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Ansatz bei Krebs und Atherosklerose

Das »Friss-mich-nicht-Signal« CD47

Die Krebsimmuntherapie boomt seit einigen Jahren. Bisherige Ansätze zielen vor allem auf das adaptive Immunsystem, etwa T-Zellen. Aber auch Makrophagen als Player des angeborenen Immunsystems könnten ein Ziel für Immuntherapeutika werden. Diese könnten dann nicht nur bei Krebs, sondern auch bei Gefäßerkrankungen wie Atherosklerose wirksam sein.
Sven Siebenand
04.11.2021  12:30 Uhr
Das »Friss-mich-nicht-Signal« CD47

Sowohl im adaptiven als auch im angeborenen Immunsystem sind Bremsen der Abwehrfunktion eingebaut. Beispielsweise unterbindet der PD-1-Signalweg eine dauerhafte T-Zell-Aktivierung, um den Körper vor überschießenden Immunreaktionen zu schützen. Die Bindung des PD-1-Checkpoint-Rezeptors an seine Liganden hemmt die T-Zell-Proliferation und letztlich die Immunantwort. Diesen Mechanismus können sich Krebszellen zu Nutze machen, indem sie vermehrt diese Liganden auf ihrer Oberfläche exprimieren. Arzneistoffe wie Nivolumab, ein gegen den PD-1-Rezeptor gerichteter Antikörper, schalten das Immunsystem diesbezüglich wieder scharf.

Wichtiger Bestandteil der angeborenen Immunabwehr sind die Makrophagen: Fresszellen, die kranke oder bösartig veränderte Zellen über spezielle Strukturen auf der Zelloberfläche erkennen. Diese werden oft als Friss-mich-Signale (Eat-me-Signale) bezeichnet. Die Makrophagen tun genau das, indem sie die Phagozytose der veränderten Zellen nach Erkennen eines solchen Signals einleiten.

In Analogie zu den Friss-mich-Signalen kann man die in diesem System eingebauten Bremsen als Friss-mich-nicht-Signale (Don’t-eat-me-Signale) bezeichnen. Ein wichtiges dieser Signale ist das Protein CD47. Bindet eine Zelle über dieses Protein an den Makrophagen-Rezeptor SIRPα, wird die Phagozytosetätigkeit eingestellt. Bei gesunden Körperzellen ist das gewollt, bei Tumorzellen dagegen nicht. Mitunter schaffen es Krebszellen aber, über vermehrte Expression des Friss-mich-nicht-Proteins auf ihrer Oberfläche dem Angriff der Makrophagen zu entkommen.

Magrolimab bei Krebs

In der Onkologie wird seit einiger Zeit versucht, Hemmstoffe gegen CD47 oder SIRPα einzusetzen, um das zu verhindern. Die Bremse des angeborenen Immunsystems soll damit wieder gelöst werden. Ein derzeit bei verschiedenen Tumorarten klinisch getesteter Wirkstoff ist der Anti-CD47-Antikörper Magrolimab. Bindet er an CD47, ist das Friss-mich-nicht-Signal aufgehoben. Da Tumorzellen in der Regel auf ihrer Oberfläche weitere Friss-mich-Signale tragen, wird die Phagozytose der Zelle eingeleitet. Dass Magrolimab auch an CD47 auf gesunden Körperzellen andocken wird, ist nicht zu verhindern, aber voraussichtlich unproblematisch, da diese keine weiteren Friss-mich-Signale exprimieren.

Noch ist Magrolimab nicht auf dem Markt. Bisherige Studienergebnisse zeigen, dass es womöglich als Kombinationspartner, zum Beispiel von Rituximab oder Azacitidin, mehr Nutzen zeigen könnte als als Monotherapeutikum. Das könnte daran liegen, dass die auf den Tumorzellen exprimierten Friss-mich-Signale allein für eine effektive Immunantwort nicht ausreichend sind.

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