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Kommentar

Die wahren Digitalisierungsverweigerer

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert von der neuen Bundesregierung ein einjähriges »Digitalisierungsmoratorium«. Während die Apotheker an der E-Rezept-Einführung arbeiten und mit digitalen Impf- und Testnachweisen Versorgungsinnovationen leben, treten die Mediziner auf die Bremse. Die Politik sollte den Ärzten mit einer klaren Ansage begegnen, meint PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Benjamin Rohrer
25.10.2021  18:00 Uhr

Jahrelang gingen EU-Versandhändler mit der Aussage hausieren, dass die Apothekerschaft die Digitalisierung verhindern wolle. Schon damals war diese Behauptung faktisch falsch, schließlich arbeiten die Apotheken bereits seit Jahren hochdigitalisiert (Großhandelsbestellungen, Kunden-Apps, digitale Warenwirtschaft, etc.). Zunehmend wird nun aber auch klar, dass diese Aussage auf eine andere Berufsgruppe zutrifft: die niedergelassenen Ärzte. Schon Anfang Oktober hatte der für Digitalisierungsthemen zuständige KBV-Vorstand Thomas Kriedel erklärt, dass man für die von der aktuellen Bundesregierung angestoßenen Digitalisierungsprozesse eine sechsmonatige »Konsolidierungsphase« begrüßen würde. Nun legt die KBV in einer Pressemitteilung nach: Aus dem halben Jahr ist darin ein ganzes geworden und inzwischen sprechen die Ärzte von einem »Digitalisierungsmoratorium«. Die Einführungen des E-Rezepts und der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (EAU) seien »technisch unausgereift«. Die Leitfrage müsse nun lauten: »Was ist gut für die Versorgung der Patienten und erleichtert gleichzeitig die Arbeit für die Praxen?«

Dass die Ärzte den Politikwechsel jetzt nutzen wollen, um die für sie komplexen Änderungen in den Praxis-Abläufen hinauszuzögern oder möglicherweise ganz zu kippen, überrascht nicht. Denn schon in den vergangenen Monaten zeigte sich, dass sie an der digitalen Transformation des Versorgungssystems nur mit wenig Überzeugung mitarbeiteten. Beispiel E-Rezept-Einführung: Fehlende Software-Updates, nicht beantragte und ausgeteilte Heilberufsausweise und die falschen Drucker sind nur einige Großbaustellen, die die Mediziner noch schließen müssen. Die KBV macht es sich zu einfach, wenn sie der dahinterstehenden Industrie (Software-Hersteller, Karten-Produzenten und andere) die Schuld in die Schuhe schiebt. Dass ein bedeutender Teil der Niedergelassenen weiterhin nicht über Heilberufsausweise und die richtigen Konnektoren verfügt, verdeutlicht auch, dass die Standesvertretung zu wenig auf die Basis eingewirkt hat.

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