Die stille Last der Kinder |
Eine Alkoholexposition in der Schwangerschaft kann den Fetus direkt und irreparabel bereits im Mutterleib schädigen. Andere Kinder erleiden Schäden, wenn sie in einer Suchtfamilie aufwachsen (Tabelle 2).
In Deutschland leben schätzungsweise fünf bis sechs Millionen Kinder und Jugendliche mit einer/m suchtbelasteten Mutter oder Vater und davon etwa eine Million mit einem zeitweise oder dauerhaft alkoholabhängigen Elternteil. Viele Kinder entwickeln im Lauf ihres Lebens psychische Probleme oder werden selbst suchtgefährdet. Eine Alkoholsucht eines Elternteils oder beider kann tiefe Spuren bei Kindern hinterlassen. Sie wachsen in einer emotional unsicheren und unberechenbaren Umgebung auf, da Zuneigung und Aufmerksamkeit der Eltern stark schwanken und von deren Alkoholkonsum abhängen können.
Viele Kinder aus alkoholbelasteten Familien haben ein hohes Risiko, selbst früh zu Alkohol zu greifen. / © Adobe Stock/Peter Atkins
Viele Kinder übernehmen früh Verantwortung oder versuchen, das Familienleben zu stabilisieren, oft auf Kosten ihrer eigenen Kindheit und Entwicklung. Sie fühlen sich für die familiäre Situation mitverantwortlich und entwickeln Scham-, Schuld- und Angstgefühle. Oftmals ziehen sie sich sozial zurück und haben Schwierigkeiten, Vertrauen zu anderen Menschen und stabile soziale Netzwerke aufzubauen. Sie haben das Gefühl, »anders« zu sein. Die Unberechenbarkeit der Eltern beeinträchtigt das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen und zu regulieren.
Vernachlässigung, inkonsistentes Erziehungsverhalten und im Extremfall Gewalt oder Missbrauch sind zusätzliche Risiken, die die emotionale und soziale Entwicklung stören. Viele Kinder sind chronisch überfordert und haben ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen (17–25).
Konzentrationsschwierigkeiten und emotionale Überlastung führen oft zu schlechteren schulischen Leistungen und erhöhter Abbruchquote und erschweren damit den Start ins Erwachsenenleben.
Bereich | Risiken und Auffälligkeiten | |
---|---|---|
körperlich | FASD bei Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft: Wachstumseinschränkung, Mikrozephalie, Gesichtsfehlbildungen, motorische Probleme | |
psychisch, emotional | Angst, Depression, geringes Selbstwertgefühl, emotionale Instabilität, frühe Parentifizierung | |
kognitiv, schulisch | häufigere Fehlzeiten, möglicherweise schlechteres Betragenbei FASD: Konzentrationsstörungen (ADHS),Lern-, Sprach- und Intelligenzminderung,exekutive Defizite | |
Verhaltensauffälligkeiten | Hyperaktivität, Impulsivität, dissoziales Verhalten, möglicherweise frühe eigene Alkohol- und/oder Drogenerfahrungen | |
familiäres traumatisches Erleben | emotionale Vernachlässigung, körperliche und/oder psychische Gewalt, sexueller Missbrauch, häufige Trennungen, Loyalitätskonflikte, instabile Bindungen | |
Sozial- und Beziehungsverhalten | Schwierigkeiten in Beziehungen, geringes Vertrauen, sozialer Rückzug, Co-Abhängigkeit, Ersatzrollen (Beispiel »Hero-Kind«) | |
genetisch, familiär bedingt | höheres Risiko für Alkohol- und Drogenabhängigkeit, genetische Vulnerabilität |