Die grüne Apotheke |
Melanie Höhn |
18.09.2022 08:00 Uhr |
Das Thema klimasensible Gesundheitsberatung ist für Esther Luhmann ein weiterer großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. »Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich ja schon heute in unserer Gesundheit: Die Tage über 30 Grad haben in den vergangenen Jahren zugenommen und das macht sowohl etwas mit unserer Gesundheit als auch mit den Arzneimitteln«, betont sie gegenüber der PZ.
Luhmann ist überzeugt, dass Patienten erklärt werden müsse, wie Medikamente bei Hitze wirken, wie man sie richtig lagert oder wie man seine Gesundheit bei höheren Temperaturen schützen kann. »Es soll keine extra Sprechstunde sein, sondern diese Aspekte fließen in die normale Beratung mit ein«, erklärt sie das Konzept. »Für die Zukunft ist die klimasensible Gesundheitsberatung auch als pharmazeutische Dienstleistung zu verstehen und kann und soll honoriert werden. Leider sind wir davon noch weit entfernt«, so Luhmann weiter. Neben dem Bereich Hitze werden auch Infektions- und Atemwegserkrankungen, ausgelöst durch Verkehr, Feinstaub und Erwärmung, immer relevanter. Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit ist die Einschränkung von Individualverkehr auf den Straßen. Für Luhmann eine Win-win-Situation: Dies führe zu einer saubereren Luft, damit zu weniger Erkrankungen und mehr Bewegung auf dem Fahrrad bringe einen Benefit für die eigene Gesundheit.
Foto: Thomas Ganter
Lesen Sie auch das Interview mit MdB Johannes Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) und das Interview mit Matthias Zink (LAKT).
Um den Straßenverkehr zu reduzieren, muss auch die Häufigkeit der Großhandelstouren hinterfragt werden – politisch wurde dieses Thema bereits diskutiert. Der Verkehr war laut Europäischer Umweltagentur im Jahr 2019 für etwa ein Viertel aller CO2-Emissionen der EU verantwortlich. Davon entfallen laut europäischem Parlament 71,7 Prozent auf den Straßenverkehr.
Fraglich ist, ob eine Apothekenbelieferung fünfmal täglich sinnvoll ist. Das Vollversorgungsprinzip durch den pharmazeutischen Großhandel sei »bereits für sich genommen umweltschonend, da die Arzneimittelbestellungen von Apotheken durch den Großhandel gebündelt und Transaktionen so um mehr als 90 Prozent reduziert werden«, argumentiert eine Sprecherin des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) gegenüber der PZ. Dies würde »unzählige überflüssige Transporte und damit verbundene CO2-Emissionen im Vergleich zum Direktbezug von Arzneimitteln durch Apotheken bei einzelnen pharmazeutischen Unternehmern« vermeiden. Einzelne Mitgliedsunternehmen würden den Einsatz von E-Autos oder mit Wasserstoff betriebene Lieferfahrzeuge testen – erste Fahrzeuge seien bereits im Einsatz. Doch von einer großflächigen E-Flotte scheint dies noch weit entfernt zu sein.
Um zu ermitteln, wie viele Emissionen eine Apotheke ausstößt und wie klimaneutral sie ist, muss zunächst eine CO2-Bilanz des Betriebes erstellt werden: Wie viele Emissionen wurden in einem Jahr ausgestoßen? Das Umweltbundesamt und die Umweltschutzorganisation WWF stellen dazu online einen CO2-Rechner zur Verfügung (https://uba.co2-rechner.de).
Das Greenhouse Gas Protocol teilt Emissionen in drei Emissionskategorien (Scopes) ein. Scope 1 enthält laut Umweltbundesamt direkte Emissionen aus Heizungsanlagen, Kraftfahrzeugen oder »Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung«. Unter Scope 2 fallen indirekte Emissionen aus dem Bezug von leistungsgebundener Energie, die importiert werden. Scope 3 umfasst alle sonstigen indirekten Emissionen, die aus vor- oder nachgelagerten Aktivitäten entstehen, etwa Arbeitswege, Büromaterial, Gütertransporte, Dienstreisen oder Abfallaufkommen. Diese machen laut Umweltbundesamt einen Großteil der Emissionen aus.
Dass die Reduktion von CO2-Emissionen bei Großhandelsflotten in Angriff genommen werden muss, erscheint dringend notwendig, denn täglich legen die Fahrzeuge der Großhändler oder deren Subunternehmen rein rechnerisch Millionen von Kilometern zurück. Dennoch dürfe die Umsetzung CO2-reduzierender Maßnahmen laut Phagro-Unternehmenssprecherin »nicht auf Kosten der Versorgungsqualität und der bedarfsgerechten, angemessenen und kontinuierlichen Belieferung von Apotheken mit allen benötigten Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren gehen«. Deutsche Apotheken werden im Durchschnitt dreimal pro Tag von den Phagro-Mitgliedsunternehmen beliefert, erklärt die Sprecherin weiter.