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Rheumatische Erkrankungen

Raus aus dem Bewegungsmangel

17.12.2014  09:42 Uhr

Von Thomas Kresser, Düsseldorf / Auch für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen gibt es gute Gründe, sich zu bewegen: Körperliche Aktivität verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern kann auch Schmerzen entgegenwirken und die Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer erhöhen. Doch nicht alle Patienten sind gut zu motivieren, und Bewegungstherapien werden noch zu selten verordnet.

Rheumatische Erkrankungen gehen in der Regel mit Schmerzen des Bewegungsapparates einher, weshalb Patienten eher zu körperlicher Schonung tendieren als zum Sport. Doch Schonung und Ruhe haben mehr negative als positive Folgen für die meisten Patienten. So werden Bewegungstherapien in Form von Krankengymnastik und Sporttherapie zum Beispiel für Patienten mit rheumatoider Arthritis ausdrücklich empfohlen. Dem Risikofaktor Bewegungsmangel widmete sich ein Symposium auf dem 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Düsseldorf.

 

Bewegungsmotivation bei Rheuma

 

Die positive Wirkung von regelmäßiger körperlicher Bewegung und Sport auf die körperliche und psychische Gesundheit ist belegt. Krankheitsbedingte Einschränkungen der Aktivität lassen sich bei Rheuma-Patienten durch regelmäßige Bewegung reduzieren oder aufheben, erklärte Kerstin Mattukat vom Institut für Rehabilitationsmedizin der Universität Halle. Bei dauerhaftem Bewegungsmangel gehe es insbesondere darum, Fehlverhaltensmuster zu durchbrechen. Der behandelnde Arzt könne hier praktisch unterstützen, sei es durch medizinische Versorgung, Beratung zu Sport und Bewegung, Verordnung von Bewegungstherapien, Vermittlung von Selbsthilfegruppen oder durch Offenheit gegenüber Neuem und Ausgefallenem (wie Sport-Apps oder Bauchtanz).

 

Einen psychologischen Einblick in die Bewegungsmotivation bei rheumatoiden Erkrankungen gab Mattukat auf Basis eigener Untersuchungsdaten. Grundsätzlich sei festzustellen, dass soziodemografische Parameter die Bewegungsmotivation negativ beeinflussen können: Frauen und ältere Patienten seien durchschnittlich weniger körperlich aktiv. Gleiches gelte für ethnische Minderheiten und Menschen mit geringer Schulbildung. »Junge, männliche Patienten mit höherer Schulbildung haben dagegen gute Voraussetzungen für körperliche Aktivität«, erklärte Mattukat.

 

Keinen Einfluss haben Faktoren wie Familienstand, Wohnsituation, Erwerbstätigkeit und Einkommen. Als hinderlich wirkten sich bei den Patienten funktionelle Einschränkungen, Schmerzen, Depressivität, Erschöpfung, Rauchen, Übergewicht/Adipositas, Arbeitsunfähigkeit oder Komorbiditäten aus, erläuterte Mattukat weiter. Aus Sicht des Patienten ergeben sich wiederum andere Faktoren, die das Bewegungsverhalten im positiven wie negativen Sinne beeinflussen können, wie beispielsweise Zeitressourcen oder innere Motivation.

 

Angst vor Verschlimmerung

 

Eine wichtige Rolle spielt die Angst der Patienten vor einer Krankheitsverschlimmerung, sowohl durch Bewegung als auch durch Bewegungsmangel. Eindeutig fördernd wirke sich die Teilnahme an rheumaspezifischen Patientenschulungen sowie die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe aus. Auch die soziale Unterstützung durch Familie, Freunde, Partner und nicht zuletzt den Arzt motivieren Rheuma-Patienten zu mehr Sport und Bewegung.

 

Ein wichtiger Indikator für künftige körperliche Aktivität reicht bis in die Kindheit zurück: Wer in dieser Zeit Spaß an Sport und Bewegung habe, der lege den Grundstein für ein aktives Leben, auch nach einer rheumatischen Erkrankung. »Grundsätzlich haben wir in unseren Untersuchungen festgestellt, dass die bei Rheuma-Patienten gefundenen Einflussfaktoren denen der Allgemeinbevölkerung ähneln«, so Mattukat weiter.

 

Physikalische Therapie auf dem Rückzug

 

Den Widerspruch von Anspruch und Wirklichkeit bei der Anwendung von Physio- und Ergotherapie bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zeigte Professor Dr. Uwe Lange von der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim auf. Die Wirksamkeit dieser Therapien sei ebenso unstrittig wie die Tatsache, dass sie Bestandteil aktueller Leitlinien, etwa zur frühen rheumatoiden Arthritis seien. Dennoch werden sie nicht häufig genug verordnet. Die meisten Anwendungen, wie die Elektrotherapie (- 8 Prozent), die Ergotherapie (- 3 Prozent) oder das Funktionstraining (- 7 Prozent) seien sogar rückläufig, wie Lange anhand von Daten der Kerndokumentation der regionalen Kooperativen Rheumazentren von 1994 bis 2004 verdeutlichte. Hinzu komme, dass mehr als die Hälfte der Patienten noch nie eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme bekommen habe. Diese wirkt den mitunter deutlichen Funktionseinschränkungen entgegen und könne verfrühter Arbeitsunfähigkeit vorbeugen. Die Ursachen sieht Lange vor allem in der Budgetierung der Heilmittel sowie der Komplexität der Heilmittelverordnung bei GKV-Versicherten.

 

Optimierungsbedürftig

 

Lange zufolge ist die Verordnung von Physio- und Ergotherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen dringend optimierungsbedürftig, um den Patienten eine optimale Behandlung zukommen zu lassen. /

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