Studien versus klinischer Alltag |
04.12.2012 16:17 Uhr |
Von Ulrike Viegener / Randomisierte kontrollierte Studien gelten als bestgeeignet, um ein realistisches Bild von Arzneimittelwirkungen zu vermitteln. Zwei aktuelle Untersuchungen im Fachjournal »JAMA« deuten jedoch darauf hin, dass die Effekte im »wahren Leben« anders ausfallen können.
Aldosteron-Antagonisten haben sich in randomisierten Studien als hocheffizient bei Herzinsuffizienz erwiesen. Adrian Hernandez und Kollegen vom Duke Clinical Research Institute in Durham wollten wissen, ob im Alltag ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen sind (doi: 10.1001/jama.2012.14795). Deshalb untersuchten sie auf der Basis von Krankenregister-Daten die weitere Entwicklung ausgewählter älterer Patienten, die wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden. Insgesamt kamen 5887 Patienten zur Auswertung. Bei 1070 von ihnen wurde zum Zeitpunkt der Entlassung eine Behandlung mit Aldosteron-Antagonisten begonnen. Die Ergebnisse der retrospektiven Datenanalyse: Die in Studien beobachtete Senkung der Sterblichkeit um bis zu 30 Prozent ließ sich nicht bestätigen. Unter Aldosteron-Antagonisten waren nach drei Jahren 49,9 Prozent der Patienten verstorben versus 51,2 Prozent bei den übrigen als Kontrolle dienenden Patienten.
Foto: Fotolia/Dmitry Naumov
Eine weitere Abweichung betrifft das Auftreten von Hypokaliämien unter Aldosteron-Antagonisten. Diese Nebenwirkung war im wahren Leben deutlich häufiger. Eine Studie mit Eplerenon hatte eine Inzidenz von 0,3 Prozent in 21 Monaten ausgewiesen. Von den retrospektiv analysierten Patienten dagegen mussten 2,9 Prozent unter Aldosteron-Antagonisten innerhalb von 30 Tagen wegen einer Hypokaliämie erneut hospitalisiert werden. Nach einem Jahr waren es sogar 8,9 Prozent. Deutlich niedriger die Vergleichswerte: 1,2 beziehungsweise 6,3 Prozent.
Wie sich die Unterschiede zwischen Studien- und Alltagssituation erklären, bleibt spekulativ. Die Autoren vermuten Unterschiede bei den behandelten Kollektiven. Es ist bekannt, dass ältere und/oder multimorbide Patienten in klinischen Studien oft unterrepräsentiert sind. Andererseits hat sich gezeigt, dass viele Ärzte Aldosteron-Antagonisten eher zurückhaltend anwenden, weil sie die Komplikation der Hypokaliämie fürchten. Es könnte deshalb sein, dass diese Medikamente in der Alltagsrealität oft als letzte Wahl bei sonst therapierefraktären Patienten eingesetzt werden – also bei einem Kollektiv, dass eine vergleichsweise schlechte Prognose besitzt und durch Nebenwirkungen besonders gefährdet ist.
Verkehrte Welt
Es kann aber auch genau andersherum sein: Medikamente können im Alltag besser wirken als unter Studienbedingungen. Darauf deutet zumindest eine weitere zu dieser Frage veröffentlichte Studie hin (doi: 10.1001/jama.2012. 14785). Laut dieser ebenfalls retrospektiven Untersuchung wirken ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker sehr wohl auch bei diastolischer Herzinsuffizienz, das heißt einer Herzinsuffizienz bei erhaltener linksventrikulärer Pumpfunktion. Bei diesem Kollektiv hatte sich in randomisierten Studien kein Nutzen nachweisen lassen. /