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Gematik-Chef Leyck Dieken

»Ein Moratorium wäre das falsche Signal«

Die Ärzteschaft fordert derzeit ein Digitalisierungsmoratorium. Die Mediziner sehen beim E-Rezept, der elektronischen Patientenakte und der E-Krankschreibung noch zu viele offene Baustellen und wollen vorerst alle Entwicklungen auf Eis legen. Gematik-Chef Markus Leyck Dieken hat für diese Forderungen kein Verständnis – schließlich seien die Ärzte in alle Entscheidungen eingebunden gewesen.
Benjamin Rohrer
22.11.2021  14:00 Uhr

Trotz der Coronavirus-Pandemie hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine Pläne zur weiteren Digitalisierung des Gesundheitswesens in den vergangenen Monaten und Jahren vorangetrieben. Klar ist: Bei vielen Digital-Projekten hat Spahn seine Ziele nicht komplett umgesetzt. Das E-Rezept beispielsweise tritt am 1. Januar 2022 nur auf dem Papier in Kraft, in der Praxis werden die E-Verordnungen aufgrund von technischen Problemen (insbesondere in den Ärzte-Software-Produkten und beim Abrechnungsvorgang) allerdings so gut wie keine Rolle spielen. Trotz dieser Probleme wurden sehr viele Modernisierungsprozesse eingeleitet – wenn sich alle Prozessbeteiligten weiter engagieren, dürften Angebote wie das E-Rezept, die elektronische Patientenakte oder die elektronische Krankschreibung schon im kommenden Jahr versorgungsrelevant werden.

Die Ärzteschaft will jetzt aber auf die Bremse treten und vorerst all diese Entwicklungen stoppen. In einem Presse-Statement der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hieß es kürzlich: »Wir müssen beim Digitalisierungsprozess weg von dem Grundsatz, nur darauf zu schauen, was technisch möglich ist. Die derzeitige, technisch vollkommen unausgereifte Einführung von elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und E-Rezept zeigen, wie es eben nicht laufen darf.« Vor diesem Hintergrund sprechen sich KBV und KVen für ein einjähriges Moratorium aus.

Leyck Dieken: Ärzte-Rufe sind erstaunlich

Die vom Bundesgesundheitsministerium kontrollierte Gematik, die per Gesetz mit dem Bau dieser Digital-Produkte beauftragt wurde, hat wenig Verständnis für diese Forderungen. Gematik-Chef Markus Leyck Dieken erklärte gegenüber der PZ: »Ich halte die Rufe aus der Ärzteschaft für sehr erstaunlich. Der Übergang zur TI 2.0 wurde beispielsweise in der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen – alle Gesellschafter, also auch die Ärztevertretungen, stimmten zu. Hinzu kommt, dass die Standesorganisationen der Ärztinnen und Ärzte an vielen Produkten mitwirken. Für die Einführung, Spezifizierung und Zertifizierungen im Bereich der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind zum Beispiel die Bundesmantelvertragspartner verantwortlich und nicht die Gematik.«

Aus Leyck Diekens Sicht wäre ein Moratorium nicht sinnvoll. Schließlich laufen die von der Gematik entwickelten Produkte (beispielsweise die E-Rezept-App) bereits. Leyck Dieken rief die Gesellschafter der Gematik, dazu gehören neben dem BMG auch die Krankenkassen, Ärzte und Apotheker, dazu auf, künftig besser zusammenzuarbeiten. »Ich würde mich freuen, wenn die jeweils beteiligten Gesellschafter und Partner die Verantwortung gemeinsam tragen. Natürlich werden wir aber unsere Unterstützung noch weiter ausbauen und die Interessen der Gesellschafter entsprechend berücksichtigen. Zudem haben wir erst kürzlich bekanntgegeben, dass wir künftig eng mit der Ärztekammer Berlin kooperieren und die Kammer schon in die Designphase neuer Digital-Produkte einbinden. Nach sechzehn Jahren Gematik kommen in den nächsten Monaten mit der ePA und dem E-Rezept die ersten patientenzentrierten Produkte in den Markt. Es wäre das absolut falsche Signal, diese Entwicklung jetzt zu behindern oder zu stoppen.«

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