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Fälschungsschutz

»Das System wird warmlaufen«

Die deutsche Initiative Securpharm ist sicher, der Umstellungsprozess auf das neue System zum Schutz vor gefälschten Arzneimitteln wird sich schnell einspielen. Auch die Qualität der Daten soll sich ständig verbessern. Skeptischer zeigt sich die Politik. Und die Apotheker haben noch viele Fragen.
Jennifer Evans
05.02.2019  14:50 Uhr

Am 9. Februar geht der neue europaweite Fälschungsschutz für Arzneimittel an den Start. In Deutschland steht die Initiative Securpharm, ein Zusammenschluss von Herstellern, Apothekern und Großhändlern, hinter dem System. Es prüft Rx-Medikamente in Millisekunden auf ihre Echtheit. »Es ist weltweit das größte Projekt im Bereich der Arzneimittelversorgung«, betonte Norbert Gerbsch, Integrationsmanager von Securpharm, in Berlin. Immerhin würden allein hierzulande jährlich 750 Millionen Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den Offizinen abgegeben. »Zunächst wird das System als Basispaket starten«, sagte er. Durch die Nutzung werde sich im Laufe der Zeit die Qualität erhöhen und der Patientenschutz verbessern. »Das System wird warmlaufen.«

Kernstück des neuen Fälschungsschutzes ist eine individuelle Seriennummer, die auf jeder Arzneimittelpackung in Form eines Data-Matrix-Codes hinterlegt ist. Die Nummern sind nach Zufallskriterien generiert, was es Gerbsch zufolge Fälschern relativ schwermacht, Präparate in die legale Lieferkette einzuschleusen. Zudem sorge die Identitätsprüfung der beteiligten Akteure im Vorfeld für größtmögliche Sicherheit. Auch Weiterentwicklungen, insbesondere Updates der Systeme, sind bereits in Planung. Eine Hürde sieht Gerbsch aufgrund des Brexit. Nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU müssten Fragen des künftigen Datenaustauschs neu geklärt werden. Grundsätzlich geht er aber davon aus, dass die Briten das System weiter in Betrieb halten werden.

Nach Meinung der Hersteller müssen sich die Securpharm-Prozesse erst einspielen, wie es beim Bundesverband der pharmazeutischen Industrie auf Anfrage der PZ hieß: »Mit einem solchen System betritt die gesamte Branche Neuland.« Es könnten sich zu Beginn Probleme ergeben, die beispielsweise aus Datenkorrekturen oder fehlenden Updates resultieren. Korrekturen könnten deshalb nötig sein, weil parallel Altbestände im Umlauf sind. Sie dürfen in der Übergangszeit noch ohne den neuen Data-Matrix-Sicherheitscode abgegeben werden.

Grüne fordern mehr Transparenz bei Umsetzung

Skeptisch zeigte sich Kordula Schulz-Asche von den Grünen. Sie forderte sogar, vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) über mögliche Probleme des Systems im Gesundheitsausschuss des Bundestages zu informieren. Mit Sorge habe sie zuletzt Berichte über häufige Falschmeldungen vernommen, so die Politikerin gegenüber der PZ. »Auch wenn die Trägerorganisation des Systems inzwischen Entwarnung gegeben hat, möchten wir mit der Berichtsbitte durch das BMG im Gesundheitsausschuss für mehr Transparenz bei der Umsetzung von Securpharm sorgen.« Zuversichtlicher ist FDP-Gesundheitsexperte Professor Andrew Ullmann. Wie so oft bei der Einführung von Neuem könnte zwar auch der Start von Securpharm etwas holprig werden, sagte er. »Wenn alle Akteure im Sinne der Patientensicherheit zusammenarbeiten, werden Anfangsherausforderungen allerdings schnell überwunden sein.«

Verstoßen Hersteller, Großhändler oder Apotheken gegen die neuen Securpharm-Regeln, passiert zunächst nicht viel. Wenn aber das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung im Sommer in Kraft tritt, sind Bußgelder vorgesehen. Für die Apotheker stellen sich im Alltag vor allem praktische Fragen, etwa wie sie bei der fast täglichen Stichprobenprüfungen von Fertigarzneimitteln vorgehen sollen. Dazu müssen sie nämlich künftig den Erstöffnungsschutz auf den neuen Packungen entfernen.

Das Problem sei bekannt, sagte Securpharm-Geschäftsführer Martin Bergen. Ob der Gesetzgeber sich langfristig für eine Änderung in der Apothekenbetriebsordnung entscheide, sei derzeit nicht abzusehen. Bis dahin sollen Apotheken das Arzneimittel für die Prüfung zunächst aus dem Securpharm-System ausbuchen. Ist es in Ordnung, kann es gekennzeichnet und wieder verschlossen werden. Bei der Abgabe an den Patienten muss der Apotheker entsprechend darauf hinweisen. Dieses Prozedere sieht die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung ohnehin vor. Dokumentiert werde die Stichprobe unabhängig vom Securpharm-System ebenfalls wie bislang üblich per Prüfprotokoll, so Bergen. Gerbsch kündigte darüber hinaus an, zeitnah weitere Informationen rund um das System an die Apotheken zu verschicken.

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