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Antoine Augustin Parmentier

Apotheker und Agrarchemiker

16.12.2013  12:48 Uhr

Von Christoph Friedrich / Am 17. Dezember vor 200 Jahren verstarb der französische Apotheker Antoine Augustin Parmentier. Sein Leben spiegelt den französisch-deutschen Wissenschaftstransfer dieser Zeit in idealer Weise wider. Während des Siebenjährigen Krieges gelangte er 1757 als Militärapotheker nach Deutschland, wo er Kontakt zu Naturforschern hatte. In Frankreich setzte er sich für den Kartoffelanbau ein, der schließlich auch in Deutschland die Ernährungssituation deutlich verbesserte.

Parmentier wurde am 17. August 1737 in Montdidier in der Picardie geboren. Er entstammte keiner sehr vermögenden Familie, erhielt jedoch eine gute Bildung, den ersten Lateinunterricht erteilte seine Mutter. Die Apothekerausbildung begann er in Montdidier und setzte sie 1755 in Paris bei Apotheker ­Simonet, einem Verwandten, fort. ­Obwohl wenig über seine Jugend bekannt ist, heißt es in seinem Nekrolog: »Er besaß einen lebhaften, durchdringenden, bey der Arbeit unermüdlichen Geist, der sich blos durch den Wechsel seiner Beschäftigungen wieder erholte; sein einziges Vergnügen war die Unterhaltung mit einigen fleißigen Freunden.« (1)

1757 trat er in die französische Armee als Apotheker ein und begleitete diese während des Siebenjährigen Krieges nach Hannover. Fünfmal geriet er in Gefangenschaft, hungerte und verlor seine sämtlichen Habseligkeiten. In Frankfurt am Main hatte er Kontakt zu dem Naturforscher Christian Friedrich Meyer, der ihm seine Tochter zur Frau geben wollte, sofern er sich hier niederlassen würde. Parmentier kehrte jedoch nach Frankreich zurück und besuchte 1763 in Paris Kurse zur Physik bei Abbé Nollet und zur Chemie bei den Gebrüdern Guillaume François (1703 bis 1770) und Hilaire Marin Rouelle (1718 bis 1779). Gemeinsam mit Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) nahm er auch an botanischen Übungen von Bernard de Jussieu (1699 bis 1777) teil. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er in einer Offi- zin bei Apotheker Loron (1).

 

1765 erhielt Parmentier eine Stelle als Apotheker am Königlichen Invalidenhaus, wo er 1771 zum Oberapotheker befördert wurde. Obwohl es zu Streitigkeiten mit den Schwestern des Invalidenhauses kam, gewährte ihm König Ludwig XVI. weiterhin ein Gehalt von 1200 Livres. Parmentiers Karriere als Militärapotheker fand ihren Höhepunkt mit der Ernennung zum Generalinspektor des Medizinalwesens. Unter seiner Leitung erhielten die Militärlazarette und -apotheken eine zweckmäßige Einrichtung (2).

 

1771 lobte die Akademie zu Besançon einen Preis zur Untersuchung von Nahrungspflanzen aus, die in Zeiten einer Hungersnot genutzt werden konnten, den Parmentier erhielt. Er empfahl anstelle von Korn die Kartoffel, die damals wie auch andere Solanaceen als giftig galt. Er untersuchte sie chemisch und stellte ein Mehl her, das sich auch zum Brotbacken eignete. Seine Ergebnisse legte er 1773 in seiner Schrift: »Examen chymique des pommes de terre. Dans lequel on traite des Parties constituantes du Bled« nieder. Obwohl die Franzosen der Kartoffel zunächst ablehnend gegenüberstanden, gelang es ihm, König Ludwig XVI. für diese Pflanze zu begeistern, sodass dieser an einem Festtage einen Strauß Kartoffelblüten an seinem Knopfloch trug. Der König überließ ihm einen Acker als Versuchsfeld für den Kartoffelanbau (3).

 

Begabter Wissenschaftler

 

Parmentiers beschäftigte sich auch mit Zucker und stellte Weinsirup her, den er im ganzen Land bekannt zu machen suchte. So verfolgte er »diesen Syrup bey sich tragend [. . .] damit die Großen, die Minister; er schritt bis zum Fuße des Throns fort, und erhielt von einem großen Monarchen die Erlaubniß, ihn für gut anerkennen zu lassen« (4). Weitere Analysen widmeten sich dem Weizen und dessen Mehl, Kastanienmilch und Schokolade, und er galt in Frankreich als eines der angesehensten Mitglieder der Königlichen Societé für Agrikultur.

Viele seiner Untersuchungen fanden auch in Deutschland Beachtung, wobei der Erfurter Apotheker und Professor der Chemie Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 bis 1837) besonderen Anteil an der Popularisierung der Parmentierschen Arbeiten hatte. So erschien 1809 in Erfurt die Übersetzung seines kleinen Buches »Ueber die Mittel, den Zucker zu ergänzen, sowohl in der Arzneykunde als auch in der häuslichen Oekonomie, nebst Vorschriften zur Bereitungsart der beliebtesten französischen Liqueure et cetera«. Es war mit Anmerkungen Trommsdorffs versehen, während dessen Bruder, der in Sömmerda wirkende Arzt Friedrich Caspar Christian Trommsdorff (1782 bis 1822), es aus dem Französischen übertragen hatte (5). Arbeiten über die Gewinnung von Zucker, der noch zu Ende des 18. Jahrhunderts zu den Luxuswaren zählte, fanden damals großes Interesse. 1747 hatte der Berliner Apotheker Andreas Sigismund Marggraf (1709 bis 1782) aus dem Weißen Mangold (Beta vulgaris) Saccharose hergestellt. Zwar dachte bereits Marggraf an die praktische Nutzung seiner Entdeckung, jedoch blieb dies seinem Schüler Franz Carl Achard (1753 bis 1821) vorbehalten (6). Einen Aufschwung erlebte die Rübenzuckerproduktion nach Verkündigung der Kontinentalsperre am 21. November 1806 durch Napoleon, die den Handel zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland verbot und dazu beitrug, dass die Nachfrage nach Rübenzucker noch weiter stieg.

 

Im Mittelpunkt von Parmentiers Schrift steht die Gewinnung von Zucker aus Weintrauben. Er erläutert die Bereitung des Mostes und des Weintraubensirups. Für Hausfrauen machte er Vorschläge zur Verwendung des Sirups sowie zur Herstellung von Weintraubenkonfitüren; sogar die Kosten für das Erzeugen von Zucker aus schwarzen Trauben, Birnen, Äpfeln oder Holz werden mitgeteilt.

Trommsdorff betont die Bedeutung der Parmentierschen Schrift für Deutschland: »Obgleich der Verfasser bloß auf Frankreich Rücksicht nimmt, so dürften doch viele seiner Erfahrungen auch auf viele Länder Deutschlands passen, die starken Weinbau treiben. Hier prüfe man diese Vorschläge, und ändere sie nach den Lokalitäten ab.« (7)

 

Trommsdorffs Journal

 

Obwohl Briefe Parmentiers an Trommsdorff nicht erhalten sind, erschienen in dessen »Journal der Pharmacie« neben einem Nekrolog auf Parmentier, zwölf Übersetzungen von dessen Publikationen aus der Zeitschrift »Annales de Chimie«. Drei beschäftigen sich ebenfalls mit dem Vorkommen von Zucker in verschiedenen Pflanzen. Weitere Veröffentlichungen sind Honig und Honigwasser, Schokolade und Wein beziehungsweise medizinischen Weinen gewidmet, aber auch Arzneiformen und deren Herstellung, wie Tinkturen und Pflanzenextrakten, und erinnern an Parmentiers apothekarische Herkunft. Von pharmazeutischer Relevanz ist ferner ein Aufsatz über Spanische Fliegen und die Bereitung eines Zugpflasters. Im Auftrag des Innenministeriums befasste sich Parmentier mit der Botanik, Trocknung und medizinischen Nutzung der roten Rosen (Rosa centifolia). Parmentier war nie verheiratet, im fortgerückten Alter wohnte seine Schwester bei ihm und führte den Haushalt. Er war, wie sein Biograf Virey schreibt, »von hoher Statur, seine Gesichtsfarbe lebhaft und frisch, sein Körper vollsaftig und stark, er litt kaum in seinem Leben an einer anderen Krankheit als am Dampf«, gemeint ist eine Rippenfellentzündung (8). Im Alter von 76 Jahren starb er am 17. Dezember 1813 schließlich an einem chronischen Brustleiden. Wie kaum ein anderer französischer Apotheker hat sich Parmentier im Sinne des Utilitarismus besonders um die Agrikulturchemie verdient gemacht. /

Quellen und Literatur

  1. Virey, J. J., Nekrolog. Das Leben und die Werke Anton Augustin Parmentiers, Mitglied des Instituts, ersten Apotheker der Armeen, General-Inspektor der Gesundheitsbeamten, Offizier der Ehrenlegion et cetera, in: Journal der Pharmacie 24 (1815), 2. Stück, S. 301–328.
  2. Bermann, A., Parmentier, Antoine-Augustin, in: Dictionary of scientific Biography, Bd. X, S. 325 f.
  3. Lafond, O., Parmentier Au-delà de la pomme de terre. Paris 2012, S. 32–39.
  4. Virey (wie Anm. 1), S. 323.
  5. Parmentier, [Antoine Augustin], Ueber die Mittel, den Zucker zu ergänzen, sowohl in der Arzneykunde als auch in der häuslichen Oekonomie, nebst Vorschriften zur Bereitungsart der beliebtesten französischen Liqueure et cetera Erfurt 1809.
  6. Schümann, Ch., Der Anteil deutscher Apotheker an der Entwicklung der technischen Chemie zwischen 1750 und 1850. Frankfurt am Main 1997, S. 269–274.
  7. Parmentier (wie Anm. 5), vor S. 1.
  8. Virey (wie Anm. 1), S. 327.

Verfasser

Professor Dr. Christoph Friedrich,  Institut für Geschichte der Pharmazie, Roter Graben 10, 35032 Marburg,  E-Mail: ch.friedrich(at)staff.uni-marburg.de

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