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Gesundheitswirtschaft

Wachstum durch Innovationen

14.12.2010  16:22 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / Mit 5,5 Milliarden Euro und sechs nationalen Zentren will die Bundesregierung die Gesundheitsforschung anschieben. Das reiche aber leider nicht aus, hält die Pharmaindustrie entgegen. Ihr fehlen politische Verlässlichkeit und steuerliche Förderungen.

Kapital alleine ist tote Materie, der eigentliche Treiber wirtschaftlichen Wachstums sind Ideen und Innovation. Mit diesem Hinweis gab Dr. Rainer Hank, Ressortleiter Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, als Gastgeber vergangene Woche in Berlin die Richtung der folgenden Diskussion vor. Auf Einladung des F.A.Z.-Instituts und des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (VFA) übernahmen das Wort dann als Antipoden Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, und Dr. Andreas Penk, Deutschland-Chef bei Pfizer und stellvertretender Vorstandsvorsitzender im VFA. Schütte machte überzeugend deutlich, dass die Bundesregierung sich bewusst anstrengt, die Innovationskraft des Standorts Deutschland zu stärken – insbesondere auch in der Gesundheitswirtschaft. Allerdings wusste Penk mit ebenfalls plausiblen Argumenten darzulegen, warum diese Anstrengungen möglicherweise auf Dauer nicht ausreichen.

 

Erst vor wenigen Wochen sei der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Ausbreitung der Malaria, die jedes Jahr einer Million Menschen weltweit den Tod bringt, erforscht worden, sagte Schütte. Damit wolle er auf den komplexen Rahmen hinweisen, in den sich die High-Tech-Strategie der Regierung einzufügen habe, erklärte der enge Mitarbeiter von Ministerin Annette Schavan (CDU) weiter. Sie ziele auf die Bewältigung großer Herausforderungen; in Deutschland sei dies vor allem der demografische Wandel. Und es gehe darum, im weltweiten Wettbewerb um die klügsten und innovativsten Köpfe zu bestehen.

 

Verstärkt in Forschung investieren

 

Insgesamt seien die Ausgaben der Bundesregierung für Forschung und Entwicklung bereits zwischen 2005 und 2008 um 19 Prozent respektive 7,4 Milliarden Euro gestiegen, im vergangenen Jahr habe sich ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 2,67 auf 2,8 Prozent erhöht. Seit diesem Jahr dürfe davon ausgegangen werden, dass nach dem Überwinden der Wirtschaftskrise auch die privaten Investitionen in diesem Bereich wieder steigen, sagte Schütte.

 

Die Gesundheitsforschung und -wirtschaft spielen dabei eine besondere Rolle. »Wir definieren Zukunftsprojekte«, erläuterte Schütte. Inhaltlich gehe es zum einen um Vorhaben mit dem Ziel, Menschen auch in hohem Alter ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, zum anderen um eine bessere Therapierbarkeit durch individualisierte Medizin. Zudem wolle die Regierung den Übergang von Forschungsergebnissen in die klinische Versorgung und auch in die Regelversorgung verbessern und die Versorgungsforschung ausbauen.

 

Als weitere Aktionsfelder nannte Schütte die Finanzierung von Innovationen, die Validierung und Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen und Produkten sowie das Stärken der Wettbewerbsfähigkeit der Gesundheitswirtschaft bei gleichzeitigem Ausbau internationaler Kooperationen und den Schutz geistigen Eigentums.

 

Konkret nannte der Staatssekretär das vorige Woche bekannt gemachte Rahmenprogramm Gesundheitsforschung. 5,5 Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren, unter anderem in sechs Zentren für Gesundheitsforschung, die die Aktivitäten in ausgewählten Feldern koordinieren sollen. Zwei davon bestehen bereits: das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in der Helmholtz-Gemeinschaft mit acht Standorten und das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung mit Geschäftsstelle in München. Auf ähnliche Weise soll künftig auch die Forschung über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Krebs und Lungenerkrankungen gebündelt werden. Durchschlagenden Erfolg bei allen genannten Punkten könne es nur geben, wenn die zuständigen Ressorts für Forschung, Wirtschaft und Gesundheit zusammenarbeiten, betonte Schütte.

 

Keine deutsche Innovationskultur

 

In der Praxis ist das bisher aber nicht immer der Fall – und genau darin sieht Penk eines der drängenden Probleme aus Sicht der Pharmaindustrie. »Wir haben hier in Deutschland zum Teil einen einzigartigen Forschungs- und Produktionsstandort«, urteilte Penk zwar insgesamt positiv. Aber es habe zuletzt an verlässlichen und über einen längeren Zeitraum gültigen Spielregeln gemangelt. Die politisch entscheidenden vierjährigen Legislaturperioden kollidierten oft mit den zehn- bis zwölfjährigen Zyklen in der Arzneimittelforschung, erklärte er.

 

»Eine Innovationskultur gibt es nicht in Deutschland«, kritisierte der Pfizer-Manager. Das liege nicht nur an betriebswirtschaftlichen Gründen wie Steuern und hohen Kosten, sondern auch daran, dass die Gesellschaft Stolz und Anerkennung für Leistungen auf diesem Gebiet allzu oft verweigere.

 

Den Worten Schüttes hielt Penk entgegen, dass Länder wie die Schweiz und Norwegen noch sehr viel aktiver seien. »21 von 30 OECD-Ländern haben mittlerweile eine steuerliche Forschungsförderung – Deutschland kann sich das offenbar nicht leisten«, sagte Penk.

 

Der demografische Wandel sorge dafür, dass der Einsatz älterer Menschen im Arbeitsleben, aber auch in der Pflege immer dringender benötigt werde. Darum sei der Kampf gegen Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs zentral. »Wir sollten hier massiv investieren«, forderte der Pfizer-Deutschlandchef.

 

Eine starke Stellung Deutschlands in der Pharmaindustrie und Medizintechnologie sei nämlich keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Eine ehemalige Schlüsselbranche wie die Elektroindustrie sei irgendwann auch aus der Bundesrepublik verschwunden, erinnerte Penk. /

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