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Biosimilars

Sandoz fordert Starthilfen

02.12.2008  16:17 Uhr

Biosimilars

Sandoz fordert Starthilfen

Von Uta Grossman, Berlin

 

Um beim Entwickeln von Generika für nicht mehr patentgeschützte Biopharmazeutika wettbewerbsfähig zu sein, braucht die Industrie politische Regularien. Das fordert der Pharmakonzern Sandoz, ein Pionier der Herstellung von Biosimilars.

 

Sandoz ist stolz darauf, als erster Pharmakonzern Biosimilars entwickelt zu haben. Biosimilars (Similar Biological Medicinal Products) sind Nachahmerprodukte biotechnologisch hergestellter Medikamente. Im Unterschied zu Generika, den Kopien chemisch produzierter Arzneimittel, sind Biosimilars den Original-Biopharmazeutika nur ähnlich, weil sie mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder Zelllinien hergestellt werden. Es handelt sich um hochkomplexe Wirkstoffe mit großen Proteinen, deren Molekulargewicht zwischen 5000 und 145.000 Dalton liegt. Im Vergleich dazu hat Aspirin ein Molekulargewicht von 180 Dalton.

 

Für Biosimilars leistete Sandoz nicht nur im Forschungslabor Pionierarbeit, auch der Zulassungsweg musste neu definiert werden, denn bisher gab es in der Europäischen Union (EU) für Arzneimittel nur zwei Zulassungsklassen: eine für patentgeschützte Originalpräparate und eine für Generika. Im Oktober 2005 legte die europäische Zulassungsbehörde EMEA Regeln für die Entwicklung und Herstellung von Biosimilars vor. So muss zum Beispiel bei Biosimilars, anders als bei Generika, die biologische Vergleichbarkeit mit dem Original auch in klinischen Studien belegt werden.

 

Großes Sparpotenzial

 

Im April 2006 brachte Sandoz als erstes europäisches Unternehmen ein Biosimilar auf den Markt, das rekombinante menschliche Wachstumshormon Omnitrope mit dem Wirkstoff Somatropin. Das erste komplexe Biosimilar ist das Anämie-Medikament Binocrit/Epoetin alfa Hexal von Sandoz/Hexal, das seit Oktober 2007 zu haben ist. Als drittes Biosimilar will Sandoz demnächst ein Nachahmerprodukt des Zytokins Filgrastim einführen. Weitere zwei Dutzend Biosimilar-Projekte sind in der Entwicklung.

 

Mit Biosimilars lässt sich viel Geld sparen - allerdings nicht so viel wie mit Generika, denn die Hersteller von Biosimilars haben höhere Forschungs- und Entwicklungskosten, müssen klinische Tests durchführen und die Herstellung von Biosimilars ist insgesamt aufwendiger und teurer als die von Generika. Nach Einschätzung von Professor Dr. Bertram Häussler könnten die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland dennoch bis zum Jahr 2020 durch Biosimilars 8,1 Milliarden Euro sparen. Häussler leitet das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und hat im Auftrag von Sandoz die Rolle der Biosimilars im Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) untersucht. Er stellte die Studie vorige Woche in Berlin vor.

 

Nach Häusslers Prognose werden die GKV-Ausgaben für Biopharmazeutika von vier Milliarden Euro im laufenden Jahr auf zehn Milliarden Euro im Jahr 2020 steigen. Diese Medikamente spielen besonders bei Indikationen wie Autoimmunkrankheiten (etwa Rheuma), bei Krebs und Diabetes eine immer wichtigere Rolle.

 

Bis zum Jahr 2020 laufen einige Patente der 74 bisher auf dem deutschen Markt verkauften Biopharmazeutika ab und gemäß Häusslers Studie wird es dann mehr als 20 Biosimilars geben. Um das Sparpotenzial für die GKV durch Biosimilars auszuschöpfen, bedarf es nach Einschätzung Häusslers des Abbaus bestehender Markteintrittsbarrieren, die den Wettbewerb zwischen Herstellern von Originalpräparaten und Produzenten von Biosimilars behindern. Eine solche Barriere wäre das Unterschreiten eines kritischen Preisniveaus durch Erstanbieter, die mit Patentablauf ihre Entwicklungskosten refinanziert haben und ihr Produkt nun so billig anbieten, dass der Hersteller des Nachahmerprodukts seine eigene Investition nicht amortisieren kann.

 

Eine ähnliche Wirkung würden Rabattverträge entfalten, die der Erstanbieter vor Patentablauf mit Krankenkassen abschließt, ebenso Festbeträge, die zu einer Angleichung der Preise von Originalen und Biosimilars führen würden. Damit entfiele der Anreiz, Biosimilars zu entwickeln.

 

Forderung nach Regulierung

 

Sandoz forderte von der Politik, entsprechende Regulierungsinstrumente für Biosimilars einzuführen. IGES-Chef Häussler erinnerte an Interventionen des Bundeskartellamts bei missbräuchlicher Preispolitik der Fluggesellschaft Lufthansa oder des Stromanbieters Eon und sagte: »Damit ein Wettbewerb in Gang kommt, muss man ihn anfangs regulieren, um marktbeherrschende Stellungen zu verhindern.«

 

Hannes Teissl, Head Global Biopharmaceutical Business Unit bei Sandoz, ergänzte, Biosimilars müssten eine faire Chance haben, in den Markt zu kommen: »Biosimilars sind unbestritten notwendig, um überhaupt Bewegung in das Preisgefüge der Biopharmazeutika zu bringen und dadurch mittel- und langfristig hohe Einsparungen zu erzielen.«

 

Sandoz gehört zum schweizerischen Novartis-Konzern. Nach der israelischen Teva ist Sandoz der zweitgrößte Generikahersteller der Welt. 2007 beschäftigte das Unternehmen 23.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 4,9 Milliarden Euro. In Deutschland arbeiten 4300 Menschen für die Sandoz-Gruppe, zu der seit Februar 2005 auch Hexal gehört. Hexal ist seit Januar 2008 das größte Arzneimittelunternehmen in Deutschland.

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