Ein Jahr mit dem Valsartan-Störfall |
Die Valsartan-Affäre erlaubt eine klare Aussage über Ausmaß und zeitlichen Verlauf von Versorgungsstörungen mit patentfreien verschreibungspflichtigen »Massen«-Arzneimitteln. Aus den vorgelegten Daten kann unter anderem gefolgert werden.
Bei Ausfall eines Wirkstoffs für verschreibungspflichtige patentfreie Massenarzneimittel entstehen lang andauernde Störungen und Mengenverschiebungen, zum Beispiel von Valsartan zu Candesartan sowie von Kombi- zu Mono-Sartanen, bei der Versorgung der Patienten. Diese Veränderungen halten viele Monate an.
Eine Änderung des Verschreibungsverhaltens tritt offenbar nicht ein, denn sonst wäre ab Juni 2018 ein Ausweichen auf nicht mit Nitrosaminen belastete therapieäquivalente Sartane ohne Tetrazolring erkennbar gewesen. Das Beispiel Telmisartan illustriert, dass dies nicht der Fall war. Die Zahlen für ein weiteres Sartan ohne Tetrazolring, Azilsartan (hier nicht vorgestellt), gleichen den Zahlen für Telmisartan.
Lieferengpässe bei Arzneimitteln machen den Apotheken das Leben schwer. Patienten haben oft wenig Verständnis für Verzögerungen. / Foto: Adobe Stock/Anke Thomass
Die Versorgungssituation muss man als nicht vorhersehbar und unsicher bezeichnen. Dies zeigt sich nicht nur am Fall Valsartan, sondern auch an der plötzlichen Nichtverfügbarkeit von anderen therapieäquivalenten verordneten Rabattarzneimitteln, nämlich von Candesartan im April 2019 oder Telmisartan in der zweiten Jahreshälfte 2018.
Die Apotheken sind aufgrund der Größenordnung der Versorgungsstörungen bereits in die Rolle eines Versorgungsmanagers oder Mangelverwalters geraten, ohne dafür auch nur ansatzweise entlohnt zu werden. Der Umfang der Versorgungsstörung erreicht insgesamt den Millionenbereich, sodass im Fall von Valsartan über Monate hinweg mindestens jede zweite Verordnung betroffen war.
Liefer- oder Versorgungsengpässe stellen die Apotheken vor enorme und zunehmende Herausforderungen. Berichte aus der Praxis zeigen Defektlisten von fast 500 Arzneimitteln, mittlerweile auch von Standardarzneien wie Ibuprofen (19). Patienten müssen sich vielerorts auf längere Wartezeiten in der Offizin einstellen. Darauf reagieren sie zunehmend mit Unverständnis.
► Der Medikamentenmangel zieht sich nach Aussagen von Apothekern mittlerweile durch alle Kategorien und betrifft auch Ausweichmedikamente wie Candesartan, das für das ausgegangene Valsartan geordert wurde, dann aber auch nicht verfügbar war (20).
Den Patienten kann man Ursache und Umfang der Defekte kaum vermitteln. Sie gehen in aller Regel von einer Verfügbarkeit des Medikaments am nächsten Tag aus. Umstellungen vom gewohnten Medikament auf ein Ersatzpräparat stoßen bei vielen auf Unverständnis. Schwierig gestaltet sich für die Apotheken auch die Suche nach neuen Bezugsquellen für Medikamente. Der Direktbezug vom Hersteller scheidet ohnehin meist völlig aus (20).
Konkrete Zahlen zum Mehraufwand der Apotheken auf der Suche nach Alternativen sind nicht bekannt und werden auch nicht erhoben. Der Mehraufwand findet auch keinen vorsorglichen Niederschlag in den Lieferverträgen.