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Direkte orale Antikoagulanzien

Faktor Xa als Target

25.11.2015  09:34 Uhr

Von Peter Schweikert-Wehner / Mit Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban sind inzwischen drei neue direkte Antikoagulanzien (NOAK) aus der Gruppe der Faktor-Xa-Antagonisten auf dem Markt. Welche Gemeinsamkeiten sie haben und worin sie sich unterscheiden, stellt dieser Beitrag vor.

Rivaroxaban (Xarelto®), Apixaban (Eliquis®) und Edoxaban (Lixiana®) sind orale, reversible, hoch selektive und direkte Inhibitoren des aktiven Zentrums von Faktor Xa. Durch die Hemmung beugen sie der Bildung von Thrombin und der Entstehung von Thromben vor.

 

Alle drei Wirkstoffe sind zugelassen zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) mit mindestens einem Risikofaktor. Dazu zählen zum Beispiel Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Alter über 75 Jahre, Diabetes sowie Schlaganfall oder transitorische isch­ämische Attacken in der Vorgeschichte. Zudem sind sie indiziert zur Behandlung tiefer Venenthrombosen und Lungenembolien sowie zur Prophylaxe von Rezidiven dieser Erkrankungen.

Inzwischen werden sie immer häufiger als Alternative für die klassischen Vitamin-K-Antagonisten Warfarin und Phenprocoumon eingesetzt. Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban werden in festen Tagesdosen nach Indikation und potenziell erforderlichen Anpassungen mithilfe von Patientenparametern wie Alter und Kreatinin-Wert dosiert. Die üblichen Erhaltungsdosen sind der Tabelle zu entnehmen. Bei niereninsuffizienten Patienten gelten entsprechend den jeweiligen Fachinformationen Kontraindikationen oder Dosisreduktionen.

 

Kreatinin-Clearance als Dosisfinder

 

Zu beachten ist, dass alle neuen Anti­koagulanzien unter Angabe der Kreatinin-Clearance, also der Verwendung der Cockcroft-Gault-Formel, die Zulassung erhalten haben. Zwar geben die neueren Formeln (MDRD und CKD-EPI) die Nierenfunktion besser wieder, doch führen sie als Dosisfinder zu Überdosierungen oder nicht erkannten Kontra­indikationen. Sollte das Labor statt der Kreatinin-Clearance die glomeruläre Filtrationsrate angeben haben, muss von Hand umgerechnet werden.

 

Die meisten Gerinnungs-Laborparameter sind nicht geeignet, das Maß der Gerinnungshemmung zuverlässig anzugeben. So steigt zwar erwartungsgemäß der INR-Wert, erreicht aber bei ausreichender Dosierung nicht den vergleichbaren Zielbereich, der für Vit­amin-K-Antagonisten gilt, und ist somit nicht aussagefähig. Aussagekräftiger ist der Anti-Faktor-Xa-Aktivitätstest.

 

Die Kombination der oralen Gerinnungshemmer mit Thrombozyten- Aggregationshemmern wie ASS oder Clopidrogel), Heparinen oder Heparinoiden, sowie Serotonin-Wiederaufnahmehemmern kann zu einer Wirkverstärkung inklusive unerwünschter Blutungen führen. Jedoch kann die Kombina­tion im Rahmen eines therapeutischen Konzepts auch durchaus indiziert sein, so zum Beispiel mit Thrombozyten-Aggregationshemmern bei einer koronaren Herzerkrankung mit Vorhofflimmern. Ebenso kann im Rahmen eines Bridgings mit Heparinen, wenn also vor einer Operation die orale Therapie abgesetzt wurde, ein vorüber­gehender Einsatz beider Substanzgruppen sinnvoll sein. Auf das Bridging kann jedoch aufgrund des relativ schnellen Wirkungseintritts und der im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten kurzen Halbwertszeiten oft verzichtet werden. Beim gleichzeitigen Einsatz steroidaler oder nicht steroidaler Antirheumatika ist mit einer höheren Inzidenz von Magen-Darm-Blutungen zu rechnen.

Pharmakokinetische und -dynamische Kenndaten der Faktor-Xa-Antagonisten

Rivaroxaban Apixaban Edoxaban
Wirkungseintritt 2 bis 4 Stunden 3 bis 4 Stunden 1 bis 2 Stunden
Plasmaeiweiß­bindung 92 bis 95 Prozent 87 Prozent 40 bis 59 Prozent
Eliminations­halbwertszeit 5 bis 13 Stunden 12 Stunden 10 bis 14 Stunden
Übliche tägliche Erhaltungsdosis 10 bis 30 mg 5 bis 10 mg 30 bis 60 mg
Abbau CYP3A4 CYP2J2 35 % renal (P-gp) CYP3A4/5 27 % renal Transport­proteine: P-gp und BCRP < 4 Prozent CYP3A4/5 P-gp

Eine Hemmung von Cytochrom-P450 (CYP)-Enzymen und des Transportpro­teins P-Glykoprotein (P-gp) führt immer zu einer Wirkverstärkung und damit zu höherer Blutungsneigung. Entsprechend hat eine Induktion von CYP niedrigere Blutspiegel und ein höheres Thromboserisiko zur Folge. Zu beachten ist, dass die Induktion meist mehrere Tage bis zur vollen Ausprägung benötigt und bis zu sieben Tage nach dem Absetzen des Induktors wirken kann.

 

Was tun bei Blutungen?

 

Edoxaban wird nur zu einem sehr geringen Anteil über CYP-Enzyme metabolisiert. Zu beachten sind daher hier nur P-gp-vermittelte Interaktionen, was als Vorteil gegenüber Rivaroxaban und Apixaban angesehen werden kann. Allerdings zeigte Edoxaban in der zugelassenen Dosierung gegenüber Warfarin bei Patienten mit normaler Nierenfunktion in der Indikation Prophylaxe von Schlaganfällen und Embolien eine leichte Unterlegenheit. Bei diesen Patienten scheint die gleichzeitige Gabe von P-gp-Hemmern diese Unterlegenheit auszugleichen.

 

Kommt es zu Blutungskomplikationen, muss diesen schnell begegnet werden. Neben der Blutstillung sollte ab mittelstarken Blutungen der Gerinnungshemmer abgesetzt werden. Bei schweren Blutungen ist der Prothrombinkomplex (PPSB), welcher die Faktoren II, VII, IX und X enthält, Mittel der Wahl. Spezifische Antidote wie Andexanet alfa und Ciraparantag (PER977) befinden sich in der klinischen Prüfung. /

 

Literatur beim Verfasser

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