Update Interaktionen |
20.09.2017 10:30 Uhr |
Von Peter M. Schweikert-Wehner / Mehr als 500 000 Menschen in Deutschland nehmen orale Gerinnungshemmer ein. Neben den Vitamin-K-Antagonisten kommen dabei mittlerweile verstärkt direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) zum Einsatz. Auch bei ihnen gibt es zahlreiche Interaktionen zu beachten.
Derzeit befinden sich mit den Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban (Eliquis®), Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) sowie dem direkten Thrombinhemmer Dabigatran (Pradaxa®) vier DOAK auf dem Markt. Studien zeigen, dass bei Gerinnungshemmern generell das Blutungsrisiko signifikant in der Komedikation mit mehr als fünf Arzneistoffen steigt.
Nehmen Patienten orale Antikoagulanzien ein, besteht mit diversen Wirkstoffen eine Interaktionsgefahr, auf die der Apotheker hinweisen sollte.
Foto: Imago/Westend61
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Interaktionen. Zu den erstgenannten gehört die Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) wie ASS, Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor sowie mit nicht steroidalen Antirheumtika. Bei gleichzeitiger Gabe von oralen Gerinnungshemmern mit TAH kommt es zu einer Verdoppelung schwerer Blutungen. Die Kombination kann zwar im Rahmen eines therapeutischen Konzeptes indiziert sein, zum Beispiel bei einer koronaren Herzerkrankung mit Stent und Vorhofflimmern.
Auch Cephalosporine können als Kombinationspartner ein Problem darstellen. Sie verstärken die Blutungsneigung, da die meisten Vertreter die hepatische Vitamin-K-Epoxid-Reduktase hemmen und dadurch die Gerinnung beinträchtigen. Vorsicht ist ebenfalls geboten bei SNRI und SSRI. Sie haben infolge ihres Wirkungsmechanismus als Serotoninwiederaufnahmehemmer den Nebeneffekt, dass die Thrombozyten an Serotonin verarmen. In der Folge wird die Thrombozytenaggregation gehemmt.
Konkurrenz um Cytochrom
Hinsichtlich der pharmakokinetischen Interaktionen sind die Enzyme vom Typ Cytochrom-P450 und das Transportprotein P-Glykoprotein (P-gp) von Bedeutung. Eine Hemmung führt zur Wirkverstärkung mit der Folge einer höheren Blutungsneigung. Zu den stärksten Hemmstoffen von CYP3A4 zählen die HIV-Protease-Inhibitoren Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir, die Makrolid-Antibiotika Erythromycin und Clarithromycin (auch P-gp) sowie die Antimykotika Ketoconazol (auch P-gp), Fluconazol, Itraconazol (auch P-gp) und Voriconazol. HIV-Protease-Inhibitoren beispielsweise können die Blutspiegel der Gerinnungshemmer um den Faktor 2,6 ansteigen lassen. Weitere, wenn auch schwächere CYP3A4-Hemmer sind Cimetidin, Verapamil (auch P-gp), die Grapefruit-Inhaltsstoffe Naringin und Bergamottin, Amiodaron (auch P-gp), Ciclosporin (auch P-gp), Diltiazem, Fluvoxamin und Norfluoxamin, der aktive Metabolit von Fluoxetin. Bei Letzteren besteht eine doppelte Interaktion, da von den SSRI auch die Thrombozytenaggregation gehemmt wird. Die gleichzeitige Einnahme mit Gerinnungshemmern sollte daher unbedingt vermieden werden.
Von den Faktor-Xa-Antagonisten hat Edoxaban das geringste Interaktionspotenzial, da es zu weniger als 4 Prozent über Cytochrom-Enzyme abgebaut wird. Bei einigen P-gp-Hemmern wie Ketoconazol gibt es in Kombination mit Edoxaban eine empfohlene Dosisreduktion des DOAK von 60 auf 30 mg.
Die Induktion von Cytochrom-P450-Enzymen führt zu niedrigeren Blutspiegeln und damit zur Wirkungsabschwächung mit erhöhtem Thromboserisiko. Zu beachten ist, dass die Induktion meist mehrere Tage bis zur klinisch relevanten Ausprägung benötigt und bis zu sieben Tage nach dem Absetzen des Induktors wirken kann. Induktoren von CYP3A4 sind die Antikonvulsiva Carbamazepin (auch P-gp), Oxcarbazepin, Phenobarbital und Phenytoin sowie Dexamethason, Rifampicin (auch P-gp) und Hyperforin aus Johanniskraut (auch P-gp).
Die aufgeführten pharmakokinetischen Interaktionen der DOAK sollten entweder als Kontraindikationen betrachtet, das Ausmaß der Gerinnungshemmung über ein Labor gemessen oder die Dosisanpassungen laut Fachinformationen beachtet werden.
Unklarer Effekt von Statinen
Unklar ist bislang das Interaktionspotenzial von Statinen mit DOAK. Es ist bekannt, dass sie den antikoagulatorischen Effekt von Vitamin-K-Antagonisten verstärken. In den entsprechenden Fachinformationen finden sich aber auch noch weitere Interaktionen, die vor allem auf Beobachtungen beruhen und nur teilweise durch die zeitgleiche Besetzung der CYP-Enzyme erklärt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch bei den DOAK Vorsicht geboten mit der zeitnahen Anwendung von zum Beispiel Tramadol, Trazodon oder Tamoxifen. /