Die Galenik entscheidet |
Depot-Antipsychotika sind speziell formulierte Arzneimittel, die den Wirkstoff langsam über einen längeren Zeitraum relativ kontinuierlich freisetzen. Diese Formulierungen nutzen Trägersubstanzen wie Ölsuspensionen, Polymere oder Mikrosphärulen.
Geeignet sind nur Wirkstoffe, die in niedrigen Dosierungen (um 1 bis 20 mg/Tag) eingesetzt werden, da das intramuskuläre Injektionsvolumen zwischen etwa 0,1 bis 4 ml liegt. Nur Wirkstoffmengen, die in diesem Volumen gelöst oder suspendiert werden können, eignen sich für die Depotgabe.
Die Galenik spielt eine entscheidende Rolle bei der Wirkstofffreisetzung und der Wirkdauer. Durch stete Weiterentwicklungen wurden in den letzten Jahren Injektionsintervalle von bis zu 26 Wochen ermöglicht (Invega Hafyera®, nur in den USA zugelassen). Man unterscheidet grundsätzlich vier Retardierungsprinzipien (Grafik).
Retardierungsprinzipien für langsam freisetzende Injektionen (von oben): ölige Lösung, Suspensionen, Polymer-Mikrosphärulen sowie ISM-(In-situ-Mikropartikel-)Polymerimplantat. Gezeigt ist das Arzneimittel in der Spritze vor der Injektion sowie sein Verhalten in vivo. Bezeichnet wird der hauptsächliche Freisetzungsmechanismus. / © PZ/Stephan Spitzer
Die unterschiedlichen Retardierungsprinzipien haben zur Folge, dass das Vorgehen bei Beginn und bei Vergessen oder Auslassen eines Depots sehr unterschiedlich ist. Auch gibt es Unterschiede hinsichtlich Lagerung und Transport, Applikationsort, Zeit bis zum Erreichen des Steady States und Injektionsvolumen (Tabellen 1 und 2).
Wirkstoff, Handelsname (Beispiele) | Flupentixol, Fluanxol® | Haloperidol, Haldol® | Zuclopenthixol, Ciatyl-Z® |
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Darreichungsform | Ampulle | Ampulle | Ampulle |
Kühlung | keine Kühlung bei Lagerung/Transport | keine Kühlung bei Lagerung/Transport | keine Kühlung bei Lagerung/Transport |
Injektionsintervall (Tage) | 14 bis 28 | 14 bis 28 | 14 bis 28 |
Retardierungsprinzip | Ester in öliger Lösung | Ester in öliger Lösung | Ester in öliger Lösung |
Nachbeobachtung nach Injektion | nein | nein | nein |
Injektionsort | gluteal | gluteal | gluteal |
Kinetische Besonderheiten | keine Anpassung bei Nierenfunktionsstörungen, TDM bei Leberfunktionsstörungen empfohlen | vorsichtige Dosistitration oder Alternativmedikament bei CYP2D6-poor-metabolizern erforderlich | Dosisreduktion bei CYP2D6-intermediär- und -poor-metabolizern erforderlichVorsicht bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen |
Wirkstoff (alphabetisch), Handelsnamen | Aripiprazol, Abilify Maintena® | Olanzapin, Zypadhera® | Paliperidon, Xeplion®, Trevicta® | Risperidon 14 Tage, Risperdal consta® | Risperidon ISM, Okedi® |
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Darreichungsform | Fertigspritze, Durchstechflasche | Durchstechflasche | Fertigspritze | Durchstechflasche | Fertigspritze |
Kühlung bei Lagerung und Transport | keine | keine | keine | Kühlkette bei Lagerung/Transport, bei RT/ Unterbrechung Kühlkette nur 7 Tage haltbar | keine |
Injektionsintervall (Tage), verfügbare Dosierungen | 28 (200 bis 400 mg)56 (720 und 960 mg) | 14 bis 28(205, 300 und 410 mg) | 28 (25,50, 75,100 und 150 mg)84 (175,263, 375 und 525 mg) | 14 (25, 37,5 und 50 mg) | 28 (75 und 100mg) |
Retardierungsprinzip | schwerlösliches Lyophilisat in Suspension auf Wasserbasis | schwerlösliches Salz in Suspension auf Wasserbasis | schwerlöslicher Ester in Suspension auf Wasserbasis | Mikrosphärulen in Suspension auf Wasserbasis | In-situ-Mikropartikel, biphasische Freisetzung |
Nachbeobachtung nach Injektion | nein | ja, 3 Stunden | nein | nein | nein |
Injektionsort | 1-Monatsdepot: gluteal oder deltoidal2-Monatsdepot gluteal | gluteal | deltoidal oder gluteal | deltoidal oder gluteal | deltoidal oder gluteal |
Kinetische Besonderheiten | Dosisreduktion bei CYP2D6-poor-metabolizern erforderlich, keine Anpassung bei Nieren- und leichten bis mittelschweren Leberfunktionsstörungen | niedrigere Spiegel bei Rauchern, Dosisanpassung bei Patienten mit mittelschweren Leberfunktionsstörungen, Frauen haben höhere Spiegel | soll nicht bei Nierenfunktionsstörungen mit GFR <50 ml/min eingesetzt werden, keine Dosisanpassung bei Leberfunktionsstörungen | vorsichtige Dosistitration oder anderes Medikament bei CYP2D6-poor-metabolizern erforderlich | vorsichtige Dosistitration oder anderes Medikament bei CYP2D6-poor-metabolizern erforderlich |
Grundsätzlich ist es möglich, ein Depotarzneimittel flexibel mit einem oralen Medikament zu kombinieren. Viele Patienten erhalten ohnehin zwei Antipsychotika (29). Eine in der klinischen Praxis häufige Kombination ist zum Beispiel Depot plus Quetiapin retard (das aufgrund der hohen Dosis nicht als Depot verfügbar ist). Das heißt: Der Patient erhält ein »Basis-Depot« sowie ein zweites, schnell und leicht zu steuerndes Antipsychotikum, das häufig bei Schlafstörungen oder als Bedarfsmedikation eingesetzt wird. Bei klinischer Verschlechterung kann das orale Medikament schnell höher dosiert werden. Auch Doppel-Depotgaben sind grundsätzlich möglich (30).
▶ Bei der Antipsychotika-Kombination ist immer darauf zu achten, dass sich die Rezeptorprofile möglichst voneinander unterscheiden, zum Beispiel Aripiprazol plus Quetiapin oder Risperidon plus Quetiapin oder Risperidon plus Olanzapin.