Der Blick auf die Erwachsenen |
Auch für die Arzneimitteltherapie können einige Veränderungen relevant sein, weil sie die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Arzneimitteln beeinflussen.
Für die Pharmakokinetik von Arzneistoffen ist grundsätzlich zu bedenken, dass Patienten mit Trisomie 21 häufiger adipös sind als die Allgemeinbevölkerung und übermäßiges Fettgewebe die Verteilung lipophiler und hydrophiler Wirkstoffe beeinflussen kann.
Störungen und organische Fehlbildungen im Magen-Darm-Trakt können die Resorption verändern. Die Gene von Leberenzymen, die für den Abbau vieler Arzneistoffe wichtig sind, sind auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert. Ob die Trisomie 21 einen klinisch relevanten Einfluss auf die Elimination von Arzneistoffen hat, ist noch nicht ausreichend erforscht (20).
In der Pharmakodynamik gibt es Hinweise auf veränderte Dosis-Wirkungs-Beziehungen mit erhöhtem oder verringertem Ansprechen oder verändertem Nebenwirkungsrisiko. Beispielsweise wurde bei der Behandlung von akuter myeloischer Leukämie festgestellt, dass Leukämiezellen von Patienten mit Trisomie 21 eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Chemotherapeutika aufweisen. So führte die Erhöhung der Dosisintensität von Anthrazyklinen auf das für andere Patienten übliche Maß bei Menschen mit Trisomie 21 zu übermäßigen Todesfällen in Studien, hauptsächlich infolge von Infektionen und Herzfunktionsstörungen. Das könnte auf einen erhöhten Metabolismus von Anthrazyklinen zu kardiotoxischen Metaboliten zurückgehen. Andererseits wurde gezeigt, dass beim Down-Syndrom myeloische Blastenzellen ex vivo eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Cytarabin und Daunorubicin aufweisen.
Die optimale Behandlungsintensität zu ermitteln, ist eine Herausforderung, da die Therapie ausreichend kurativ sein soll und zugleich behandlungsbedingte Morbidität und Mortalität minimiert werden sollen (20, 21).
Menschen mit Down-Syndrom und akuter lymphatischer Leukämie haben auch ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen unter hoch dosiertem Methotrexat (MTX). Eine seit 2004 empfohlene Dosisreduktion konnte die Toxizität signifikant senken, ohne das Rückfallrisiko zu erhöhen. Die Unterschiede in den MTX-Plasmaspiegeln konnten die erhöhte Toxizität aber nicht vollständig erklären. Möglicherweise liegt eine erhöhte intrazelluläre Verteilung bei Trisomie 21 vor (20, 22).
Beim Narkosemittel Sevofluran warnen die pharmazeutischen Unternehmer in der Fachinformation, dass bei Kindern mit Down-Syndrom während und nach einer Narkoseeinleitung eine signifikant erhöhte Prävalenz und Ausprägung von Bradykardien besteht (23).
Auch bei Augentropfen mit Atropin wird zur Vorsicht gemahnt. In der Fachinformation heißt es, dass Menschen mit Down-Syndrom besonders empfindlich auf den Wirkstoff reagieren; schon bei niedrigen Dosen können eine starke Mydriasis und ausgeprägte Tachykardie auftreten (26). Allerdings sind die zugrunde liegenden Studien recht alt und basieren auf wenigen Behandlungsfällen. Daher ist unklar, wie relevant die proklamierte Empfindlichkeit für die Praxis ist (27).
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In Deutschland regelt das Betreuungsrecht die rechtliche Betreuung von volljährigen Personen, die sich wegen Krankheit oder einer Behinderung nicht eigenständig um ihre Angelegenheiten kümmern können (29–31).
Einen rechtlichen Betreuer beizustellen, ist Aufgabe des Betreuungsgerichts. Das Verfahren kann auf Antrag der betroffenen Person oder von Amts wegen eingeleitet werden, beispielsweise durch Hinweise von Angehörigen. Die Betreuung bezieht sich auf bestimmte Bereiche wie Gesundheit, Finanzen oder Wohnen und muss die Selbstbestimmung und Autonomie der betreuten Person so weit wie möglich wahren. Grundsätzlich bleiben die betreuten Personen auch handlungs- und geschäftsfähig.
Die ehrenamtliche Betreuung, vor allem durch Familienangehörige, wird in der Regel bevorzugt. Alternativ kann ein Berufsbetreuer, etwa ein Sozialpädagoge oder Rechtsanwalt, bestellt werden.
Für Eltern von Kindern mit Down-Syndrom ist es empfehlenswert, sich frühzeitig mit dem Thema rechtliche Betreuung auseinanderzusetzen, um einen nahtlosen Übergang von der elterlichen Sorge zur rechtlichen Betreuung sicherzustellen. Unterstützung und Beratung bieten verschiedene Organisationen, wie die Bundesvereinigung Lebenshilfe oder der Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland. Weitere Informationen gibt es in der Broschüre »Ratgeber zum Betreuungsrecht« vom Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm).