Die stille Last der Kinder |
Eine standardmäßige Pharmakotherapie bei FASD gibt es nicht. Die Betroffenen haben jedoch ein erhöhtes Risiko für weitere körperliche oder psychische Erkrankungen, die medikamentös behandelbar sein können.
Zu den häufigen Komorbiditäten zählen unter anderem Sehstörungen, Epilepsie, eine veränderte Signalübertragung in peripheren Nerven, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen, chronische Mittelohrentzündung und Schlafstörungen. Psychiatrische Erkrankungen wie ADHS, oppositionelle Verhaltensstörungen, Angststörungen, Depressionen und Substanzmissbrauch im Jugendalter treten ebenfalls häufig auf; das Gleiche gilt für selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten sowie Suizidalität. Um Komorbiditäten möglichst früh zu erkennen und behandeln zu können, empfiehlt die Leitlinie, die Kinder regelmäßig medizinisch und entwicklungsdiagnostisch zu begleiten.
Bei ausgeprägten Aufmerksamkeits- und Verhaltensauffälligkeiten können neben nicht-medikamentösen Maßnahmen Stimulanzien wie Methylphenidat (bei ADHS) oder Antipsychotika wie Risperidon (bei aggressivem Verhalten) eingesetzt werden. Antipsychotika erfordern ein sorgfältiges Nebenwirkungsmonitoring.
Der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin kann bei oppositionellen Symptomen eine Verbesserung herbeiführen. Bei Epilepsie sind Antikonvulsiva angezeigt.
Die Auswahl der Medikamente erfolgt in der Regel auf Basis der Leitlinien zu ADHS, Sozialverhaltensstörungen oder Epilepsie (4, 6, 7).
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Eine besonders kritische Situation ist Alkoholabhängigkeit bei schwangeren Frauen (37). Doch gerade jetzt fällt es vielen Frauen schwer, über ihr Problem zu sprechen und sich Hilfe zu holen.
Ein frühzeitiger, sensibler und fachübergreifend koordinierter Behandlungsansatz hat Mutter und Kind gleichermaßen im Blick. Ziel der Behandlung ist grundsätzlich die vollständige Abstinenz. Das gelingt jedoch selten von heute auf morgen, vor allem bei einer länger bestehenden Abhängigkeit. Es ist ein strukturiertes, schrittweises Vorgehen erforderlich, das psychotherapeutische Unterstützung mit einer engmaschigen medizinischen Betreuung verbindet.
Besonders schwierig kann der körperliche Entzug sein. Der Einsatz von Medikamenten muss sorgfältig abgewogen werden, da viele gängige Wirkstoffe potenziell schädlich für das ungeborene Kind sind. In akuten Fällen können Benzodiazepine kurzfristig zum Einsatz kommen, möglichst unter stationären Bedingungen.
Arzneistoffe wie Naltrexon, Acamprosat oder Nalmefen, die sonst in der Rückfallprophylaxe beziehungsweise zur Reduktion der Alkoholaufnahme eingesetzt werden, sollten in der Schwangerschaft nicht gegeben werden.
Da eine Alkoholkonsumstörung nicht nur eine medizinische, sondern auch eine soziale Erkrankung ist, braucht die Frau darüber hinaus umfassende Unterstützung im Alltag. Dazu zählen psychosoziale Beratungsangebote, Familienhilfe über das Jugendamt oder der enge Kontakt zu Hebammen, Sozialarbeitern und Selbsthilfegruppen. Beim Verzicht auf Alkohol und Zigaretten unterstützt zum Beispiel das Programm IRIS des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit, das die Frau anonym absolvieren kann. Wichtig ist, die Mutter nicht zu stigmatisieren, sondern – so gut es geht – zu stärken.