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Metaanalyse

Entzündungshemmer wirken antidepressiv

Sind NSAR die neuen Antidepressiva? Möglich wäre es, denn eine Metaanalyse zeigt jetzt, dass antientzündliche Arzneistoffe auch gegen Depression wirken. Die Theorie, wonach eine Entzündung in der Pathogenese der Depression eine Rolle spielt, bestätigt sich.
Annette Mende
29.10.2019  08:00 Uhr

Dass an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression entzündliche Prozesse beteiligt sein könnten, wird in der Fachwelt seit einiger Zeit diskutiert. Hinter dieser Annahme stecken Ergebnisse aus Beobachtungsstudien, in denen bei depressiven Patienten erhöhte Spiegel von proinflammatorischen Botenstoffen wie Interleukin (IL)-6, löslichem IL-2-Rezeptor, C-reaktivem Protein und Tumornekrosefaktor-α nachgewiesen wurden.

Die Entzündung scheint dabei ursächlich für die Depression zu sein, wie die Autoren der aktuellen Metaanalyse um Shuang Bai von der Huazhong University in Wuhan, China, im Fachjournal »Neuropsychiatry« ausführen. Als Beleg zitieren sie unter anderem eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011, der zufolge die IL-1β- und IL-6-Spiegel bei depressiven Patienten sanken, sobald diese auf eine antidepressive Therapie ansprachen. Dies ging mit einer Besserung der depressiven Symptomatik einher (»Neuropsychopharmacology«, DOI: 10.1038/npp.2011.132).

Vor diesem Hintergrund gab es bereits einige Studien, in denen der Effekt einer antientzündlichen Medikation bei Patienten mit Depression untersucht wurde. Diese hatten jedoch zum Teil widersprüchliche Ergebnisse, aus denen sich keine klare Aussage ableiten ließ. Die Forscher fassten daher jetzt 26 randomisierte, placebokontrollierte Studien mit insgesamt 1610 Teilnehmern in einer Metaanalyse zusammen.

Viele verschiedene Wirkstoffe

In den Einzelstudien war ein bunter Strauß an Wirkstoffen verwendet worden: nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Omega-3-Fettsäuren, Zytokininhibitoren, Statine, Corticosteroide, Minocyclin, Pioglitazon, Modafinil und N-Acetylcystein (NAC). Auch die zur Beurteilung der Wirkung verwendeten Skalen waren uneinheitlich, weshalb die Autoren als Vergleichsgröße die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) heranzogen.

Die Auswertung ergab, dass Antiphlogistika depressive Symptome stärker besserten als Placebo (SMD -0,55). Patienten sprachen um 52 Prozent besser auf die jeweilige Verum-Therapie an (RR 1,52) und erreichten um 79 Prozent häufiger eine Remission (RR 1,79). Subgruppenanalysen zeigten die beste Wirksamkeit für NSAR, Omega-3-Fettsäuren, Statine und Minocyclin. Auch in Kombination mit Antidepressiva waren Entzündungshemmer wirksam (SMD -0,70). Vier Studien, in denen Celecoxib mit einem Antidepressivum kombiniert worden war, zeigten eine stärkere Wirksamkeit dieser Kombination als des Antidepressivums allein.

Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden keine beobachtet; lediglich unter Statinen und NAC kam es zu gastrointestinalen Symptomen. Das mag erstaunen, liegt aber vermutlich an der mit vier bis zwölf Wochen recht kurzen Beobachtungszeit. Diese ist aus Sicht der Autoren wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ein Effekt der Therapie auf die Lebensqualität der Betroffenen nicht gemessen werden konnte.

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