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Nierenwerte

Funktion des Filters testen

09.12.2008  11:12 Uhr

Nierenwerte

Funktion des Filters testen

Von Christina Hohmann

 

Viele Medikamente und deren Abbauprodukte werden über die Niere ausgeschieden. Für einige Therapien ist es daher wichtig, die Funktion des Organs zu kennen. Hierfür werden die sogenannten Nierenwerte bestimmt.

 

Die Niere hat eine ganze Reihe von wichtigen Funktionen. Sie reguliert unter anderem den Wasserhaushalt des Körpers, den Säure-Base-Gehalt des Blutes und den Blutdruck. Eine der Hauptaufgaben ist aber die Reinigung des Blutes. Dabei wirkt die Niere wie ein Filter, der die Blutzellen zurückhält und aus dem Plasma den Primärharn bildet. Dieser enthält alle löslichen Bestandteile des Blutes wie Elektrolyte und Nahrungsbestandteile, aber auch Abbauprodukte von körpereigenen Molekülen oder Fremdstoffe, die eliminiert werden sollen. Die Filtrierleistung ist dabei enorm: 300 Mal pro Tag filtern die Nieren das gesamte Blut des Körpers, was etwa 1500 Litern entspricht. Daraus bilden die Organe täglich etwa 180 Liter Primärharn, aus dem aber Wasser und viele wertvolle Stoffe wie Glucose wieder resorbiert werden. Auf diese Weise wird der Primärharn auf einen Liter Harn konzentriert. Dieser wird mit Abbauprodukten des Stoffwechsels und Fremdstoffen ausgeschieden.

 

Verschiedene Erkrankungen wie Infektionen, Entzündungen, Tumore, Diabetes oder Vergiftungen können die Filtrierleistung der Niere herabsetzen. Um die Funktion zu überprüfen, werden die Nierenwerte aus dem Blut bestimmt. Hierzu zählen der Gehalt von Harnstoff, Cystatin C und Kreatinin sowie die Kreatininclearance. Auch die Messung von Zucker, Erythrozyten oder Protein im Urin gibt Auskunft über die Nierenfunktion.

 

Harnstoff

 

Harnstoff ist das Endprodukt des Proteinstoffwechsels, das in der Leber entsteht. Erwachsene bilden pro Tag zwischen 20 und 40 g, die zu 90 Prozent über die Niere eliminiert werden. Daher eignet sich die Harnstoffkonzentration im Blut als Marker für die Nierenfunktion. Der Harnstoffgehalt hängt neben der Ausscheidung im Urin auch von der täglichen Proteinaufnahme mit der Nahrung und von der Stoffwechselsituation ab. Als normal gelten Werte zwischen 17 und 43 mg/dl Blut. Erhöhte Werte (Azotämie) können unterschiedliche Gründe haben. Sie können zum Beispiel auf eine schwere Niereninsuffizienz zurückgehen. Bei normaler Proteinzufuhr steigt der Harnstoffgehalt im Blut erst an, wenn die Nierenfunktion um 50 bis 70 Prozent eingeschränkt ist. Insgesamt ist die Harnstoffkonzentration ein eher unsensibler und auch unspezifischer Marker für die Nierengesundheit.

 

Erhöhte Werte können auch durch einen übermäßigen Eiweißkonsum entstehen. Ein Verzehr von mehr als 200 g Proteinen pro Tag kann den Harnstoffgehalt auf etwa 80 mg/dl anheben. Auch katabole Situationen etwa nach Traumen, nach Operationen, bei Fieber oder Hunger können die Harnstoffkonzentration anheben. Zu einer Azotämie können zudem nephrotoxische Substanzen wie Thallium, Lithium, Analgetika, Antibiotika und Diuretika führen.

 

Cystatin C

 

Bei Cystatin C handelt es sich um einen Cystein-Protease-Inhibitor aus der Cystatin-Superfamilie. Das körpereigene, niedermolekulare Protein wird von den meisten kernhaltigen Körperzellen in relativ konstanter Rate produziert. Die Bildung wird nicht von entzündlichen Prozessen beeinflusst. Das Protein wird ausschließlich über freie glomeruläre Filtration eliminiert, es wird weder sezerniert noch rückresorbiert. In der Nierendiagnostik wird der Cystatin-C-Wert daher zur Kontrolle der glomerulären Filtrationsrate bestimmt. Der Test wird meist bei Nierenerkrankungen, zur Frühdiagnose von renalen Dysfunktionen und zur Kontrolle nach Nierentransplantationen durchgeführt. Auch um die Dosis von renal eliminierten Arzneistoffen wie etwa Zytostatika anzupassen, kann die Messung hilfreich sein.

 

Dabei wird der Cystatin-C-Gehalt aus dem Blut bestimmt. Der Normbereich liegt altersunabhängig zwischen 0,56 und 0,95 mg/l. Erhöhte Werte zeigen an, dass die glomeruläre Filtrationsrate eingeschränkt ist. Auch bei einigen Autoimmunerkrankungen kann der Cystatin-C-Wert erhöht sein.

 

Kreatinin

 

Kreatinin ist ein Abbauprodukt der Säure Kreatin, die an der Energieversorgung von Muskelzellen beteiligt ist. Unter Belastung setzen die Muskeln das Abbauprodukt frei. Etwa 1 bis 2 Prozent des vorhandenen Kreatins wird täglich metabolisiert und als Kreatinin renal ausgeschieden. Die Kreatininkonzentration ist von der Nahrung mehr oder weniger unabhängig, aber hängt in geringem Maß von der Muskelmasse ab. Aus verschiedenen Gründen eignet sich die Substanz als Parameter für die Filtrationsleistung: Sie wird aus den Muskeln gleichmäßig freigesetzt, fast ausschließlich über die Niere eliminiert, und dabei wird Kreatinin weder sezerniert noch resorbiert.

 

Die Hauptindikation für die Bestimmung des Kreatiningehalts im Blut ist die Diagnostik von akuten und chronischen Nierenerkrankungen. Dabei steigen die Werte (entsprechend dem Harnstoff-Gehalt) erst an, wenn die glomeruläre Filtrationsrate um mehr als 50 Prozent eingeschränkt ist.

 

Als normal gelten Werte von 0,84 bis 1,36 mg/dl für Männer und 0,66 bis 1,17 mg/dl für Frauen. Erhöhte Kreatininkonzentrationen können auf Austrocknung (Exsikkose), Muskelzersetzung, Muskelquetschung oder Akromegalie zurückgehen. Hohe Werte entstehen aber auch bei akutem Nierenversagen, Schock, Harnwegsverlegungen und bei chronischer Niereninsuffizienz etwa bei diabetischer Nephropathie, Hypertonie oder Kollagenosen. Zu »falsch« erhöhten Kreatininkonzentrationen kann es bei der Einnahme verschiedener Substanzen kommen. Hierzu zählen Analgetika (ASS), Antiphlogistika, Aminoglykosid-Antibiotika, Ciclosporin, Diuretika, Zytostatika, Lithium, Thallium und Quecksilber. Erniedrigte Werte können in der Schwangerschaft oder in einem frühen Stadium des Diabetes mellitus auftreten oder auf Untergewicht sowie Muskelatrophie zurückgehen.

 

Die Cystatin-C-Messung hat gegenüber der Kreatininmessung einige Vorteile. So hat die Muskelmasse einen geringeren Einfluss auf die Cystatin-C-Werte, was gerade bei Kindern zu genaueren Ergebnissen führt. Zudem beeinflussen Substanzen wie Cephalosporine, ASS, Ciclosporin und Bilirubin die Jaffé-Reaktion, die der Kreatininmessung zugrunde liegt, aber nicht die Cystatin-C-Methode. Letztere ist außerdem sensitiver. Sie kann eine Niereninsuffizienz schon in einem Stadium feststellen, in dem die Kreatininwerte noch nicht erhöht sind. Die Cystatin-C-Werte liefern daher genauere Ergebnisse zur glomerulären Filtrationsrate. Bei grenzwertigen Kreatininkonzentrationen bietet sich auch an, die Kreatininclearance zu bestimmen.

 

Kreatininclearance

 

Für die Bestimmung müssen mehrere Parameter erfasst werden: Zum einen die Kreatininkonzentration aus dem 24-Stunden-Sammelurin, zum anderen die Konzentration im Blutserum (parallel gemessen) sowie das Volumen des Sammelurins, aus dem sich das Harnzeitvolumen in ml/min errechnen lässt. Die 24 Stunden Sammelzeit müssen genau eingehalten werden, und in diesem Zeitraum darf der Patient kein Fleisch essen und keine großen körperlichen Anstrengungen verrichten, da dies die Ergebnisse verfälschen kann. Außerdem werden die Körpergröße und das Gewicht benötigt, um die Körperoberfläche berechnen zu können, die in die Formel mit eingeht. Die Clearance wird wie folgt berechnet: Kreatininclearance = Urinkonzentration von Kreatinin x Harnvolumen/Plasmakonzentration von Kreatinin x Zeit.

 

Für Männer (bis 40 Jahre) gilt eine Clearance von 95 bis 160 ml/min x 1,73 m2 Körperoberfläche und für Frauen (bis 40 Jahre) ein Wert von 60 bis 139 ml/min x 1,73 m2 Körperoberfläche. Im Alter sinkt die Filtrationsrate. Nach dem 40. Lebensjahr fällt die Kreatininclearance alle zehn Jahre um etwa 8,5 ml/min. Schneller, aber ungenauer lässt sich die Clearance nach der Cockroft-Gault-Formel abschätzen. Hier wird die Clearance wie folgt berechnet: Kreatininclearance = (140 - Lebensjahre) x Köpergewicht/0,82 x Serumkreatininkonzentration (mg/µmol/l). Bei Frauen muss der Wert noch mit 0,85 multipliziert werden.

 

Zu niedrige Werte weisen vor allem auf Nierenerkrankungen und Nierenschäden durch Flüssigkeitsverluste etwa bei Erbrechen oder Diarrhö hin. Sie können aber auch durch Herzinsuffizienz, Eiweißmangel-Syndrom, allergischen Reaktionen oder Muskelzerfall zustande kommen. Erhöhte Clearancewerte (glomeruläre Hyperperfusion) können in der Schwangerschaft oder in einem frühen Stadium des Diabetes auftreten.

 

Urinuntersuchungen

 

Neben dem Blut liefert auch der Urin Hinweise auf den Gesundheitszustand der Nieren. Hier ist vor allem der Gehalt an Glucose, Erythrozyten und Protein entscheidend. Am besten ist zur Analyse der Morgenurin geeignet. Glucose und Erythrozyten sollten sich gar nicht und Proteine nur in geringem Maße im Urin befinden.

 

Der Urinzucker lässt sich mithilfe von Teststreifen bestimmen. Dieser Test ist bei Nierenerkrankungen sinnvoll, zur Therapiekontrolle bei Diabetikern ist er nicht mehr üblich. Der Wert sollte bei Erwachsenen unter 165 mg/l beziehungsweise unter 0,92 mmol/l liegen. Höhere Werte lassen auf Nierenerkrankungen, Nierenschäden oder Diabetes mellitus schließen. Auch Tumore und Entzündungen können zu Zucker im Urin führen.

 

Rote Blutkörperchen im Urin (Hämaturie) lassen sich ebenfalls mithilfe eines Teststreifens ermitteln. Ihre Zahl sollte unter 10 Erythrozyten pro Mikroliter liegen. Blut im Urin kann auf verschiedene Erkrankungen zurückgehen. Als Ursache kommen unter anderem Tumoren, Nierensteine, Glomerulonephritis (Entzündung der Nierenkörperchen), Nierenentzündung und Infektionen der Harnwege infrage. Zudem kann Blut im Urin auch bei Nephropathien durch Diabetes oder Hypertonie auftreten.

 

Das wichtigste Leitsymptom für die Diagnostik von Nierenerkrankung ist die Ausscheidung von Eiweiß im Urin (Proteinurie). Protein kann in den Urin gelangen, wenn der Harnfilter durchlässig wird, die Rückresorption gestört ist oder beides kombiniert vorliegt. Die Höhe der Proteinurie steht im direkten Verhältnis zum Ausmaß der Nierenschädigung. Zur Bestimmung stehen Teststreifen zur Verfügung, die allerdings wenig empfindlich sind. Sensitiver ist der Mikroalbumin-Test (der Nachweis von Albumin im Harn), für den spezielle Teststreifen existieren. Die Proteinurie ist ein häufiges, aber unspezifisches Symptom für Nierenerkrankungen. Ihre Ursache müsste anschließend genau abgeklärt werden. Die Mikroalbuminurie ist der wichtigste Früherkennungsfaktor für Nierenschäden infolge eines Diabetes oder einer Hypertonie (siehe dazu Mikroalbuminurie: Alarmzeichen der Niere, PZ 49/2008). Als pathologisch gelten Albuminkonzentrationen von 20 bis 200 mg/l. Werte unter 20 mg/l sind normal.

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