Covid-19 als Auslöser von Diabetes |
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann den Glucosestoffwechsel durcheinanderbringen und Ketoazidosen auslösen. / Foto: Fotolia/ MS Fotodesign
In einem Brief an das Fachjournal stellen 17 Diabetologen dar, dass es offenbar eine bidirektionale Beziehung zwischen Diabetes und Covid-19 gibt (DOI: 10.1056/NEJMc2018688). Schon früh im Verlauf der Pandemie hatte sich gezeigt, dass eine Diabetes-Erkrankung einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf von Covid-19 darstellt. Aber die SARS-CoV-2-Infektion kann auch zu einer Neumanifestation eines Diabetes führen und außerdem bei einem vorbestehenden Diabetes schwere metabolische Komplikationen wie Ketoazidose und Hyperosmolarität auslösen, die die Gabe von ausgesprochen hohen Insulindosen erforderlich machen.
Die Mediziner führen hierzu mehrere Studien als Beleg an. So zeigte etwa eine Untersuchung aus Wuhan, dass von 658 wegen Covid-19 hospitalisierten Patienten 6,4 Prozent bei Aufnahme ins Krankenhaus bereits eine Ketose aufwiesen (»Diabetes, Obesity and Metabolism«, DOI: 10.1111/dom.14057). Nur jeder Dritte von ihnen hatte einen vorbestehenden Diabetes. Das Vorliegen einer Ketoazidose verlängerte die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und die Mortalität.
Im Journal »Diabetes Research and Clinical Practice« stellen Forscher aus Singapur um Ying Jie Chee einen Fallbericht eines 37-jährigen Mannes vor, der während einer Covid-19-Erkrankung einen Diabetes mit Ketoazidose entwickelte (DOI: 10.1016/j.diabres.2020.108166). Er hatte keine Vorerkrankungen gehabt, war normalgewichtig und zeigte keine Anzeichen für Insulinresistenz.
Es ist plausibel, dass SARS-CoV-2 den Glucosestoffwechsel beeinflussen und damit die Pathophysiologie eines vorliegenden Diabetes verkomplizieren oder eine Neumanifestation der Stoffwechselerkrankung bedingen kann, heißt es in dem Brief an das »New England Journal of Medicine«. Denn das Coronavirus gelangt über den ACE2-Rezeptor in menschliche Zellen, die sich unter anderem auch auf den Betazellen des Pankreas befinden. So kann die Infektion die Insulin-produzierenden Zellen schädigen. Dieses Phänomen sei bereits bei SARS-CoV-1 beobachtet worden. Die Mediziner gehen daher davon aus, dass eine SARS-CoV-2-Infektion einen diabetogenen Effekt hat, der über die normale Stressreaktion einer schweren Infektion hinausgeht.
Es müsste dringend untersucht werden, wie häufig bei Covid-19-Patienten eine Neumanifestation von Diabetes vorkommt und um welchen Typ es sich dann handelt – Typ 1, 2 oder eine neue Form. Ändert Covid-19 bei Diabetikern die zugrunde liegende Pathophysiologie? Um diese Fragen zu klären, hat eine Gruppe von Diabetologen das Patienten-Register CoviDIAB Registry eingerichtet, in dem entsprechende Fälle von Diabetes-Neumanifestationen bei Covid-19-Patienten zu dokumentieren sind. Es soll später auf Patienten mit präexistierendem Diabetes, deren Stoffwechsel während einer Covid-19-Erkrankung entgleist, erweitert werden. Das Register soll helfen, Covid-19-assoziierten Diabetes besser zu verstehen, um ihn optimal behandeln zu können.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.