Entzündungshemmer wirken antidepressiv |
Die Indizien mehren sich, dass bei Depression auch eine Entzündung eine Rolle spielen kann. / Foto: Getty Images/Sciepro/Science Photo Library
Dass an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression entzündliche Prozesse beteiligt sein könnten, wird in der Fachwelt seit einiger Zeit diskutiert. Hinter dieser Annahme stecken Ergebnisse aus Beobachtungsstudien, in denen bei depressiven Patienten erhöhte Spiegel von proinflammatorischen Botenstoffen wie Interleukin (IL)-6, löslichem IL-2-Rezeptor, C-reaktivem Protein und Tumornekrosefaktor-α nachgewiesen wurden.
Die Entzündung scheint dabei ursächlich für die Depression zu sein, wie die Autoren der aktuellen Metaanalyse um Shuang Bai von der Huazhong University in Wuhan, China, im Fachjournal »Neuropsychiatry« ausführen. Als Beleg zitieren sie unter anderem eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011, der zufolge die IL-1β- und IL-6-Spiegel bei depressiven Patienten sanken, sobald diese auf eine antidepressive Therapie ansprachen. Dies ging mit einer Besserung der depressiven Symptomatik einher (»Neuropsychopharmacology«, DOI: 10.1038/npp.2011.132).
Vor diesem Hintergrund gab es bereits einige Studien, in denen der Effekt einer antientzündlichen Medikation bei Patienten mit Depression untersucht wurde. Diese hatten jedoch zum Teil widersprüchliche Ergebnisse, aus denen sich keine klare Aussage ableiten ließ. Die Forscher fassten daher jetzt 26 randomisierte, placebokontrollierte Studien mit insgesamt 1610 Teilnehmern in einer Metaanalyse zusammen.
In den Einzelstudien war ein bunter Strauß an Wirkstoffen verwendet worden: nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Omega-3-Fettsäuren, Zytokininhibitoren, Statine, Corticosteroide, Minocyclin, Pioglitazon, Modafinil und N-Acetylcystein (NAC). Auch die zur Beurteilung der Wirkung verwendeten Skalen waren uneinheitlich, weshalb die Autoren als Vergleichsgröße die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) heranzogen.
Die Auswertung ergab, dass Antiphlogistika depressive Symptome stärker besserten als Placebo (SMD -0,55). Patienten sprachen um 52 Prozent besser auf die jeweilige Verum-Therapie an (RR 1,52) und erreichten um 79 Prozent häufiger eine Remission (RR 1,79). Subgruppenanalysen zeigten die beste Wirksamkeit für NSAR, Omega-3-Fettsäuren, Statine und Minocyclin. Auch in Kombination mit Antidepressiva waren Entzündungshemmer wirksam (SMD -0,70). Vier Studien, in denen Celecoxib mit einem Antidepressivum kombiniert worden war, zeigten eine stärkere Wirksamkeit dieser Kombination als des Antidepressivums allein.
Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden keine beobachtet; lediglich unter Statinen und NAC kam es zu gastrointestinalen Symptomen. Das mag erstaunen, liegt aber vermutlich an der mit vier bis zwölf Wochen recht kurzen Beobachtungszeit. Diese ist aus Sicht der Autoren wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ein Effekt der Therapie auf die Lebensqualität der Betroffenen nicht gemessen werden konnte.
Die Metaanalyse bringt nicht wirklich neue Erkenntnisse. Eine ganz ähnliche Metaanalyse über sämtliche Pharmaka, die irgendwie entzündungshemmend wirken, wurde gerade erst veröffentlicht und kommt zu ähnlichen Ergebnissen (»Acta Psychiatrica Scandinavica« 2019, DOI: 10.1111/acps.13016).
Skepsis bezüglich einer zu euphorischen Bewertung resultiert meinerseits aus dem Mixtum an unterschiedlichsten Substanzen, was zeigt, dass die Immunhypothese der Depression keinem klaren Konzept folgt und die Zusammenhänge zwischen Immunsystem und Depression weitgehend unverstanden sind. Skepsis resultiert ferner, da bekannt und inzwischen systematisch untersucht ist (»The British Journal of Psychiatry« 2015, DOI: 10.1192/bjp.bp.113.143701), dass neue Medikamente in den ersten, zumeist kleinen Studien fast immer deutlich positivere Ergebnisse bringen als in späteren (größeren) Replikationsstudien. Mit anderen Worten: Leider muss zumeist viel Wasser in den Wein gegossen werden.
Professor Dr. Tom Bschor
Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Schlosspark-Klinik Berlin