisse aus genetischen Studien. In Familien mit Presenilin-Mutationen, die in aller Regel und unvermeidlich zu einem frühen Ausbruch der Alzheimer-Demenz führen, wurden Menschen identifiziert, die trotz der Mutation nicht erkranken (68). Auch die Ernährung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Demenzentwicklung und zwar unabhängig vom genetischen Risiko, wie Studien zu Effekten der mediterranen Diät immer wieder belegen (69).
Solche präventiven Maßnahmen und daraus abgeleitete schützende Mechanismen sind wegweisend für künftige effektive Therapieansätze zur Prophylaxe und Behandlung von Alzheimer-Patienten (70).
Carsten Culmsee studierte Pharmazie in Marburg und wurde dort 1997 am Institut für Pharmakologie und Toxikologie promoviert. Nach einem Postdoc-Aufenthalt mit DFG-Stipendium am Sanders Brown Research Center on Aging an der University of Kentucky, Lexington, USA, einer Tätigkeit als Gruppenleiter und Dozent an der Universität Marburg (2000 bis 2003) und am Zentrum für Arzneimittelforschung der Universität München (bis 2007) kehrte er 2007 als Professor für Klinische Pharmazie an die Universität Marburg zurück. Zudem ist er Prodekan des Fachbereichs Pharmazie.
Jana Fedjaev studierte Pharmazie an der Universität Münster. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, begann sie 2024 ihre Promotion in der Arbeitsgruppe von Professor Culmsee am Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie der Philipps-Universität Marburg. Zudem ist sie als Apothekerin in der Apotheke am Ludwigsplatz in Gießen tätig.
Hanna Rosemarie Hofmann studierte von 2019 bis 2024 Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg und schließt das Studium im Oktober 2024 mit dem 2. Staatsexamen ab. Im Wahlpflichtfach »Klinische Pharmazie« erstellte sie einen Essay zum Thema »Amyloid-Beta bei Alzheimer-Erkrankung und Impfstoffe gegen Alzheimer«.
Johanna Lücke studierte von 2019 bis 2024 Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg und war von 2023 bis 2024 auch als studentische Hilfskraft tätig. Im Oktober 2024 schließt sie das Studium mit dem 2. Staatsexamen ab. Im Wahlpflichtfach »Klinische Pharmazie« erstellte sie einen Essay zum Thema »Neue Behandlungsansätze für Tauopathien bei Morbus Alzheimer«.