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SARS-CoV-2

Escape-Varianten unempfindlich gegen Covid-Antikörper?

Coronaviren mutieren zwar weniger, als es bei anderen Viren, insbesondere anderen RNA-Viren, der Fall ist. Doch je länger es dauert, eine Population durchzuimpfen, desto größer ist die Gefahr, dass neue, noch gefährlichere Virusvarianten entstehen, die nicht auf einige der Covid-19-Medikamente reagieren, die noch in der Entwicklung sind.
Theo Dingermann
13.04.2021  15:30 Uhr

Schon lange gibt es Hinweise, dass bestimmte SARS-CoV-2-Varianten einer bestehenden oder induzierten Immunität, die Menschen durch Krankheit oder Impfung erworben haben, entkommen können. Besonders die Varianten B.1.351  aus Südafrika und P.1 aus Brasilien könnten sich als effiziente Escape-Mutanten erweisen. Diesem Problem widmeten sich Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen. Die Gruppe um Markus Hoffmann, Prerna Arora und Rüdiger Groß publizierten ihre neuen Erkenntnisse jetzt in dem Top-Journal »Cell«.

Mittels Pseudopartikeln gelang es den Wissenschaftlern zu zeigen, dass zunächst einmal für alle Varianten der Eintritt in menschliche Zellen durch bestimmte Eintrittsinhibitoren verhindert werden kann. Zu diesen Enty-Inhibitoren zählen ein Überschuss an löslichem ACE2, Camostat, das die Serin-Protease TMPRSS2 hemmt; außerdem der Pan-Coronavirus Fusionsinhibitor EK-1 und dessen Lipopeptid-Variante EK-1-C4

Im Gegensatz dazu konnten die zur frühen Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen eingesetzten monoklonalen Antikörper Casirivimab und Bamlanivimab den Eintritt der Varianten B.1.351 und P.1 nur teilweise oder gar nicht blockieren. Außerdem verhielten sich diese beiden Varianten deutlich resistenter gegenüber Plasma von rekonvaleszenten Covid-19-Patienten und gegenüber Personen, die mit Tozinameran (Comirnaty®), dem Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer, geimpft worden waren.

Diese Ergebnisse deuten an, wie gefährlich diese Mutanten sind, da sie zumindest die Tendenz zeigen, der Wirkung neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu entkommen.

Dem Virus keine Chance zur Mutation geben

In einer jetzt veröffentlichten Pressemitteilung wiesen die Göttinger Wissenschaftler auf die derzeit besonders gefährliche Situation hin. Ein Problem ergibt sich dadurch, dass es länger dauert, als viele gehofft hatten, den Großteil der Bevölkerung gegen das gefährliche Virus zu impfen und damit vor einer Infektion zu schützen. Denn die Zeit arbeitet für das Virus, das inzwischen mehrfach mutiert ist. Escape-Varianten wie die drei Vertreter der »besorgniserregenden Virusvarianten« (Variants of Concern), zu denen neben B.1.351 und P.1 auch die britische Variante B.1.1.7 gehört, können besonders leicht dann entstehen, wenn sich das Virus in einer Bevölkerung mit unvollständigem Immunschutz ausbreitet.

In einer Bevölkerung mit einem nur unvollständigen Grad an Immunität hätten Escape-Varianten bei vergleichbarer Infektiosität einen Vorteil gegenüber dem Ursprungsvirus, erläutern Pöhlmann und Hoffmann gegenüber dpa. Die Escape-Variante würde dann relativ schnell dominant, wie sich an der brasilianischen Variante P.1 in Brasilien jetzt zeigt.

Falls in einer Bevölkerung kaum Immunität gegen SARS-CoV-2 vorherrscht, wie dies derzeit fast überall auf der Welt der Fall ist, stehe eine Escape-Variante in direkter Konkurrenz mit den vorherrschenden Virusvarianten, die ihrerseits noch genügend empfängliche Wirte vorfänden. »Eine Escape-Variante würde sich nur dann großflächig durchsetzen, wenn sie auch besser übertragbar wäre«, erläutern die Wissenschaftler.

Dass jetzt gezeigt werden konnte, dass einzelne der noch sehr überschaubaren Interventionen für die Varianten B.1.351 und P.1 teilweise oder komplett versagen, zeigt die Brisanz der Situation. Noch scheinen die vorhandenen Impfstoffe zu wirken, auch wenn sich andeutet, dass die Wirkung gegen diese Varianten schwächer ist als gegen aus Ursprungsvirus. Um der Entwicklung hin zu noch gefährlicheren Virusvarianten bei einer relativen Impfstoffknappheit entgegenzuwirken, muss alles darangesetzt werden, die Verbreitung der Viren bestmöglich zu kontrollieren – auch und nicht zuletzt durch Einhalten der AHA-Regeln.

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