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Georg Engel

Unsere Verhandlungsmöglichkeiten sind begrenzt

Im geplanten Apotheken-Stärkungsgesetz sind wichtige Forderungen der Apotheker nicht umgesetzt worden. Das ist schmerzlich, sollte aber nicht dazu führen, dass die Apothekerschaft den Dialog mit der Politik beendet. Das betonte Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, bei deren Kammerversammlung in Schwerin.
Annette Mende
27.06.2019  15:20 Uhr

Angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz durch ausländische Versandapotheken sehen sich die Apotheker in Deutschland zunehmend in der Defensive. Ihre Kernforderung – gleiche Preise für verschreibungspflichtige Medikamente in Vor-Ort-Apotheken, inländischen und ausländischen Versandapotheken – wird vom Arzneimittelgesetz (AMG) garantiert, genauer gesagt von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG. Allerdings sieht der derzeit diskutierte vorläufige Kabinettsentwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz vor, genau diesen Satz zu streichen.

»Aufgrund dieses Paragrafen hatten wir bislang gehofft, in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit ausländischen Versandapotheken die Frage der Preisbindung noch einmal dem Europäischen Gerichtshof vorlegen zu können, und die Möglichkeit durchaus als realistisch gesehen, dass der EuGH zu einem anderen Urteil kommt als im Oktober 2016«, sagte Engel. Die Bundesrepublik Deutschland sei jedoch im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens beklagt und aufgefordert worden, diesen Satz aus dem AMG zu streichen, weil er den freien Warenverkehr behindere.

Infolgedessen pochten jetzt nicht nur das Bundesgesundheitsministerium, sondern auch das Bundeskanzleramt, das Justiz- und das Wirtschaftsministerium auf die Streichung des Passus, um den Rücken in europarechtlicher Hinsicht frei zu haben. »Wir haben in der ABDA-Mitgliederversammlung am 2. Mai explizit gefordert, diesen Paragrafen nicht zu streichen, doch wir werden damit wahrscheinlich keinen Erfolg haben«, sagte Engel. Das sei unter anderem deshalb bedauerlich, weil auch die Gerichtsverfahren, die die Kammer Nordrhein schon mehrfach gegen Doc Morris angestrengt und die die Kammer bisher immer gewonnen habe, auf dieser Regelung beruhten. Falle dieser Satz weg, seien entsprechende Rechtsstreite im Wettbewerbsrecht statt wie bisher im Verwaltungsrecht angesiedelt und hier habe die Kammer nur sehr beschränkte Aktionsmöglichkeiten.

Von Anfang an hatten die Apotheker klar gemacht, dass der Erhalt der Gleichpreisigkeit durch § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG für sie eigentlich nur die zweitbeste Lösung darstellt und dass ein Verbot des Versands mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RxVV) aus ihrer Sicht am besten geeignet wäre, die Diskriminierung inländischer Apotheken gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland zu beenden. Doch dieses Vorhaben scheint derzeit absolut chancenlos zu sein.

Kein politischer Wille für das Rx-Versandverbot

»Es ist bei den Politikern der Wille erkennbar nicht vorhanden, den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verbieten«, sagte Engel. In den zweieinhalb Jahren seit dem Urteil des EuGH habe keiner außer dem damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen ernsthaften Versuch unternommen, das RxVV umzusetzen. Nicht nur Gröhes Nachfolger im Amt, Jens Spahn (CDU), lehne das Verbot ab, sondern auch das Bundeskanzleramt und erst recht das Wirtschaftsministerium. »Und man hat manchmal den Eindruck, dass die Abgeordneten, die sich jetzt noch ab und zu für ein RxVV zu Wort melden, das in dem Wissen tun, dass sie nicht in die Gefahr kommen werden, das einmal umsetzen müssen«, merkte Engel an.

»Unsere Verhandlungs- und Gesprächsmöglichkeiten mit der Politik sind sehr begrenzt. Wir sind eben keine Verhandlungspartner, sondern die ABDA ist einer von mehreren Verbänden, die im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren angehört werden«, sagte Engel. Nichtsdestotrotz wolle man das Verfahren weiter konstruktiv begleiten, denn der Gesetzentwurf enthalte auch Positives: «Wir glauben, dass das Verbot von Makeln, von Zuweisungen und von Selektivverträgen sowie Regeln zur pharmazeutischen Dienstleistung wichtiger sind als etwas zu verlangen, von dem kaum noch jemand glaubt, dass wir es wirklich erreichen können.«

Diese Art von Realismus scheint für manchen enttäuschten Standesvertreter zu viel verlangt, wie entsprechende Verlautbarungen aus einzelnen Mitgliedsorganisationen der ABDA zeigen. Hierzu sagte Engel: »Die meisten dieser Entscheidungen, die jetzt in einem dreiviertel Jahr zu diesem Thema ergangen sind, sind mit großer Mehrheit, oft einstimmig, manchmal mit sehr wenigen Gegenstimmen, akzeptiert worden. Es ist schon befremdlich, wenn Kammern, die auf der ADBA-Mitgliederversammlung für die entsprechenden Verhandlungspositionen gestimmt haben, anschließend in ihren Mitgliederversammlungen den Rücktritt des ABDA-Präsidenten oder des Präsidiums fordern

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