Dem Schmerz auf der Spur |
Chronische Erschöpfung, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme: Der Fibro-Fog spielt bei der Diagnose von Fibromyalgie-Betroffenen eine stärkere Rolle. Bislang hat man sich eher auf Schmerzpunkte an definierten Körperstellen konzentriert. / © Getty Images/courtneyk
»Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist keine Ausschlussdiagnose mehr«, sagte Dr. Oliver Emrich vom Schmerzzentrum Ludwigshafen bei den Deutschen Schmerz- und Palliativtagen Ende März in Frankfurt am Main. Er zeigte sich zufrieden, dass es inzwischen eine klinische Positivdefinition des chronischen Schmerzsyndroms gibt. »Wir können heute eine Diagnose stellen, die sich aus den Symptomen generiert, und zwar mit einer Spezifität von rund 80 Prozent«, sagte der koordinierende Autor für die gerade in der Konsensusphase befindliche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin.
Heute sei man bei der Diagnosefindung weg von der alleinigen Fixierung auf positive Tenderpoints, also Schmerzpunkte an definierten Körperstellen. Vielmehr würden nun auch Zusatzsymptome wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, allgemeine Erschöpfung und psychische Belastungen wie Neigung zur Depressivität berücksichtigt werden.
Die typischen schmerzenden Körperstellen werden mithilfe des Widespread-Pain-Index erfasst (siehe Grafik). Werden mindestens sieben von 19 Körperpartien als schmerzhaft oder druckempfindlich angegeben, spricht das in Kombination mit einer bestimmten Symptomenschwere für ein FMS. Die Schmerzen müssen seit mindestens drei Monaten bestehen, die Körperareale können aber wechseln.
»Die Schmerzen zeigen sich phänotypisch mit neuropathischer Ausprägung etwa als gesteigerte Druckempfindlichkeit bis hin zu Allodynie, wenn also bereits die Bettdecke auf den Beinen als schmerzhaft empfunden wird«, sagte Fibromyalgie-Experte Emrich. Bei zumindest einem Teil der Patienten lägen neuropathische Veränderungen vor, die sich als Brennen, Kribbeln, Blitze, Ameisenlaufen oder Taubheitsgefühl äußern können.
Was die Pathophysiologie angeht, sei bei FMS-Patienten eine Dysregulation der Aktivität des zentralen Nervensystems auffällig, die unter anderem mit veränderten Spiegeln von Neurotransmittern einhergeht. »Es kommt zu einer zentralen Sensibilisierung mit Erniedrigung der Schmerzschwelle, und gleichzeitig ist die absteigende Schmerzhemmung weniger aktiv. Exzitatorische Neurotransmitter wie Glutamat und neuroinflammatorische Proteine wie Substanz P steigen an, dagegen ist etwa die µ-Rezeptorendichte – also das Ziel der Opioide – downreguliert. Das ist der Grund, warum sich Opioide in der Therapie als wenig wirksam erwiesen haben. Andere Wirkstoffe wie Duloxetin oder Pregabalin zeigen dagegen Wirkung auf die nachlassende absteigende Schmerzhemmung«, erklärte der Referent.