Die grüne Apotheke |
Melanie Höhn |
18.09.2022 08:00 Uhr |
An welchen Stellschrauben kann eine Apotheke also für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit drehen? »Jede Apotheke ist individuell: Alles ist abhängig von ihrer Lage, wie viele Mitarbeitende sie hat und wie die Motivation des Teams ist«, sagt Apothekerin Luhmann gegenüber der PZ. »Damit steht und fällt am Ende eigentlich alles.« Generell müssten sämtliche Prozesse in der Apotheke hinterfragt werden. Ein großer Hebel sei der gesamte Energiebereich (Kasten). Zu Ökostrom könne man durch wenige Klicks wechseln. »Man muss sich vorher nur informieren, dass es echter Ökostrom ist«, betont Luhmann.
»Jetzt handeln«: Viele Bürger wollen zum Klimaschutz beitragen und schätzen es, wenn Betriebe umweltbewusst agieren. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Ein zweiter großer Bereich ist die Mobilität – abhängig von Lage und Größe der Apotheke und auch davon, ob Mitarbeitende mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen oder etwa Fahrgemeinschaften bilden könnten. »Es ist ein Prozess in der gesamten Apotheke, den man angeht«, weiß Luhmann. Bei ihren Botendiensten setzten einige Apotheken inzwischen E-Bikes ein. Eine Apotheke in Baden-Württemberg nutzt für ihre Medikamentenlieferungen sogar ein Apothekenpferd.
Für Luhmann sind weitere Faktoren relevant, wenn es um mehr Nachhaltigkeit in der Apotheke geht. Wie groß wird das Lager gehalten? Ist die Lagerhaltung effizient? Wirtschaftlich sei es interessant, dass in der Apotheke keine Arzneimittel verfallen, aber man schütze durch weniger Müll am Ende auch die Umwelt. Denn: Abgelaufene Arzneimittel müssen entsorgt werden.
Die Digitalisierung, vor allem im Hinblick auf das E-Rezept, spiele eine Rolle, denn sämtliche Rechnungen oder Dokumente zu digitalisieren, spare Papier. Weiterhin sollten Apothekeninhaber sich fragen: Kann man Bestellungen bündeln, sodass der Großhandel nur noch zweimal am Tag Medikamente liefert?
Mit welchen Schritten es die Apothekerin Claudia Reimers geschafft hat, die Emissionen ihrer Apotheke zu senken und klimaneutral zu werden, berichtete sie auf einer Fachtagung des VdPP. Reimers ist Umweltgruppen-Koordinatorin der vier Medios-Apotheken in Berlin, die seit dem 1. Februar 2021 als klimaneutral zertifiziert sind. In diesem Jahr gewann die Apotheke sogar den Award der bundesweiten Initiative »Klimaretter Lebensretter« in der Kategorie kleine Einrichtungen/Unternehmen: Durch ein Klimaretter-Tool haben Mitarbeitende in einem spielerischen Wettbewerb CO2 eingespart.
Im Jahr 2015 begann die Apotheke mit der Entwicklung eines QMS-Prozesses sowie der Etablierung interner Regeln zu umweltbewusstem und nachhaltigem Verhalten. »Die Umweltbeauftragten sind Ansprechpartner für die Kollegen vor Ort, sollen Projekte in die Apotheke hineintragen, über Neuerungen und laufende Projekte aufklären und überprüfen, dass die festgelegten Ziele zum Umweltschutz eingehalten werden«, berichtete Reimers.
Mit der Hilfe von Apps lässt sich Energie sparen. / Foto: Adobe Stock/rh2010
Der QMS-Prozess betrifft die Bereiche Office, Logistik sowie den apothekenspezifischen Bereich und regelt unter anderem, dass die Apotheke einmal pro Jahr die Preise umweltfreundlicher Stromanbieter anfragt, beim Einkauf von Geräten und Büroartikeln auf das Umweltzeichen »Blauer Engel« achtet, auf batteriebetriebene Mäuse und Tastaturen möglichst verzichtet, ein Mülltrennsystem etabliert sowie Faxe auf die E-Mail-Adresse umleitet und ebenfalls per E-Mail verschickt. Weitere Maßnahmen: Entsorgung von flüssigen und pulvrigen Rezepturabfällen nur über den Arzneimittel- oder Gefahrstoffabfall und Verzicht auf Plastiktüten. Bei Kosmetik sollte darauf geachtet werden, dass keine neuen Produkte mit Mikroplastik in das Sortiment aufgenommen werden – dabei orientiert sich die Apotheke am Mikroplastik-Einkaufsratgeber des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Auf PET-Flaschen und Kaffeekapseln sollte verzichtet werden. Bei der Bestellung von Give-aways müsse zudem auf die Umweltverträglichkeit geachtet und auf einzelne Verpackungen verzichtet werden. Wenn möglich, sollten den Kunden umweltfreundliche Alternativen angeboten werden; außerdem ist es ratsam, die Hauspost in wiederverwendbaren Umschlägen zu transportieren. Des Weiteren könne eine Tankkarte mit CO2-Ausgleich pro getanktem Liter angeschafft werden. Für Dienstreisen im In- und Ausland sollten keine Flüge genutzt werden – wenn Flugreisen nicht zu vermeiden sind, sollte man diese über »Atmosfair« (international) und »Plant a tree« (national) ausgeglichen werden.
Durch diese umfangreichen Maßnahmen kann man den CO2-Fußabdruck zwar reduzieren, aber um wirklich klimaneutral zu werden, müssen verbleibende Emissionen durch Zertifikate kompensiert werden. Diese Zertifikate fördern Klimaschutzprojekte. Deutschlandweit gibt es mehrere Apotheken, die mithilfe externer Dienstleister klimaneutral geworden sind, beispielsweise durch das Programm »klimafreundliche Apotheke« von Noventi. Dabei verpflichtet sich die Apotheke zur Einhaltung bestimmter Maßnahmen und Noventi kompensiert die verbleibenden CO2-Emissionen. Die Apothekergenossenschaft Noweda hat ebenfalls eine Klimaschutz-Initiative gestartet. Florian Giermann schätzt, dass inzwischen insgesamt 1500 Apotheken in Deutschland klimaneutral sind.
Zudem hat der Bund das Programm »ReKlimaMed« ins Leben gerufen, um Nachhaltigkeit zu unterstützen. Kleine und mittlere Unternehmen aus der ambulanten Gesundheitsversorgung, unter anderem Apotheken, sind antragsberechtigt.
Es gibt viele Stellschrauben, an denen eine Apotheke für den Klimaschutz drehen kann. Doch beginnen sollte der Klimaschutz laut Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) bereits im Studium.
Der Verband hat in diesem Jahr ein Positionspapier zum Thema »Umwelt und Klimawandel in der Pharmazie und der pharmazeutischen Lehre« veröffentlicht. Die Apotheken fordert der Verband dazu auf, bei Transportwegen, beim Botendienst und beim Weg zur Arbeit auf CO2-Reduktion zu achten. Durch die Digitalisierung könne auch an Universitäten Papier eingespart werden. Darüber hinaus sollte Apothekenpersonal Patienten hinsichtlich der Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Arzneimitteln beraten und gegebenenfalls auf eine gesunde nachhaltige Ernährungsweise, beispielsweise gemäß der Planetary Health Diet, hinweisen.