Neue Therapieansätze gesucht |
Daniela Hüttemann |
22.10.2021 09:38 Uhr |
Betroffene mit Fibromyalgie-Syndrom sollten körperlich aktiv werden, um ihre Schmerzen und weiteren Beschwerden zu lindern. Es gibt keine spezifischen Medikamente. Antidepressiva und Schmerzmittel werden unterstützend eingesetzt. / Foto: Getty Images/Sharon Mccutcheon/EyeEm
Schätzungsweise 3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden unter einem Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Das Syndrom gilt als schwer greifbar, denn die Symptome sind mitunter sehr unspezifisch. Zu den Schmerzen, die in mehreren Körperbereichen lokal, wandernd oder generalisiert auftreten können und mindestens drei Monate lang anhalten, müssen noch Müdigkeit, Erschöpfung und Schlafstörungen hinzukommen, informiert die Deutsche Schmerzgesellschaft anlässlich ihres Jahreskongresses. Auch Depressionen oder Magen-Darm-Beschwerden können sich dazugesellen.
»Letztlich ist das FMS jedoch eine Ausschlussdiagnose – die Verdachtsdiagnose wird also erst dann gestellt, wenn andere Ursachen für die beobachteten Beschwerden ausgeschlossen wurden«, sagte Professor Dr. Nurcan Üçeyler, Oberärztin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg und Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021, bei einer begleitenden Pressekonferenz.
Insbesondere fänden sich keine Schäden oder Entzündungen an Muskeln oder Gelenken, obwohl die Schmerzen in der Regel dort empfunden würden, so die Expertin. Das Leid der Patienten und Patientinnen, denn es sind vor allem Frauen betroffen, wurde auch deshalb lange als psychosomatisch abgetan. Üçeylers Arbeitsgruppe war 2013 die erste, die eine objektiv belegbare biologische Veränderung bei FMS-Patientinnen und Patienten nachweisen konnte.
»Wir konnten damals bei einem Teil der Betroffenen eine Störung der kleinen, schmerzleitenden Nervenfasern (Small Fibers) außerhalb des zentralen Nervensystems nachweisen, was wir Small-Fiber-Pathologie nennen«, so die Forschungsleiterin. Eine solche Störung, bei der unter anderem die Nervenfaserdichte in der Haut verändert ist, sei zum Beispiel auch als Langzeitfolge eines Diabetes bekannt. Neben einer reduzierten Sensibilität könne eine Small-Fiber-Pathologie auch zu Missempfindungen und übersteigerter Schmerzwahrnehmung führen.
In den vergangenen Jahren seien aber noch mehr neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie hinzugekommen, wenn auch zum Teil nur bei Subgruppen der FMS-Patienten. Dabei steht vor allem auch das Immunsystem im Fokus. So seien mittlerweile bei einem Teil der Patienten bestimmte Antikörper gefunden worden, die sich gegen körpereigene Strukturen richten. Auch wurden bei einem Teil der Betroffenen veränderte Mengen oder Aktivitäten anderer Zellen und Botenstoffe beobachtet.
»Diese Erkenntnisse könnten uns helfen, mögliche Untergruppen des vielfältigen Krankheitsbildes FMS zu identifizieren«, sagte Üçeyler. Bislang gebe es aber immer noch keine klassischen, zuverlässigen Biomarker für die Diagnose. Auch werde man vermutlich nie »die eine« Ursache finden, da viele Faktoren eine Rolle spielen könnten.