Evidenzbasierte Empfehlungen zur Gicht veröffentlicht |
Kerstin A. Gräfe |
16.09.2024 16:18 Uhr |
Vor diesem Hintergrund differierten die Meinungen von Allgemeinmedizinern und Rheumatologen zum Zielwert der Serumharnsäure. Aus rheumatologischer Sicht sei eine Treat-to-Target-Strategie empfehlenswert, bei der eine medikamentöse Senkung der Serumharnsäure auf Werte unter 6 mg/dl Blut angestrebt wird. »Die Senkung der Serumharnsäure muss zielgerichtet erfolgen, um weitere Gichtanfälle zu vermeiden beziehungsweise weitere Gelenkzerstörungen zu reduzieren. Zudem möchten wir damit die Funktionalität und Lebensqualität der Betroffenen erhalten«, so Kiltz.
Hingegen sollte den Allgemeinmedizinern zufolge nicht grundsätzlich eine Treat-to-Target-Strategie verfolgt werden. Sie sprechen sich für ein patientenzentriertes, an das individuelle Risiko und die Gichtlast adaptiertes Vorgehen aus. Dementsprechend findet sich der Leitlinie ein Sondervotum der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), das diese Auffassung abbildet.
In allen anderen Punkten herrschte Einigkeit. Insgesamt umfasst die neue Leitlinie 25 Empfehlungen, die sich mit Bereichen wie Diagnostik, Behandlung des akuten Gichtanfalls sowie Komorbiditäten und Lebensstil befassen. Für die Diagnostik habe die Leitliniengruppe festgehalten, dass die klinische Einschätzung ausreichend ist, sofern es keine Hinweise auf andere Differenzialdiagnosen gibt. Ganz wichtig: »Wenn sich die Symptomatik des akuten Gichtanfalls nicht schnell beheben lässt, muss eine Reevaluation angestrebt werden, um die Diagnosesicherheit zu erhöhen«, sagte die Rheumatologin.
Im akuten Gichtanfall empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten wie Colchicin, Glucocorticoiden oder nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Die Auswahl des Medikaments sollte in Abhängigkeit von Komedikation, Komorbiditäten und Kontraindikationen erfolgen.
Die Leitliniengruppe empfiehlt ausdrücklich, Patienten beim ersten Gichtanfall über alle therapeutischen Optionen aufzuklären, inklusive medikamentöser Senkung der Serumharnsäue und je nach Behandlungssetting und Patientencharakteristika der Einleitung einer harnsäurebindenden Therapie. Letztere sollte in der Regel mit einem Xanthinoxidase-Inhibitor erfolgen.