»Falsch und systemverändernd« |
Ursula Funke forderte bei der heutigen Kammerversammlung der LAK Hessen mit Nachdruck, den Paragraph 78 Abs. 1 Satz 4 im Arzneimittelgesetz zu belassen und nicht in das Sozialrecht zu überführen. / Foto: LAK Hessen
Dass sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seinen Fraktionskollegen gegenüber äußerte, er wäre sich mit der Apothekerschaft einig, und so Misstrauen im Dreieick Apothekerschaft, Standesvertretung und Gesundheitspolitiker säte, erschwert die Konsensfindung bezüglich des Referentenentwurfs zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke. »Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber man muss bei der Wahrheit bleiben«, wählte Funke deutliche Worte in ihrer chronologischen Berichterstattung der politischen Ereignisse.
»Die Apothekerschaft fordert eine ehrliche Diskussion. Wir begrüßen zwar das Vorhaben der Bundesregierung, die Vor-Ort-Apotheken zu stärken. Doch diesem Ziel wird der Referentenentwurf nicht gerecht. Wir fordern, den Paragraphen 78 Abs. 1 Satz 4 unangetastet zu lassen, weil nur so eine Regelung erreicht werden kann, die dem im Koalitionsvertrag vorgesehen Rx-Versandhandelsverbot annähernd entspricht.« Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, verabschiedeten die Delegierten einstimmig eine Resolution mit der Bundesregierung als Adressaten.
Funke wies darauf hin, wie wichtig es ist, mit dem Bundesgesundheitsministerium weiterhin im Gespräch zu bleiben und als verfasste Apothekerschaft seine Meinung mit deutlichen und klaren Worten kundzutun. Der Streichung des Paragraphen 78 aus dem Arzneimittelgesetz irgendwann zuzustimmen, kann sich Funke nicht vorstellen, zu existenziell seien die Auswirkungen.
Die Landesapothekerkammer Hessen fordert bei der Delegiertenversammlung am 18. Juni 2019 in Eschborn von der Bundesregierung Maßnahmen zur uneingeschränkten Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.
Um die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Apotheke vor Ort zu erhalten, ist die Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei der Abgabe an jeden Patienten in Deutschland unerlässlich. Die Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer Hessen – die gewählten Vertreter der rund 6300 hessischen Apothekerinnen und Apotheker - halten daher die im Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Apotheke vor Ort vorgesehene Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG für falsch und systemgefährdend.
Die Delegiertenversammlung fordert die Bundesregierung auf, § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG nicht zu ändern. Durch eine ausschließliche Überführung dieser Regelung in das SGB V gilt die Preisbindung nur für gesetzlich Versicherte und greift nicht mehr für Privatversicherte und Beihilfeberechtigte. Die Versorgung der Patienten würde damit zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden. Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist die Grundlage für Arzneimitteltherapiesicherheit und die schnelle, sichere und flächendeckende Versorgung vor Ort.
Daher fordert die Landesapothekerkammer Hessen von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu dieser bewährten Struktur und fordert sie auf, mit dem vorgesehen Gesetz zur Stärkung der Apotheke vor Ort auch wirklich die Apotheke vor Ort zu stärken und Maßnahmen zur Sicherung der Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu ergreifen. Grundlage hierzu ist der Erhalt der Regelung im Arzneimittelgesetz.
Sollte die Bundesregierung diese Einwände nicht berücksichtigen hält die Delegiertenversammlung an der für die Gleichpreisigkeit sichersten Lösung fest, verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versandhandel auszuschließen.
Sollte die Bundesregierung die genannten Einwände nicht berücksichtigen, hält die Delegiertenversammlung an der für die Gleichpreisigkeit sichersten Lösung fest, verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versandhandel auszuschließen.
Durch die vorgesehene Paragraphen-Streichung und die Überführung dieses Passus in das Fünfte Sozialgesetzbuch SGB V würde der Grundsatz der Gleichpreisigkeit beim Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus dem Ausland für alle krankenversicherten und Selbstzahler aufgegeben und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährdet. Die Preisbindung würde dann nämlich nur für gesetzlich Versicherte und nicht mehr für Privatversicherte und Beihilfeberechtigte greifen. Die Versorgung der Patienten würde zum Spielball wirtschaftlicher Interessen.
Ziel des Referentenentwurfs ist es, das Verbot von Preisnachlässen auf verschreibungspflichte Medikamente im SGB V zu verankern, um ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission zu umgehen, erklärte Funke. Diese sieht in der entsprechenden Vorschrift im Arzneimittelgesetz (AMG) eine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Union und dängt die Bundesrepublik bereits seit 2013 dazu, den Passus im AMG, der die Preisbindung auf Versender mit Sitz im EU-Ausland ausweitet, zu kippen. Vor der EU-Ratspräsidentschaft möchte die Bundesrepublik sämtliche Vertragsverletzungen beendet wissen, mutmaßte Funke.
Mit der Streichung des §78 aus dem AMG nimmt sich die Bundesrepublik Deutschland gleichzeitig die Chance, gab Funke zu bedenken, das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen die europäische Kommission für sich zu entscheiden, da durch die Streichung das Verfahren erledigt wäre.
Auch ist Funke der Meinung, dass die des Weiteren im Referentenentwurf geplanten Honorierungen und Dienstleistungen diese Schwächung der Vor-Ort-Apotheke nicht abfangen können. Funke: »Pharmazeutische Dienstleistungen sind wichtig und richtig, aber nur in einem funktionierenden System. Dienstleistungen können niemals eine Kompensation von Gleichpreisigkeit sein.« Zumal der Honorartopf dafür im Referentenentwurf schon wieder geschmälert worden sei. Funke forderte überdies eine klare Trennung von Strukturfrage und Dienstleistungssektor.
Und auch den Botendienst attraktiver gestalten und als dritte Versorgungsform etablieren zu wollen, bezeichnete Funke als Augenwischerei. Mit dem Botendienst neben der Präsenzapotheke und Versandhandel darf dann kein eigenes Regelungsregime entstehen, das die Vor-Ort-Apotheken auf Arzneimittellager reduziere oder die Grenzen zwischen Offizin und Versandapotheke verwische. »Telepharmazeutische Beratung könnte dann auch von Holland zugeschaltet werden«, warnte Funke. »Auf solche Angebote gilt es sehr vorsichtig zu reagieren und besser die Leitplanken einzuziehen. Unser derzeitiger Botendienst funktioniert hervorragend.«
Mehr noch als mit den Politikern in Berlin gilt es jetzt laut Funke, das Gespräch mit den Abgeordneten vor Ort im eigenen Wahlkreis zu suchen und die Auswirkungen unterschiedlicher Preise zu diskutieren. Der persönliche Kontakt zähle.
Mit dem gerade ergangenen Urteil zu geringfügigen Werbegaben hat der Bundesgerichtshof den Apothekern vor Ort eine einmalige Chance eröffnet, zu verdeutlichen, dass gerade verschreibungspflichtige Arzneimittel Waren besonderer Art sind, für die es auch im Umgang mit ihnen besondere Bestimmungen gibt. »Das ist wie ein Ball vorm freien Tor, mit den Patienten ins Gespräch zu kommen und ihnen zu erklären, warum bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Sinne und zum Wohle des Patienten gleiche Preise wichtig sind und es keine Zugaben mehr gibt. Die Apotheker müssen es aber auch gemeinsam leben!«