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Telemedizin

Die Qualitätslücken der Online-Praxen

Seit Beginn der Coronavirus-Krise konsultieren immer mehr Menschen online einen Arzt. So können Patienten überfüllte Wartezimmer umgehen. Aber werden die Online-Praxen den Qualitätsvorgaben der Versorgung gerecht? Eine Recherche wirft Fragen auf: Reichen Telefonate und Fragebögen aus, um Diagnosen zu stellen und Arzneimittel zu verordnen? Und wie seriös ist die Zusammenarbeit mit Apotheken? Die Bundesärztekammer und die Bundesapothekerkammer scheinen besorgt.
Anna Pannen
Benjamin Rohrer
06.11.2020  09:00 Uhr

Es klingt praktisch und unkompliziert: Statt in eine Arztpraxis zu fahren und dort im Wartezimmer Zeit zu verlieren, können Patienten seit einiger Zeit über Online-Portale wie Zavamed.de (vormals Dr. Ed), Fernarzt.de oder Teleclinic einen Arzt konsultieren, ohne das eigene Wohnzimmer zu verlassen. Die Anbieter offerieren Termine meist noch am selben Tag. Genau wie niedergelassene Ärzte stellen auch Online-Mediziner Krankschreibungen und Rezepte aus.

Dennoch laufen sogenannte Online-Sprechstunden in den meisten Fällen anders ab als ein klassischer Arztbesuch. Denn es gibt bei diesen Anbietern zwar die Möglichkeit mit einem approbierten Arzt zu telefonieren oder per Video zu sprechen. Der Blick auf die verschiedenen Anbieter-Homepages zeigt jedoch: ein Face-to-Face-Gespräch ist nicht die Option , die Patienten vorrangig angeboten wird.

Fragebögen und Online-Formulare mit Multiple-Choice-Prinzip

Tatsächlich sind die meisten der Internetseiten so strukturiert, dass Nutzern zunächst nicht etwa ein Kontaktfeld zur Terminvergabe, sondern eine Auswahl verschiedener Krankheiten angezeigt wird. Hier müssen sie bereits eine Vorauswahl treffen. Beim Klick auf eine Krankheit öffnet sich ein Online-Formular, in dem Symptome, Vorerkrankungen und Medikation nach dem Multiple-Choice-Prinzip abgefragt werden. Am Ende kann zwar ein Telefonat mit dem Arzt vereinbart werden. Es ist aber nicht obligatorisch. Der Patient kann es auch einfach haben und den ausgefüllten Fragebogen lediglich von einem Mediziner prüfen lassen.

Pikant an der Sache: Die Medikamente gegen seine Beschwerden kann der Patient in vielen Fällen selbst auswählen. Viele Anbieterseiten sind so aufgebaut, dass nach Auswahl der Krankheit zunächst Bilder verschiedener Präparate erscheinen. Erst beim Klick auf die gewünschte Packung öffnet sich der Fragebogen zu den Beschwerden. Bei anderen Anbietern läuft es umgekehrt. Immer jedoch kommt der Moment, an dem der Nutzer sich sein Präparat – auch rezeptpflichtige – selbst auswählt. Dabei geht es nicht nur um Verhütungsmittel, sondern auch um Arzneimittel zur Behandlung chronischer Krankheiten wie etwa Bluthochdruck oder Diabetes. Ein Mediziner prüft das Ganze dann lediglich auf Plausibilität. Begleichen muss der Patient die Behandlung in vielen Fällen übrigens aus eigener Tasche. Denn bislang sind nur die Beratungen einiger weniger Online-Praxen über die Kassen abrechenbar. Klar ist: Arzneimittel-Verordnungen werden bis auf wenige Modellprojekte nur privat ausgestellt, denn ein flächendeckendes E-Rezept gibt es bislang noch nicht.

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